Von news.de-Redakteur Florian Blaschke - Uhr

50 Jahre Asterix und Obelix: Die Todgeweihten

Ausgerechnet zum 50. Geburtstag von Asterix und Obelix legt Zeichner Uderzo einen enttäuschenden Jubiläumsband vor. Einen, den die Titelhelden nicht verdient haben. Grund genug, lieber nicht in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit zu schauen. In die gute alte Zeit.

Asterix und Obelix werden 50, hier eine Szene aus einem der Zeichentrickfilme. (Foto) Suche
Asterix und Obelix werden 50, hier eine Szene aus einem der Zeichentrickfilme. Bild: dpa

«Lucrifacturi te salutant!», rufen Musencus und Nullnullsix dem Cäsar zu, «Die sich bereichern wollen grüßen Dich!», und man wird dieser Tage das Gefühl nicht los, dass Albert Uderzo sich diesem Satz aus der Odyssee mit Leib und Seele verschrieben hat. Mit einem bisher nicht gekannten Medienrummel vermarkten er und der Verlagsriese Hachette den neuen Asterix-Band, erschienen zum 50-jährigen Geburtstag der Comic-Serie.

Das Heft, erschienen am 22. Oktober, war nur der Startschuss zum eigentlichen Geburtstag des streitlustigen Galliers, den Paris, bei Asterix noch Lutetia, mit pompösem Aufwand begeht: Auf dem mehrwöchigen Programm steht eine Ausstellung mit Originalzeichnungen im Cluny-Museum, ein Asterix-Musical im Théâtre des Champs Elysées und eine groß angelegte Parade. Dazu wird die französische Luftwaffe Asterix in den Himmel malen und im Dezember eine 50-Cent-Asterix-Briefmarke mit dem Aufdruck «Gaule» erscheinen, Gallien.

Der neue Band jedoch ist, da kann sich Lutetia noch so sehr ins Zeugen legen, eine herbe Enttäuschung. Zur Beruhigung: So schlimm wie 2005 ist es nicht. Damals, als der Asterix-Band Gallien in Gefahr erschien, dürften viele Fans vor Schreck das Heft fallengelassen haben ob der Abstrusitäten, die sich der Autor und Zeichner Uderzo da hatte einfallen lassen. Außerirdische etwa, die in einem Asterix-Comic ja nun wirklich nichts zu suchen haben. «O tempora! O mores!», möchte man rufen, «O Zeiten! O Sitten!»

Eine echte Geschichte aber wird im neuen Band gar nicht mehr erzählt. Der Stil ist wirr und voller Anspielungen auf die Kunstgeschichte, die Titelhelden alt und grau. Und so sitzen sie nun da in ihrem Gallien des Jahres eins nach Christus. Da werden sie nach Strich und Faden missbraucht, Obelix als Model, Asterix als Marsupilami, und nach all dem hat der Autor sogar noch die Chuzpe, selbst in seinem Heft aufzutauchen. Verständlicherweise rutscht Obelix da die Hand aus, woraufhin Uderzo die beiden wenigstens wieder in ihre alte Welt versetzt, in ihr altes, junges Alter. Doch nicht nur Asterix und Obelix träumen von der guten alten Zeit, in der es noch Wildschweine gab und der Wald noch stand. Auch der Leser träumt.

Warum Asterix und Obelix doch schwul sind

Denn all das, was man bei Asterix und Obelix nicht sehen will, hat Uderzo in das 34. Heft gepackt. Altern spielte sonst in den Geschichten nur dann eine Rolle, wenn der alte Methusalix mit seinem Krückstock auftaucht – der Tod ereilt zum Glück auch weiterhin nur Wildschweine – und alles Moderne, alles Neuzeitliche hatte ebenso wenig Platz in dem kleinen Dorf wie Römer. «Asterix und Obelix feiern sich zu Tode», überschrieb die Basler Zeitung ihre Rezension des Bandes. Ein hartes, aber treffendes Urteil.

Im Fall der tapferen Gallier darf der abgedroschene Satz «Früher war alles besser» ausnahmsweise einmal ungeniert ausgesprochen werden, früher, als der Zeichner Albert Uderzo, Jahrgang 1927, die Abenteuer noch gemeinsam mit dem Autor René Goscinny (1926-1977) ersponn, als sie mit lockerer Feder und spritzigem Witz Parabeln auf das Leben ersannen. Es ist schon seltsam, dass sich Uderzo, der nach dem Tod Goscinnys alleine weitergemacht hat, auf der einen Seite dem Verlag für den Fall seines Ablebens Regeln für das Fortbestehen der Serie aufdrückt – das Gelage, das immer auf der letzten Seite stattfindet etwa soll so geschützt werden – sein eigenes Werk aber im selben Moment derart mutwillig selbst demontiert.

Ihm gelingt damit, was selbst 50 Jahre, etliche Kinofilme und einige schwächere Asterix-Bände nicht geschafft haben. Der kleine Gallier und sein dicker Freund Obelix hatten 2001 sogar die Weihen der Wissenschaft erhalten, als sich einige Altertumswissenschaftler der Universität Amsterdam drängenden Fragen rund um die Abenteuer annahmen. Wie das damals wirklich war, ob Wildschweine wirklich über dem Feuer gebraten wurden oder ob die blau-weiß-gestreifte Hose des Obelix realistisch ist, haben sie untersucht und festgestellt: Goscinny und Uderzo haben ordentlich recherchiert.

Außerdem lieferten die Wissenschaftler, die ihre Ergebnisse in dem Buch Asterix – Die ganze Wahrheit zusammengetragen haben, einen erstaunlichen Hinweis darauf, dass Asterix und Obelix wirklich schwul sein könnten, wie ihnen immer wieder nachgesagt wurde. Denn der griechische Philosoph und Geschichtsschreiber Poseidonios schrieb einst: «Obgleich die Kelten anziehende Frauen haben, bringen sie ihnen wenig Aufmerksamkeit entgegen, aber sie geraten außer sich durch die übermütige Begierde nach geschlechtlichem Verkehr mit Männern.» Das sitzt.

Chauvinismus und Fremdenfeindlichkeit

Tatsächlich aber zeigten die Forschungen der niederländischen Historiker, wie viel dran ist an der Behauptung, man könne von Asterix und Obelix etwas lernen, nicht nur lateinische Sprichwörter. Wie gerne reist man mit ihnen um die Welt, nach Afrika und in den Orient, einmal quer durch Europa, immer mit dem Blick der Gallier auf die Welt, soll heißen: mit dem Blick der Franzosen auf die Welt. Dass da die Briten, Schweizer oder Spanier nicht immer gut wegkommen, versteht sich von selbst. Klug verpackte Gesellschaftskritik sind die Hefte, manchmal überraschend chauvinistisch oder mit leicht fremdenfeindlichem Unterton ausgestattet.

Und natürlich verkörpern die Gallier auch positive Werte, auf die man sich gerne beruft. Asterix und Obelix sind der Inbegriff für echte Freundschaft, auch wenn der Dicke hin und wieder schmollt, das kleine Dorf steht gleichbedeutend für Widerstand, auch wenn der nur durch den Zaubertrank des Miraculix möglich wird. Die alte David-gegen-Goliath-Geschichte, ein wenig aufgepeppt. Immer wieder gut.

Der wohl wichtigste Grund aber für den beispiellosen Erfolg der Asterix-Comics – 325 Millionen verkaufte Exemplare in 107 Sprachen – liegt in ihrem doppelten Aufbau. Für Kinder sind sie großartige Unterhaltung, voller Action und Witz, getragen von mindestens zwei Identifikationsfiguren, für Erwachsene bieten sie in ihrer Doppeldeutigkeit und ihren teils bitterbösen Anspielungen noch weitaus mehr Facetten. In Form der Karikaturen Prominenter etwa, von Eddy Merckx über die Beatles, Sean Connery und James Bond bis hin zu Schwarzenegger.

 

Warum Pastis saufen gute Ideen bringt

Trotz allem aber, obwohl Goscinny und Uderzo einst weit ausholten, blieben Asterix und Obelix immer auch nette, kleine Geschichten. Von denen hat sich das aktuelle Heft jedoch so weit entfernt, dass man sich fast wünschen müsste, es hätte ein Ende mit den Galliern. Das aber ist nicht in Sicht. Ein Heft will Uderzo noch selbst machen, dann gibt er die Serie ab, an die Brüder Frederic und Thierry Mebarki.

Vielleicht sollten die sich dennoch ein Vorbild an dem 82-Jährigen nehmen. An ihm, Goscinny und dem Sommer des Jahres 1959. Damals, als die beiden sich das erste Asterix-Abenteuer für das Jugendmagazin Pilote ausdachten, trafen sie sich dafür auf einem Balkon vor den Toren Paris', rauchten, als bekämen sie es bezahlt und soffen Pastis. Es scheint geholfen zu haben.

Und an noch etwas sollten die beiden denken. Um Asterix und Obelix müsse man sich, so verkündete Uderzo bei der Vorstellung des neuen Bandes, ohnehin keine Sorgen machen, sie seien unsterblich. Gute Ideen aber sind das bekanntlich nicht.

news.de/twa

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