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Forschungsprojekt "Polizeiliche Gefährdungsanalysen zu Tötungsdelikten in Partnerschaft und Familie ("GaTe") endet zum Jahresende - Projektverantwortliche ziehen positive Bilanz
Berlin/Münster/Ravensburg (ots) -
Psychologische Hochschule Berlin, Deutsche Hochschule der Polizei und Polizeipräsidium Ravensburg entwickeln standardisiertes Risikoanalyseinstrument (GaTe-RAI)
Laut Polizeilicher Kriminalstatistik kam es im Jahr 2023 bundesweit durchschnittlich einmal pro Tag zu einer versuchten oder vollendeten Tötung in einer (Ex-)Partnerschaft; im Mittel starb jeden zweiten Tag eine Person. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsprojekt Polizeiliche Gefährdungsanalysen zu Tötungsdelikten in Partnerschaft und Familie (Akronym: GaTe) untersuchte Warnsignale im Vorfeld von Tötungsdelikten in bestehenden und ehemaligen Partnerschaften (sogenannte Intimizide) sowie den Status Quo der Vorgehensweisen in der Gefährdungsanalyse der Polizeien der Länder bei drohenden Taten. "Ziel des gemeinsam durchgeführten Projekts war es, wissenschaftlich gesicherte Kriterien festzulegen, um Tatrisiken besser einschätzen zu können", so der Projektkoordinator Polizeipräsident Uwe Stürmer. Im weiteren Verlauf wurden diese Kriterien in ein Risikoanalyseinstrument (Teilprojekte der Psychologischen Hochschule Berlin und der Deutschen Hochschule der Polizei) überführt, um daraus praktische Ansätze zu gewinnen sowie aus den Erkenntnissen einer bundesweitern Sachbearbeitendenbefragung für den Phänomenbereich (Ex-)Partnerschaftsgewalt Empfehlungen und Best-Practice Ansätze für das polizeiliche Vorgehen (Teilprojekt des Polizeipräsidiums Ravensburg) ableiten zu können. Diese beinhalten neben standardisierten Prozessen auch regelmäßige Fortbildungen für die Polizei, sowie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit allen beteiligten Akteuren.
Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis wurde so einerseits das wissenschaftlich fundierte Risikoanalyseinstrument GaTe-RAI entwickelt, das es erlaubt, Warnsignale vor potentiellen Intimiziden zuverlässig zu erkennen und zu bewerten und somit die bisherigen Vorgehensweisen der Gefährdungsanalyse sinnvoll zu ergänzen. Andererseits konnten die Projektpartner Empfehlungen für den polizeilichen Umgang mit solchen Warnhinweisen sowie mit Partnerschaftsgewalt in Form eines Berichts ableiten und ein umfangreiches Schulungskonzept entwickeln.
Bereits während der Projektlaufzeit wurden verschiedene Zwischenergebnisse veröffentlicht, darunter auch ein systematisches Literaturreview, das zeigen konnte, dass Tatankündigungen und andere Warnsignale auch bei Intimiziden eine Rolle spielen (https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/15248380241237213).
Aktenanalyse und Instrumentenentwicklung GaTe-RAI
Intimizide ereignen sich selten spontan. Manchen Fällen geht eine Gewaltvorgeschichte voraus, in anderen Fällen gibt es keine Anzeichen für frühere Gewalt. "Tatauslöser können Ereignisse sein, die den bisherigen Lebensentwurf der späteren Täterinnen oder Täter bedrohen, diese in eine nicht zu bewältigende Krise stürzen und so schließlich zur Begehung der Tat führen", erklärt Psychologin Prof. Dr. Rebecca Bondü. Diese unterschiedlichen Entwicklungsprozesse in Richtung einer Tat werden in vielen Fällen durch beobachtbare Tatankündigungen (so genanntes Leaking) und weitere Warnsignale begleitet. Da die derzeit eingesetzten Risikoanalyseinstrumente primär die Gewaltvorgeschichte fokussieren, unterschätzen sie das Tötungsrisiko in vielen Fällen. Ziel der Teilprojekte der Psychologischen Hochschule Berlin und der Deutschen Hochschule der Polizei war es daher, diese Warnsignale für Tötungsdelikte in bestehenden und ehemaligen Beziehun¬gen für die Risikoanalysen nutzbar zu machen, um vorhandene Instrumente zur Risikoanalyse zu ergänzen. Der Fokus lag dabei auf Leaking, einem relevanten Warnsignal für die Prävention zielgerichteter Gewalttaten im öffentlichen Raum (z.B. School Shootings, Terroranschläge). Leaking umfasst alle beobachtbaren Aussagen oder Verhaltensweisen, die eine Auseinandersetzung mit, ein Interesse an, die positive Bewertung einschlägiger Taten oder gar die Vorbereitung einer eigenen Tat signalisieren. Vor Intimiziden trat Leaking vor allem in Form von Drohungen und Tatankündigungen gegenüber dem Opfer oder Dritten auf. Auch suizidales Verhalten aufgrund von Beziehungsproblemen, Tatvorbereitungen, auffälliges Interesse an Intimiziden oder verwandten Themen sowie frühere schwere Gewalt, die eine Bereitschaft zur Tötung der Partnerin oder des Partners signalisieren, sind wichtige Formen von Leaking.
Im Rahmen des Projekts wurden umfangreiche Akten aus einschlägigen Strafverfahren untersucht und auf Merkmale und Inhalte von Leaking und anderen Warnsignalen sowie potentielle Tatauslöser überprüft. Durch den systematischen statistischen Vergleich von versuchten und vollendeten Intimiziden sowie Fällen, bei denen Personen Leaking gezeigt, aber anschließend keinen Tötungsversuch unternommen hatten, konnten dann die Merkmale und Inhalte herausgearbeitet werden, die häufiger in der Gruppe der späteren Täterinnen und Täter auftraten. Diese sprechen für die Ernsthaftigkeit der Warnsignale und potentiellen Tatauslöser und können somit als Kriterien für die Einschätzung des Risikos eines Intimizids dienen.
Das Risikoanalyseinstrument GaTe-RAI ist standardisiert und enthält 14 empirisch gesicherte Kriterien. Prof. Dr. Thomas Görgen von der Deutschen Hochschule der Polizei: "Wenn diese Kriterien vorliegen, besteht ein erhöhtes Risiko für einen Intimizid. Beispiele für diese Kriterien sind verklausulierte Tatankündigungen gegenüber Dritten, ein plötzlicher sozialer Rückzug der potentiell gefährdenden Person oder in manchen Fällen die Beendigung der Beziehung. Wobei hier nicht der Zeitpunkt der Trennung, sondern der Moment, in dem die betroffene Person die Endgültigkeit der Trennung erkennt, entscheidend ist (etwa durch einen bevorstehenden Scheidungstermin oder den Auszug)."
Besonders wichtige Kriterien werden stärker gewichtet. GaTe-RAI kann für männliche und weibliche potentiell gefährdende Personen in bestehenden oder bereits aufgelösten Beziehungen eingesetzt werden. Das Instrument erlaubt eine gute Unterscheidung zwischen Personen, die eine Tat angekündigt haben und diese später auch umsetzen und Personen, die eine Tat angekündigt haben, diese jedoch nicht umsetzen. "Weitere Analysen deuten zudem darauf hin, dass der Einsatz von GaTe-RAI in Ergänzung zu gängigen Risikoanalyseinstrumenten wie dem Danger Assessment zu einer zuverlässigeren Einschätzung eines Intimizidrisikos beiträgt", berichtet Prof. Dr. Rebecca Bondü von der Psychologischen Hochschule Berlin.
Anwendung von GaTe-RAI in der Praxis
Neben der Polizei sollen auch andere Akteurinnen und Akteure einbezogen werden. Den Grund dafür nennt Uwe Stürmer: "Nur in knapp 25 Prozent der analysierten Tötungsdelikte kam es zuvor zu einem Polizeieinsatz und nur 17 Prozent der Leakings in der vorliegenden Stichprobe wurden den Strafverfolgungsbehörden gemeldet."
Aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jugendamt, Frauenhäusern oder aus dem medizinischen Sektor wurden Zeugen. Wichtig ist daher eine Sensibilisierung aller potentiellen Zeuginnen und Zeugen für Leaking und weitere Warnsignale, um so die Meldebereitschaft zu erhöhen und geeignete Interventionen einzuleiten. Dafür wurde eigens ein Flyer mit allen relevanten Informationen erstellt. Um eine optimale Anwendung des Instruments zu gewährleisten, wird dringend die Teilnahme an einer Schulung empfohlen, die im kommenden Jahr von der Psychologischen Hochschule Berlin angeboten wird.
Sachbearbeitendenbefragung mit dem Ziel, bundesweite Standards zu etablieren
In einer umfassenden bundesweiten Befragung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die den Deliktbereich der (Ex-)Partnerschaftsgewalt bearbeiten, haben die Projektpartner das Vorgehen bei der Gefährdungsanalyse, die Nutzung von Risikoanalyseinstrumenten, das Gefahrenmanagement, Fortbildungsmöglichkeiten sowie die Zusammenarbeit mit anderen Fachstellen untersucht. Darüber hinaus wurden die Innenministerien und senate der Länder zu deren Vorgaben, Fortbildungsangeboten und dem länderspezifischen Qualitätsmanagement in diesem Phänomenbereich befragt und um die Zusendung von Dienstanweisungen und weiteren Materialien gebeten.
Die Daten zeigen, dass das Vorgehen weder deutschlandweit noch innerhalb der Bundesländer abgestimmt ist und teilweise Diskrepanzen zwischen den ministeriellen Vorgaben und der polizeilichen Praxis bestehen. Ebenso wurde deutlich, dass das Fortbildungsangebot den bestehenden Bedarf nicht angemessen abdeckt. Die multidisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Akteurinnen und Akteuren (bspw. Jugendämtern, nicht staatlichen Hilfseinrichtungen) gestaltet sich bundesweit sehr unterschiedlich. Häufig wird diese wichtige Ressource nicht vollends ausgeschöpft oder durch verschiedene Rahmenbedingungen wie bspw. den Datenschutz eingeschränkt.
Im Ergebnis wird deutlich, dass vor allem hinsichtlich einer Standardisierung der Gefährdungsanalyse, wie sie die Istanbul-Konvention verlangt, noch Anpassungs- und Optimierungsbedarf besteht. Gleiches gilt für ein regelmäßig stattfindendes wie auch wissenschaftlich fundiertes Fortbildungsangebot und die Stärkung und Erleichterung der multidisziplinären Zusammenarbeit, welche insbesondere auch eine strukturelle Verankerung benötigt. Daher werden, zumindest bundeslandspezifisch, eine einheitliche Gefährdungsanalyse sowie bundesweit verpflichtende und kontinuierlich stattfindende Schulungen empfohlen.
Entwicklung und Erprobung eines Schulungskonzepts
Auf Grundlage der Projektergebnisse haben die Partner ein Schulungskonzept entwickelt, welches Sachbearbeitenden die umfangreichen wissenschaftlichen Grundlagen vermittelt. Konkret werden Themen wie Gewaltformen und Dynamiken, aber auch psychologisches Hintergrundwissen, Risikofaktoren und Warnsignale sowie interkulturelle Kompetenzen und interdisziplinäre Zusammenarbeit behandelt. Daneben werden neben grundlegenden Informationen zu (Ex-)Partnerschaftsgewalt auch die Inhalte des Instruments GaTe-RAI erklärt. Die Schulung wurde an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg als auch an der Deutschen Hochschule der Polizei bereits durchgeführt. Weiterhin haben die Partner eine elektronische Lernanwendung mit relevanten Inhalten für Beamtinnen und Beamte des Ersten Angriffs erarbeitet, die Anfang 2025 verfügbar sein wird.
Diese Meldung wurde am 11.12.2024, 09:30 Uhr durch das Polizeipräsidium Ravensburg übermittelt.
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Kriminalstatistik zum Straftatbestand Mord und Totschlag im Kreis Ravensburg
Im Jahr 2022 registrierte die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamtes (BKA) im Kreis Ravensburg 11 Straftaten aus dem Bereich Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen. In 90,909% der Fälle blieb es bei versuchter Tötung. Die Aufklärungsrate lag 2022 bei 100%. Unter den insgesamt 13 Tatverdächtigen befanden sich 13 Männer und 0 Frauen. 38% der Personen sind Tatverdächtige nicht-deutscher Herkunft.
Alter | Anzahl Tatverdächtige |
---|---|
unter 21 | 3 |
21 bis 25 | 3 |
25 bis 30 | 3 |
30 bis 40 | 3 |
40 bis 50 | 1 |
50 bis 60 | 0 |
über 60 | 0 |
Für das Jahr 2021 gibt die Polizeiliche Kriminalstatistik des BKA 0 erfasste Fälle von Straftaten im Bereich Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen im Kreis Ravensburg bekannt, die Aufklärungsquote lag hier bei 100%.
+++ Redaktioneller Hinweis: Dieser Text wurde auf der Basis von aktuellen Daten vom Blaulichtreport des Presseportals und Kriminalstatistiken des BKAs generiert. Übermittelt durch news aktuell: Zur Presseportal-Meldung. Um Sie schnellstmöglich zu informieren, werden diese Texte datengetrieben aktualisiert und stichprobenartig kontrolliert. Bei Anmerkungen oder Rückfragen wenden Sie sich bitte an hinweis@news.de. +++
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