Von news.de-Redakteur Jan Grundmann - Uhr

Hybristophilie: Wenn Frauen Serienmörder lieben

Die erotische Anziehungskraft des Bösen ist gewaltig. Brutale Serienmörder erhalten bergeweise Liebesbriefe von weiblichen Verehrerinnen. Immer wieder werden Ehen hinter Gitter geschlossen, auch Babys sind keine Seltenheit. Was macht Killer so anziehend?

Anders Behring Breivik hat nach seiner Verurteilung zu 21 Jahren Haft nun viel Zeit, alle Briefe, die er erhält, ausführlich zu lesen und zu beantworten. Der norwegische Massenmörder bekommt viel Post - und ein Großteil ist freundlich. Sehr freundlich, wie ein psychiatrischer Gutachter im Breivik-Prozess berichtete. Der Mann, der 77 Menschen tötete, erhalte gerade in jüngster Zeit viele Liebesgeständnisse. Auch Heiratsanträge seien darunter. «Er versucht, auf alle Schreiben zu antworten», sagte der Gutachter.

Ein Massenmörder mit Sex-Appeal? Das Phänomen bei Breivik ist nicht neu, aber bisher nur rudimentär erforscht: Hybristophilie nennen es Psychologen, wenn Menschen von Schwerverbrechern oder Mördern erotisch angezogen werden. Untersucht hat es die Journalistin Sheila Isenberg. Sie sagt, dass es sich dabei häufig um Frauen handele, die als Kind missbraucht oder misshandelt worden seien. Ihre These: Diese Frauen suchen sich deshalb einen Mann, den sie kontrollieren können und der sie nicht verletzen kann. Und jemand, der im Gefängnis sitzt, ist berechenbar, so Isenberg in ihrem Buch Women who love men who kill.

Die Frauen der Serienmörder
Hybristophilie
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«Von Verbrechern geht auch deshalb eine Faszinationskraft aus, weil sie etwas Unbekanntes, Leerstellen für die Fantasie sind, die nun ausgeschmückt und zu Zerrbildern werden», sagt der Kriminalist und Buchautor Stephan Harbort im Interview mit der Wiener Zeitung. Er hat für ein Buch mit dem Titel Ich liebe eine Bestie Verbrecher und deren Liebhaberinnen interviewt. Harbort kommt dabei auf differenziertere Motivationen für die Liebe zu Verbrechern.

Kind während der Besuchszeit gezeugt

Er konnte drei Typen von Frauen ausmachen: Frauen mit Missbrauchserfahrungen gäben sich selbst die Schuld und versuchten, durch die Beziehung zu Verbrechern ihre eigene Gefühlslage besser zu verstehen. Frauen mit gestörtem Selbstwertgefühl werteten ihre eigene Persönlichkeit durch die Beziehung zu einem Verbrecher auf. Der dritte Typus, so Harbort, seien Frauen mit sehr negativen Beziehungserfahrungen. Sie wollen nun ein Verhältnis, die sie selbst kontrollieren können.

Die Rechtsgeschichte ist voller Beispiele für Hybristophilie. Meist sind es Frauen, die sich in männliche Verbrecher verlieben. Kein Wunder, denn Kapitalverbrechen werden fast ausschließlich von Männern begangen. Eines der berühmtesten Beispiel: Ted Bundy, der wohl bekannteste Serienmörder der USA. Er soll mindestens 28 Frauen ermordet haben, manche Ermittler gehen davon aus, dass die Zahl seiner Opfer doppelt so hoch sein könnte. Als ihm der Prozess gemacht wurde, war auch Carole Ann Boone als Zeugin vorgeladen. Sie sagte aus und fühlte sich anschließend zu ihm hingezogen. Der Serienmörder heiratete sie, das Paar bekam sogar eine Tochter, die wohl während der Besuchzeit entstanden sein dürfte. Als Bundy hingerichtet wurde, reichte Boone die Scheidung ein und tauchte unter.

Auch der Porno-Killer Luca Rocco Magnotta hat offenbar eine weibliche Fangemeinde. Magnotta, der in Berlin gefasst wurde, soll einen chinesischen Studenten getötet, zerstückelt und die Leichenteile per Post verschickt haben. Das stört die 21-jährige Kanadierin Destiney St-Denis nicht. Laut einem Medienbericht sagt sie: «Ich mag ihn. Er ist eine sehr nette Person, und er braucht unsere Unterstützung.» Sie habe deshalb eine Support-Magnotta-Gruppe auf Facebook gegründet, mehrfach mit ihm telefoniert und - will ihn so schnell wie möglich im Gefängnis besuchen.

iwi/news.de