Ein Reporter hat bei einem Undercover-Einsatz in einem polnischen Schlachthof besorgniserregende Bilder gesammelt. Diese legen nahe, dass in Polen unter Missachtung jedweder Vorschriften kranke Rinder geschlachtet und danach exportiert werden.
Aus einem Schlachthof in Masowien ist beängstigendes Filmmaterial aufgetaucht, das ein Reporter bei einem dreiwöchigen Undercover-Einsatz aufgenommen hat. Auf selbigem ist zu sehen, wie Kühe, die zu krank sind, um alleine zu stehen, geschweige denn zu gehen, mittels einer Winde in das polnische Schlachthaus gezogen werden. Bei einer Nacht- und Nebelaktion werden die Kühe geschlachtet, ohne dass ein eigentlich vorgeschriebener Tierarzt vor Ort wäre.
Polnischer Schlachthof tötet kranke Rinder und verkauft verseuchtes Fleisch
Mehr noch: Wie der Reporter berichtete, wurden die Mitarbeiter des Schlachthofes angewiesen, sämtliche Hinweise auf den Gesundheitszustand der Tiere aus den geschlachteten Körpern zu entfernen. Tumore oder Druckgeschwüre, die belegen könnten, dass die Tiere tagelang auf der Seite lagen und vor sich hinsiechten, landeten so bei den Schlachtabfällen. Die Mitarbeiter wurden zudem nicht nur angewiesen, das Fleisch "schöner" aussehen zu lassen, sie sollen es zugleich als "gesund" und "für den Verzehr unbedenklich" kennzeichnen und verpacken.
Profitgier als Auslöser für den Fleischskandal
Ein Tierarzt habe dann im Nachhinein alle notwendigen Zertifikate unterschrieben, ohne das Fleisch tatsächlich in Augenschein genommen zu haben. "Auf dem Papier ist alles in Ordnung, aber in Wirklichkeit war es eine Katastrophe", erklärte der Reporter. Laut dem Reporter seien während seines Undercover-Einsatzes 28 Tiere geschlachtet worden, die zu krank waren, um zu stehen.
Als das Filmteam die Besitzer des Schlachthofes und den zuständigen Tierarzt konfrontierten, bestritten diese jedwedes Fehlverhalten. Der Grund für diese Zustände ist wie immer das liebe Geld. Fünf bis sechs Mal billiger sei ein krankes Tier im Vergleich zu einer gesunden Kuh. Dahingehend habe sich in Polen ein regelrechter Markt entwickelt. So preisen polnische Händler mit beschönigenden Begriffen wie "traumatisiert" oder "beschädigt" ganz offen kranke Tiere zum Verkauf an.
80 Prozent des polnischen Rindfleischs werden exportiert
Experten, die das Filmmaterial des Investigativ-Magazins "Superwizjer"gesichtet haben, sahen sogleich die Möglichkeiten ernsthafter Gesundheitsrisiken. Das Problem: Ohne die Krankheiten der Kühe zu kennen, kann überhaupt nicht bestimmt werden, welche Gefahr für Konsumenten von dem Verzehr ihres Fleisches ausgeht.
Umgehend wurde die polnische Regierung aufgefordert, sofort zu handeln und das Fleisch aus dem Verkehr zu ziehen. Zudem müssten sämtliche Abnehmerstaaten über die Vorgänge informiert werden. Die Gefahr ist evident, denn Polen exportiert insgesamt 80 Prozent seines Rindfleisches – auch nach Deutschland. Wie beispielsweise der "Guardian" berichtet, habe Polen alleine 2017 415 Millionen Kilogramm Rindfleisch exportiert.
Fast 800 Kilo verdorbenes Fleisch aus Polen nach Frankreich gelangt
Aus Polen sind knapp 800 Kilogramm verdorbenes Fleisch nach Frankreich gelangt. Betroffen seien im Land neun Weiterverarbeitungsbetriebe, sagte Landwirtschaftsminister Didier Guillaume dem Sender CNews am Freitag. Von den 795 Kilo Fleisch seien rund 150 Kilo bereits sichergestellt worden, sagte der Ressortchef. Es sei bisher nicht klar, ob verdorbenes Fleisch in den Handel gelangt sei. "Das ist ein fürchterlicher Betrug, ein wirtschaftlicher Betrug(...)", sagte er.
EU-Kommission hat Ermittlungen im Fleischskandal eingeleitet
Die EU-Kommission hat wegen des Fleischskandals auf dem Schlachthof in Polen Ermittlungen eingeleitet. Kontrolleure sollten am Montag nach Polen reisen, um die Situation zu analysieren, erklärte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde am Freitag. Die betreffende Fabrik in der Woiwodschaft Masowien, gegen die polnische Behörden inzwischen unter anderem wegen illegaler Schlachtung ermitteln, sei geschlossen, hieß es. Etwa 9,5 Tonnen Fleisch seien in Umlauf gelangt, ein Drittel davon ins EU-Ausland. Ein Gesundheitsrisiko besteht nach Angaben der Behörden nicht. Das Fleisch werde zurückverfolgt und vom Markt genommen. Mindestens 14 Länder sind betroffen, darunter auch Deutschland.
Laut EU-Kommission sind nach bisherigem Stand außer Polen auch Deutschland, Frankreich, Spanien, Estland, Finnland, Ungarn, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei, Schweden und Portugal betroffen. Das Ausmaß ist noch nicht vollends klar, wie es hieß. Polnische Behörden nehmen das Fleisch und die Produkte wegen der illegalen Schlachtung vom Markt, schlossen eine Gefahr für Gesundheit und Leben von Menschen jedoch aus. Das Fleisch und daraus erzeugte Produkte könnten verzehrt werden, teilten Veterinär- und Sanitäramt nach Untersuchungen mit.
Polens Landwirtschaftsminister Jan Krzysztof Ardanowski sprach aber von einem Einzelfall. Dieser Betrug schade dem Ruf polnischer Lebensmittel enorm, kritisierte er. Warschau kündigte als Reaktion verschärfte Kontrollen von Schlachtbetrieben an. In der Slowakei sind mindestens 300 Kilogramm Rindfleisch offenbar in den Handel und sogar in Schulküchen gelangt, hieß es aus dem Agrarministerium in Bratislava. Regierungschef Peter Pellegrini richtete eine Videobotschaft an alle Schulleiter der Slowakei, in ihren Schulküchen kein Importfleisch mehr zu erlauben.
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pap/loc/news.de/dpa