Einer Meinung mit dem Chef und den Kollegen? News.de erklärt, was dran ist am Mythos Spiegeln und wie Sie diese Technik aus der theoretischen Psychologie schnell und einfach in ihr Berufsleben integrieren.
Das Spiegeln des Gesprächspartners ist der Königsweg zu erfolgreicher Kommunikation. Das haben Sie vielleicht auch schon in diversen Ratgebern für Flirt oder Vorstellungsgespräch gelesen. In der Lehre der Neurolinguistischen Programmierung (NLP) bezeichnet Spiegeln den Versuch einer Person, auf Verhaltensweisen des Gesprächspartners so zu reagieren, dass dieser ihre Perspektive einnimmt und das Verstandene an sie spiegelt. Das heißt, die Person gibt in eigenen Worten das zurück, was sie von ihrem Gegenüber an Inhalten und Gefühlen verstanden hat und umgekehrt.
Inhalte wiederholen
Wenn Ihnen also Ihr Kollege erzählt, welche Sorgen er sich angesichts eines in seinen Augen nicht realisierbaren Projektes macht und Sie seine Argumente eigentlich nicht nachvollziehbar finden, ist es trotzdem sinnvoll, sich in ihn hineinzuversetzen. Beim Spiegeln würden Sie dazu zunächst das Gehörte in anderen Worten wiederholen, im Sinne von «Sie befürchten also, dass...?». Diesen ersten Schritt nennt man das Paraphrasieren. Vermeiden Sie wörtlich zu zitieren, das wirkt nicht nach Verständnis, sondern nur unnatürlich.
Gefühle an- und aussprechen
Anschließend können Sie die Gefühle des Kollegen noch in Worte fassen. Das nennt der Psychologe Verbalisieren von externen Emotionen. «Sie sind sich unsicher, ob Sie das schaffen und haben Angst zu versagen?»
Auch wenn die Gefühle des Gegenübers ganz offensichtlich sind, hat es etwas Beruhigendes und Vertrauen schaffendes, auszusprechen, was Mitmenschen fühlen. Selbst wenn es keine große Kunst darstellt, zu erkennen, dass jemand wütend, enttäuscht oder besorgt ist, bringt Sie das Benennen des wahrgenommenen Empfindens des Anderen und das damit verbundene Anerkennen dieses weiter im Bestreben, einen guten Kontakt zum Gesprächspartner herzustellen. So profan es klingt, so funktioniert Psychologie.
Der «Rückspiegel-Test»
Mit diesen zwei einfachen Schritten haben Sie auch schon das Ziel erreicht, Ihren Kommunikationspartner zu spiegeln. Dieser wiederum sollte nun ganz automatisch geneigt sein, Sie «zurückzuspiegeln». Das heißt, Ihnen nun seinerseits rückzumelden, dass Sie ihn richtig nachvollzogen haben und er sich verstanden fühlt.
Ganz egal, ob Sie nun das Gesagte unterstützen können oder nicht, das Eis ist gebrochen und ein großer Erfolg auf der Beziehungsebene erreicht. Ihr Gegenüber sollte anschließend offen für eine zielführende Diskussion sein. Sie haben schließlich ohne zu heucheln, sich zu verbiegen oder gar zu lügen klar gemacht, dass und was Sie verstehen. Ein sogenannter Rapport (eine vertrauensvolle Beziehung als Grundlage erfolgreicher Kommunikation) ist damit zwischen Ihnen geschaffen.
Vorsicht vor Manipulation
Die Methode des Spiegelns erfordert jedoch ein hohes Maß an empathischeneinfühlend, mitfühlend
Fähigkeiten und sensiblem Umgang. Bei ihrem Begründer Carl Rogers sind diese Empathie, Authentizität, Kongruenz, also stimmiges, berechenbares Verhalten und die unbedingte Achtung vor dem anderen Pfeiler eines Gesamtkonzepts. Verwechseln Sie Spiegelung zur positiven Kontaktaufnahme deshalb nicht mit Manipulation.
Und auch Sie selbst müssen sich beim richtigen Spiegeln nicht verstellen: Niemand sollte seine Persönlichkeit dabei in Frage stellen oder von anderen abhängig machen. Das wäre Krampf und würde lächerlich wirken.
Das Kassis-Modell des Spiegelns
Wenn Sie noch mehr Gemeinsamkeit betonen wollen, um eine gleiche Wellenlänge zu erreichen, gibt Ihnen die Psychologie noch einen Merksatz zur Hand: das Kassis-Modell.
Wer erfolgreich in Kontakt treten will, sollte Folgendes spiegeln:
K – Körpersprache des Gesprächspartners
A – Atmung, Rhythmus
S – Stimme, Stimmqualität (Tonlage, Lautstärke, Rhythmus und Tempo)
S – Stimmung, Gefühlslage
I – Inhalt der Argumente
S – Sprache, Wortwahl
Einige Menschen spiegeln unbewusst nahezu perfekt und kommen mit jedem zurecht. Andere spiegeln so gut wie gar nicht und finden in Diskussionen schwer Zugang zu anderen. Dabei kann jeder das Spiegeln ganz einfach in der alltäglichen Kommunikation üben, bis es automatisiert ist. Mit etwas Training steigt die Zahl der Menschen, die Sie «abholen», so ganz wie von selbst.
rzf/som/news.de