Kampf ums Überleben: Nach dem Joint kommt die Heroin-Spritze im Arm
Erst leichte Drogen, dann die harten Sachen und schließlich Dealer: Drogen-Geschichten verlaufen immer ähnlich. Stefano Corsi war 16 Jahre alt, als die Drogensucht begann, sein Leben zu bestimmen. Erst die Diagnose Hepatitis C rüttelt ihn wach und veranlasst ihn dazu, das Ruder noch einmal herumzureißen.
Von news.de-Redakteurin Franziska Obst -
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Selbst wer mit leichten Drogen anfängt, endet oftmals beim Heroin oder anderen harten Drogen.
Foto: dpa
Kaum ein Junkie würde wohl zugeben, dass er es darauf angelegt hat, drogenabhängig zu werden. Für viele Jugendliche ist es die Neugier und der Kick, etwas Verbotenes auszuprobieren. Sie wollen einfach wissen, wie es sich anfühlt, Heroin, LSD und Co. zu konsumieren. So erging es auch Stefano Corsi.
Erst ein Joint und später die Heroin-Spritze im Arm
Doch für ihn blieb es nicht bei einem Joint. Auch sein eigentlich geordnetes soziales Umfeld kann den Abrutsch in die Drogensucht nicht verhindern. Ein Umzug bringt den Stein mehr oder weniger ins Rollen. Er geht nicht mehr regelmäßig zum Sport und vernachlässigt die Schule. Die Drogen werden für Stefano Corsi zum Allheilmittel. Gras, Alkohol, Heroin und andere harte Substanzen bestimmen sein Leben.
Die besten Drogenverstecke
Brustimplantate und Motorrad-Bildband
Die Bananenkiste ist zwar ein Klassiker unter den Drogenverstecken aus Südamerika. Trotzdem sorgten die 140 Kilo Koks bei Aldi für Stimmung. Hätte ein Finder die Drogen vertickt, hätte er rund sechs Millionen Euro damit verdienen können.
Lesen Sie hier, welche kreativen Verstecke sich Drogenschmuggler noch ausdenken:
Statt Silikon tut's auch Koks! Eine 20-jährige Frau aus Panama wurde im Dezember 2012 mit 1,3 Kilogramm Kokain als Brustimplantat auf dem Flughafen von Barcelona erwischt.
Weniger gefährlich, aber genauso rafiniert war das Versteck einer Südamerikanerin, das im Januar 2013 in München aufflog: Sie hatte rund 500 Gramm Kokain in ihre Haare eingeflochten.
Was der Frau ihre Brustprothese ist dem männlichen Schmuggler seine Kondomsammlung. Ganze 42 Präservative, gefüllt mit 1500 Gramm flüssigem Koks, trug ein Venezolaner am Leib, der 2011 auf dem Madrider Flughafen dem Zoll in die Fänge ging.
Fast zeitgleich nahmen die Beamten in Madrid eine US-Amerikanerin fest, die 2,7 Kilo Kokain in den Sohlen ihrer Badeschlappen verstaut hatte.
Dass Surfer gern mal kiffen, ist eine Sache. Italienische Drogenfahnder aber spürten ein Surfbrett voller Koks auf.
Afrikanische Kunst ist auch alles andere als unverdächtig. Der größte Crystal-Fund Deutschlands wurde im April 2013 in nigerianischen Holzskultpuren entdeckt. Sieben Kilo, außerdem drei Kilo Koks fielen den Ermittler am Flughafen Köln/Bonn in die Hände.
Kunst eignet sich generell gut zur Tarnung. 2002 entdeckte der Zoll massenweise Ecstasy-Pillen in Bilderrahmen, die von München und in den US-Bundesstaat Kentucky exportiert werden sollten.
Niedliches Kinderspielzeug sollte der Zoll auch immer gleich aufschneiden: Auf der A3 bei Wiesbaden wurde bei einem Schweizer Pärchen 2011 ein süßer weißer Teddy mit Weihnachtsmütze sichergestellt, vollgestopft mit Marihuana und Haschisch. Die Zöllner waren misstrauisch geworden, weil der Teddy stark nach Marihuana roch.
Bücher, vor allem die Bibel, waren schon immer das optimale Versteck für Geld, Waffen, Drogen etc. 500 Gramm Kokain entdeckten deutsche Drogenjäger in einem Motorradbildband.
Matschige Cremeteilchen, in denen sich zu viel Backpulver konzentriert hat? Mehr als fünf Kilo Kokain fand die spanische Guardia Civil am Flughafen von Barcelona im Gepäck eines Bolivianers.
Ein Behinderter wird doch nicht... Aber Drogenkuriere sind auch nicht blöd. Immer wieder findet der spanische Zoll kiloweise Kokain in Prothesen.
Aber auch in Deutschland hat der Zoll zu tun. 2012 entdeckte er auf dem Leipziger Flughafen Kokain im Gestänge eines Rollators.
Wenn alles andere durchleuchtet wird, bleibt immer noch der eigene Körper. Aus Südamerika ist die Praxis berüchtigt, bei der Menschen von der Mafia gezwungen werden, Drogenpäckchen zu schlucken und sie im Magen oder Darm nach Europa einzuschleusen. Als Gegenleistung wird ihnen der Flug ins «gelobte Land» finanziert.
Aber die beste Tarnung ist und bleibt die Polizei. In Hamburg züchtet sie Cannabispflanzen zu Forschungszwecken - welche Sorte bildet unter welche Bedingungen wie viel THC? Das muss ja dann auch irgendjemand testen...
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Durch Zufall stellen die Ärzte eines Tages fest, dass Stefano sich mit Hepatitis C infiziert hat. Er muss sich einer Therapie unterziehen, um sein Leben zu retten. Drogen sind dabei absolut tabu. Seine ergreifende Geschichte hat der Ex-Junkie und -Dealer nun aufgeschrieben.
Lesen Sie exklusiv bei news.de einen Auszug aus Stefano Corsis «Pech im Glück»:
«Als die Nadel meiner Vene immer näher rückte, fing mein Herz plötzlich an, wie wild zu rasen. Es gab noch ein Zurück, aber ich wollte diesen einmaligen Moment genießen. Die Nadel tauchte in meinen Arm ein und er zog die Spritze ein bisschen auf, damit er sehen konnte, ob er in der Vene war. Mein Blut zeigte mir einen wunderschönen Tanz mit dem Heroin. Es war einfach traumhaft anzusehen.
Langsam drückte er das nun eher rot wirkende Gift in meine Ader. Ich merkte es sofort. Es wurde mir zunächst leicht schwindelig und mein Körper bekam eine kräftige Hitzewallung verabreicht. Was für ein Gefühl! Als er die Spritze wieder aus meinem Arm nahm, stand ich auf, hob meinen Arm hoch und drückte die gerade zerstochene Stelle ab. Doch das konnte ich nicht lange aushalten und musste mich gleich wieder hinsetzen, da mir leicht schwindelig wurde. Ich hatte es nun getan. Das, was ich niemals anrühren wollte, schwamm nun mit meinen roten und weißen Blutkörperchen. Ich sagte mir, einmal und nie wieder.»
«Pech im Glück» von Stefano Corsi.
Foto: Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag
Aus eigener Kraft der Hölle entkommen
Für den Autor Stefano Corsi war dieses Buch eine Therapie. Durch das Aufschreiben seiner Erfahrungen hat er es geschafft, seine Vergangenheit zu verstehen und damit abzuschließen.
Gleichzeitig schafft er es, den Leser mitzunehmen, auf diesen schweren Weg und auch ihn diese Drogenhölle durchleben zu lassen.
Seit 2010 ist Tschechien in Europa Vorreiter bei der Legalisierung von Drogen für den Eigenbedarf - obwohl auch dort Drogen nicht legal sind. Doch wer bis zu 15 Gramm Marihuana oder Haschisch, 1 Gramm Kokain, 1,5 Gramm Heroin, 4 Ecstasy-Pillen, 5 Einheiten LSD oder 2 Gramm Amphetamine dabei hat, begeht dort nur eine Ordnungswidrigkeit und muss keine strafrechtlichen Konsequenzen fürchten. Toleriert...
... wurden kleine Mengen Drogen auch schon vorher. Doch erst durch das neue Gesetz wurden konkrete Mengen festgelegt. Schon 2009 hatten dort laut europäischer Drogenbeobachtungsstelle EBDD 44 Prozent der 15- bis 24-Jährigen illegale Drogen probiert. Problem in Tschechien: Das neue Gesetz reguliert Drogenproduktion, Handel und Konsum nicht, auch Vorbeugung und Hilfe für Süchtige wurden nicht verbessert, bemängeln Drogenberatungsstellen.
Erstaunlich unbekannt ist, dass in Portugal seit 2001 Drogenkauf und -konsum nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Höchstwerte sind 2,5 Gramm Cannabis, 0,1 Gramm Heroin, 0,1 Gramm Ecstasy, 0,2 Gramm Kokain. Grund ist vor allem die Gesundheit: Obwohl der Drogenkonsum in Portugal grundsätzlich relativ gering ist, wurde in den 1980ern und 90ern extrem viel Heroin konsumiert und Portugal hatte die höchste Rate an HIV-infizierten Drogenabhängigen in Europa. Ziel der Straffreiheit ist es, den Abhängigen besser helfen zu können.
Wie in Tschechien sind Erwerb und Konsum von Drogen nur noch Ordnungswidrigkeiten. Wer erwischt wird, muss eventuell ein Bußgeld zahlen oder bekommt, wenn nötig, eine Therapie. Auch in Aufklärung und Wiedereingliederung wird investiert. Eine UN-Delegation überprüfte die Konsequenzen, und im Weltdrogenbericht 2009 heißt es: «Es scheint, als hätten sich eine Reihe von drogenbezogenen Problemen verringert.» Studien zeigen...
..., dass der Drogenkonsum in Portugal zunächst anstieg, dann aber wieder abfiel, eine Entwicklung, die allerdings in Spanien und Italien zeitgleich auch festzustellen war. Die Drogenkriminalität nahm ab, es starben weniger Menschen durch Drogen und auch die drogenbedingten Erkrankungen wie HIV oder Hepatitis sind weniger geworden.
Weltweit bekannt für seine Coffeeshops ist Holland. Wie überall ist auch in den Niederlanden Besitz und Handel mit Cannabis illegal, das schreibt ein UN-Abkommen aus dem Jahr 1961 vor. Doch seit 1976 wird in Holland auf eine Strafverfolgung bei weichen Drogen verzichtet. Cannabis darf seitdem in den mit einem Siegel lizensierten rund 670 Coffeeshops verkauft werden - unter bestimmten Auflagen:
Bedingungen für Coffeeshops:
- keinerlei Werbung
- kein Verkauf oder Duldung von harten Drogen
- keine Ruhestörung oder Belästigung
- kein Verkauf an Jugendliche unter 18 Jahren
- Jeder Gast darf maximal 5 Gramm täglich kaufen. Das soll in Kürze mit einem elektronischen Pass überprüft werden. Der Shop darf maximal 500 Gramm vorrätig haben.
- die meisten Coffeeshops dürfen keinen Alkohol ausschenken
- seit 1. Mai 2012 ist der Verkauf an Ausländer in einigen Provinzen verboten
Doch auch in den Niederlanden herrscht nur eine Duldungspolitik und keine tatsächliche Regulierung. Das Problem: Anbau und Einfuhr sind illegal, die Lieferanten der Coffeeshops bewegen sich also in einer rechtlichen Grauzone. Ihr Risiko lassen sich die Anbieter entlohnen, weshalb die Preise in Coffeeshops relativ hoch sind und drum herum ein Schwarzmarkt blüht.
In Spanien wird der Besitz von einigen Marihuanapflanzen zum Eigenbedarf toleriert. Daraus hat sich inzwischen ein neuen System von Cannabis Social Clubs entwickelt, in denen die Mitglieder ihr Pflanzenkontingent zusammenschmeißen und somit ganze Plantagen entstanden sind, die von der Polizei geduldet werden. Pro forma werden je drei Pflanzen mit Draht zusammengehalten. Die Clubmitglieder können ihren Anteil dann gegen eine Gebühr für Pflege und Ernte abholen. Solche Clubs gibt es auch in...
Belgien. Dort wurde in einem neuen Drogengesetz 2003 Cannabis zum persönlichen Konsum für Erwachsene legalisiert. Allerdings forderte der belgische Gerichtshof 2004 eine Konkretisierung ein. Die besagt nun, dass bei Personen über 18 Jahren drei Gramm Marihuana oder eine Pflanze zum persönlichen Bedarf toleriert werden. Weitergabe und Verkauf bleiben verboten, doch auch hier werden die Clubs geduldet.
Auch in Deutschland gibt es diverse Vorstöße. So schlug der Vizechef der Polizeigewerkschaft Bernhard Witthaut 2002 vor, Cannabis in Apotheken abzugeben, um dem Schwarzmarkt das Wasser abzugraben. Das sollte bereits 1997 im Modellversuch in Schleswig-Holstein getestet werden. Die Mehrheit der Länder war dafür, doch kurz vor der Umsetzung stoppte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte den Plan. Auch in Berlin...
... stand 2004 ein Modellprojekt kurz vor der Umsetzung. Alle Parteien außer der CDU waren sich einig, dass die Verbotspolitik gescheitert sei, und die «geringe Menge», die für den Eigenbedarf zulässig ist, sollte unter Beobachtung der Konsequenzen auf 30 Gramm heraufgesetzt werden. Letzlich berlief das Projekt jedoch im Sande.
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Autor: Stefano Corsi Titel: «Pech im Glück» Verlag: Schwarzkopf & Schwarzkopf Umfang: 224 Seiten Preis: 9,95 Euro
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