Pornografie erfüllt zum größten Teil eine Fülle von männlichen Klischees der Dauerlust. Die Wünsche der Frauen spielen selten eine Rolle. Eine Wiener Opernsängerin stört sich daran und steuert mit feministischen Filmen dagegen an.
15 Jahre lang stand sie auf großen Opernbühnen. Ihre Paraderolle fand sie in Rossinis "La Cenerentola". Doch ein Gespräch in der Kantine, bei dem sich Kollegen über Pornografie unterhalten haben, hat das Leben der gebürtigen Iranerin Adrineh Simonian völlig verändert. Das Thema ließ die 43-Jährige nicht los: "Diese Filme haben nichts mit echtem Sex zu tun. Das war langweilig." Pornografie müsse nicht in der Schmuddelecke stehen und dürfe echte Intimität zeigen - da war sich Simonian sicher und griff selbst zur Kamera.
Adrineh Simonian gründet "Arthouse Vienna" und dreht Frauenpornos
Vor einem Jahr ging ihre Seite "Arthouse Vienna" online und so hat sie sich in eine kleine Gruppe von "FemPorn"-Produzentinnen eingereiht. Sie versucht, einen feministischen und ästethischen Zugang zu Erotik-Filmen zu finden und damit auch politisch ein Zeichen zu setzen. "Frauen sollen zu ihrer Lust stehen dürfen, wie es ihnen wirklich gefällt." Regieanweisungen bei ihrer Alternative zur Mainstream-Pornografie gibt es nicht. Einzig einen Test zu allen möglichen sexuell übertragbaren Krankheiten muss jeder mitbringen.
Die Darsteller - zum großen Teil Laien, teils Professionelle - dürfen dann alles machen, ohne auf die Videokamera zu achten. Zum Geschlechtsverkehr oder zum Orgasmus muss es nicht kommen. Traumkörper muss niemand mitbringen. Nach dem Schnitt dürfen die Akteure über die Veröffentlichung bestimmen. Rund 20 Filme, darunter viele Experimente mit Licht und Schatten, hat Simonian bisher gedreht. Die Clips dauern von sieben Minuten bis fast eine Stunde. Pro Streifen müssen Zuseher zwischen knapp zwei und zehn Euro zahlen.
Es kann auch härter sein: "FemPorn" zeigt nicht nur Kuschelsex
"Es geht mir nicht darum, nur Kuschelsex zu zeigen. Aber es soll Intimität geben", sagt Simonian in ihrer Altbauwohnung in der Wiener Innenstadt. Die Praktiken der Paare dürften - im Gegensatz zu anderen "FemPorn"-Produzentinnen - einvernehmlich auch härter sein. "Wie komme ich dazu, einer Frau zu sagen, ob etwas für sie erniedrigend ist oder nicht? Das kann sie wirklich nur selbst entscheiden", sagte Simonian nur mit einem Bademantel bekleidet und mit einer Zigarette in den Fingern. Sie bezeichnet sich selbst als sexuelle Spätzünderin. Nur Geschlechtsteile in Nahaufnahme zu zeigen, bis der Mann zum Höhepunkt komme, sei einfallslos. "Sexualität soll nicht stigmatisiert, sondern normaler Bestandteil der Gesellschaft sein."
Pornos fast so beliebt wie soziale Medien und Shopping
Die Mainstream-Pornobranche ist mittlerweile ein kaum mehr zu bezifferndes Milliardengeschäft. Hunderte neue Clips werden jeden Tag von Professionellen wie Amateur-Filmern auf Online-Portale hochgeladen. Laut Hochrechnungen des IT-Unternehmens SimilarWeb, das den Datenverkehr misst, befinden sich in Deutschland unter den 18 am häufigsten geklickten Seiten zwei Pornoanbieter. Im digitalen Deutschland kommt somit Pornografie nach sozialen Medien und Shoppingmöglichkeiten, aber noch vor Nachrichtenseiten oder dem Streamingdienst Netflix.
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