Ein Vermisster, Knochenteile an einem Waldstück, Leichenspürhunde: Nach und nach haben Ermittler in Berlin ein Puzzle zusammengesetzt. Jetzt steht ein verstörender Verdacht im Raum. Geht es um Kannibalismus?
Es klingt wie in einem Gruselkrimi: Zwei Männer um die 40 verabreden sich über eine Dating-Plattform in Berlin zum Rendezvous. Später finden Spaziergänger beim Gassigehen mit dem Hund im Wald Knochen. Menschliche Knochen. Den Rest hat einer der Männer aufgegessen - nach einem Sexualmord.
Berliner Ermittler gehen davon aus, dass dieses Szenario so oder so ähnlich Wirklichkeit geworden sein könnte und ein 44-jähriger Monteur Stefan T. auf diese Weise Opfer eines Verbrechens wurde. Seit Anfang September wurde der Mann vermisst, seit Donnerstag sprechen die Ermittler von einer tragischen Wende - und von Mord. Es gebe Hinweise auf Kannibalismus. Ein Verdächtiger aus Berlin-Pankow ist in Untersuchungshaft gekommen.
Vermisster Stefan T. (44) ist tot: Knochenreste im Wald als Spuren eines Verbrechens
"Einschlägige Werkzeuge" wie Messer und Sägen sowie Blutspuren seien in der Wohnung des 41-jährigen Verdächtigen gefunden worden, berichtet Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, am Freitag. Der Tatverdächtige, ein Deutscher, der Lehrer sein soll, habe zu Kannibalismus im Internet recherchiert und sei auf einer Dating-Plattform mit dem Opfer in Kontakt gewesen.
Kannibale von Pankow: Mathe-Lehrer in U-Haft
Dem Mathe-Lehrer, der aktuell in U-Haft sitzt, wird nun Sexualmord aus niederen Beweggründen vorgeworfen. Hintergrund sei nach Erkenntnissen der Ermittler die Befriedigung des Geschlechtstrieb gewesen, sagte Steltner. Andere Motive, wie Raub oder Hass, seien nicht erkennbar. Es gebe bislang keinerlei Hinweise darauf, dass die Tat im Einvernehmen mit dem Opfer begangen wurde.
Sexueller Kannibalismus sei extrem selten, sagt der Kriminalpsychologe Rudolf Egg. Aber es gebe ihn als eine besondere Form der Sexualität. "Der körperlichen Akt lässt sich als die Vereinigung zweier Körper beschreiben. Sie werden eins." Das sei natürlich nur eine geringe und kurzzeitige Vereinigung. "Aber zu Ende gedacht wäre es, wenn man einen Menschen vollständig in sich aufnehmen könnte." So wie man sagt: Ich hab dich zum Fressen gern. "Aber das meint natürlich niemand wörtlich."
Kriminalpsychologe beschreibt Kannibalismus als Zeichen der Sexualität
Bei dieser Form von Kannibalismus gehe es um das Aufessen als Zeichen der Sexualität. Und es gebe sexuellen Sadismus, also die Freude daran, jemanden zu quälen. "Das sind beides sexuelle Abweichungen, die weit von der Norm entfernt sind." Kannibalismus liege an einem sehr bizarren Ende einer solchen Abweichung. "Natürlich ist es hochgradig gestört, jemanden umzubringen und aufzuessen", sagt Egg. Das könne eine homosexuelle Ebene haben. "Aber es gibt auch heterosexuellen Kannibalismus."
Taxifahrer gibt entscheidenden Hinweis auf vermissten Stefan T.
Auf die Spur des neuen mutmaßlichen Täters kommen die Ermittler in Berlin auch mit Hilfe eines Taxifahrers: Er habe sagen können, wohin die letzte Fahrt des Vermissten führte, berichtet Steltner. Mantrailer-Hunde, die für ihre sehr feinen Nasen bekannt sind, hätten die Beamten zur Wohnung des Verdächtigen geführt. Von dort bis zum Fundort der Knochen in Berlin-Buch, ganz im Norden an der Grenze zu Brandenburg, brauche man eine gute Viertelstunde mit dem Auto.
Als Spaziergänger diese Knochen entdecken, denken viele Beobachter noch nicht an einen Zusammenhang mit dem Vermisstenfall. Dann finden Leichenspürhunde weitere kleinere Knochenfragmente. Sie hätten eindeutig dem Vermissten zugeordnet werden können, sagt Steltner. Beweismittel und Indizien reichten schließlich für einen Haftbefehl.
Das Opfer lebte im Berliner Osten, Bezirk Lichtenberg. Es ist ein Plattenbau in einer einfachen Wohngegend jenseits des S-Bahn-Rings. Hier kennt nicht jeder jeden. An der Tür der Wohnung, in der der Monteur in einer Wohngemeinschaft gewohnt haben soll, klebt ein durchbrochenes Polizeisiegel. Der Mitbewohner habe noch ein paar Dinge holen können, sagt eine Nachbarin. Sie wirkt erschrocken, dass dem unauffälligen Mann so etwas passiert sein soll.
Kurz vor Mitternacht hatte er im September seine Wohnung verlassen und blieb seitdem spurlos verschwunden. Das passte nicht ins Bild, denn der 44-Jährige galt als zuverlässig. Ende September machte die Polizei den Fall erstmals publik und veröffentlichte ein Foto.
Update vom 24.11.2020 zum Kannibalismus-Verdachtsfall - Ermittler finden weiteres Leichenteil
Bei den Ermittlungen im möglichen Fall von Kannibalismus in Berlin ist ein weiteres Leichenteil entdeckt worden. Die Berliner Staatsanwaltschaft teilte am Dienstag mit, Ermittler hätten es am Montagmittag im Ortsteil Pankow gefunden. Rechtsmedizinische und kriminaltechnische Untersuchungen hätten ergeben, dass es sich beim dem Fund um sterbliche Überreste des vermissten 44-Jährigen handelt. Der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft sagte, es seien noch nicht alle Leichenteile gefunden worden.
Der Mann aus Berlin-Lichtenberg, nach Angaben der Polizei ein Monteur im Hochleitungsbau, soll Opfer eines Verbrechens geworden sein. Ein Richter erließ am vergangenen Donnerstag einen Haftbefehl wegen Sexualmordes aus niederen Beweggründen gegen einen 41-jährigen Deutschen. Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge gibt es Hinweise auf Kannibalismus. Nach dpa-Informationen ist der Verdächtige Lehrer, er soll in einschlägigen Foren unterwegs gewesen sein.
Das Verbrechen kam ans Licht, nachdem vor über zwei Wochen Knochenteile an einem Waldstück in Berlin-Buch gefunden worden waren. Der 44-Jährige hatte seine Wohngemeinschaft am 5. September kurz vor Mitternacht verlassen und war zunächst spurlos verschwunden. Ermittlungen der Mordkommission und der Staatsanwaltschaft, bei denen unter anderem Personen- und Leichenspürhunde eingesetzt wurden, führten später zu dem 41-Jährigen aus Berlin-Pankow.
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Der "Kannibale von Rotenburg" schrieb gruselige Kriminalgeschichte
Als spektakuläres Verbrechen in Deutschland war der Fall des "Kannibalen von Rotenburg" aus dem Jahr 2000 bekannt geworden. Der Täter hatte sein späteres Opfer über eine Kontaktanzeige in einem Internet-Forum kennengelernt. Das Landgericht Frankfurt verurteilte den Mörder im Jahr 2006 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.
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loc/news.de/dpa
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