Von news.de-Redakteur Herbert Mackert - Uhr

DDR und Drittes Reich: «Wie kann man die DDR nur so hassen?»

War die DDR so schlimm wie der Nationalsozialismus? Lassen sich der SED-Staat und das Dritte Reich überhaupt miteinander vergleichen? Der Historiker Wolfgang Wippermann ruft vehement «Nein». Aber auch diese Diagnose hat Nebenwirkungen.

Der Autor diskutiert in seinem Buch ausführlich den Begriff «Totalitarismus». (Foto) Suche
Der Autor diskutiert in seinem Buch ausführlich den Begriff «Totalitarismus». Bild: news.de

In seiner soeben im Rotbuch Verlag erschienenen «geschichtspolitischen Streitschrift» mit dem Titel Dämonisierung durch Vergleich: DDR und Drittes Reich beklagt der Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin eine in seinen Augen weit verbreitete Gleichsetzung beider Unrechtsstaaten in der deutschen Öffentlichkeit. Damit werde einerseits die DDR verteufelt, andererseits der NS-Staat verharmlost.

Der Experte für Verschwörungs- und Totalitarismustheorien sowie Antiziganismus (Zigeunerfeindlichkeit) nennt diese in seinen Augen bewusst betriebene Geschichtspolitik in Anlehnung an George Orwells utopischem Roman 1984 einen «Neusprech». Dieser laute: «Die DDR beziehungsweise der SED-Staat sollen genauso totalitär gewesen sein wie der NS-Staat, Honecker wie Hitler, die Stasi wie die Gestapo, das berüchtigte DDR-Gefängnis Bautzen wie Auschwitz.»

Einen Vergleich hält Wippermann weder für möglich noch für zulässig. Zwar sei die DDR unzweifelhaft eine Diktatur gewesen und sicher kein Rechtsstaat, aber nicht ebenso monströs wie das Nazi-Regime, weil sie keinen Weltkrieg begonnen und keinen Rassenmord begangen habe.

Bereits räumlich und zeitlich hinke der Vergleich. So reichte das Dritte Reich während des Zweiten Weltkriegs vom Nordkap bis Afrika und vom Atlantik bis zum Kauskasus und dauerte zwölf Jahre, von 1933 bis 1945. Die DDR dagegen lag zwischen Elbe und Oder und bestand von 1949 bis 1990. «Wenn man die kleine und noch dazu weitgehend von der Sowjetunion abhängige DDR wirklich mit dem Dritten Reich vergleichen wollte, müsste vom Zweiten Weltkrieg und vom Holocaust abstrahiert werden», schreibt Wippermann.

Obwohl die DDR bereits seit den 1970er Jahren, während der Entspannungspolitik unter dem damaligen Kanzler Willy Brandt (SPD), von der Bundesrepublik politisch anerkannt und nicht länger als totalitär, sondern nur noch als autoritär bezeichnet worden sei, werde seit ihrem Untergang versucht, die DDR wieder als totalitäres Gebilde, als «das Böse schlechthin» darzustellen. Ergebnis dieses «staatlich verordneten Geschichtsbewusstseins» sei ein Paradigmenwechsel hin zu einer Täter-Opfer-Umkehrung, bei der aus uns Deutschen allesamt erbarmungswürdige Opfer gemacht werden sollen.

Wen meint Wippermann mit «Verschwörungsideologen» und «Stasi-Exorzisten»?

Ausführlich erläutert Wippermann Definition, Entstehung und Verwendung der Begriffe «Totalitarismus», «Extremismus» sowie der ulkigen Konstruktion «autalitär», mit der der Chemnitzer Politologe Eckhard Jesse den Kompromiss aus «autoritär» und «totalitär» schaffen und mit diesem im Historikerstreit um die Einzigaritgkeit des Holcausts vermitteln wollte.

Beispiele für die Gleichsetzung von rechts und links gibt es in der Geschichte viele. Während des italienischen Faschismus unter Benito Mussolini sprach der Chef der von den Faschisten verbotenen christlichen Volkspartei (Partito Poplare Italiano), Luigi Sturzo, von «Rechtsbolschewismus» und «Linksfaschisten». Ebenso titulierten die deutschen Sozialdemokraten in den 1920er und 1930er Jahren die verhassten Kommunisten als «Kozis» und stellten diese damit mit den «Nazis» auf eine Stufe, weil es sich bei ihnen um «gleiche Brüder mit ungleichen Kappen» handele. Oder der westdeutsche SPD-Chef Kurt Schumacher, der in der Nachkriegszeit Kommunisten als «rot lackierte Nazis» bezeichnete.

Bei der diesen Vergleichen zugrunde liegenden Totalitarismustheorie handele es sich nicht um eine empirisch bewiesene und beweisbare Therorie, sondern um eine ideologische Doktrin, einen politischen Kampfbegriff, mit der sich der demokratische Westen vom «totalitären» Osten abgegrenzt und diesen bekämpft habe. In Wippermanns Verständnis ist das der pseudo-wissenschaftliche Versuch, die Verbrechen des Nationalsozialismus und des Stalinismus oder gar des Kommunismus gleichzusetzen.

Über das Ziel hinaus schießt Wippermanns aber mit seinen Angriffen gegen den ehemaligen Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit und vormaligen Rostocker Pastor Joachim Gauck sowie gegen den Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe. Gauck nennt er einen «Stasi-Exorzisten», der in seinem Übereifer sogar die gesamte westdeutsche Bevölkerung auf ihre Mitarbeit beim DDR-Geheimdienst habe überprüfen wollen. Knabe schmäht er als «Großinquisitor» mit «aufrichtig fanatischem Eifer» und unterstellt dem Historiker neurotische Züge, die ihn zum «Verschwörungsideologen» gemacht hätten.

«Wie kann man die DDR nur so hassen?» fragt Wippermann geradezu betroffen und wirkt dabei ebenso neurotisch, so als hätte er Mitleid mit der gar nicht so schlimmen DDR, die es doch eigentlich mit allen gut gemeint hat.

Fazit: Insgesamt ein lohnendes Buch. Aber Vorsicht: Möglicherweise tritt nach seiner Lektüre anstelle der von Wippermann befürchteten Verharmlosung der Nazi-Zeit möglicherweise eine Verharmlosung des DDR-Unrechtsstaats und seiner Unterdrückungsapparate.

Autor: Wolfgang Wippermann
Titel: Dämonisiierung durch Vergleich: DDR und Drittes Reich
Verlag:Rotbuch
Umfang: 122 Seiten
Preis: 9,90 Euro
Erscheinungsmonat: März 2009

mik

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