Die FH Merseburg ist deutschlandweit die einzige Hochschule, die einen Master in Angewandter Sexualwissenschaft anbietet. News.de spricht mit Professor Harald Stumpe über Männermangel, Neugier und Berufsaussichten.
Wie waren die Reaktionen, als im vergangenen Jahr erstmals der neue Masterstudiengang «Angewandte Sexualwissenschaft» an der FH Merseburg angeboten wurde?
Stumpe: Die Reaktionen waren sehr positiv. Ohne viel Werbung gab es eine Menge Anfragen. Über 40 Bewerbungen zum ersten Semester sind aus dem ganzen Bundesgebiet bei uns eingegangen. Dabei vergeben wir für diesen Studiengang nur 21 Studienplätze.
Mit welchen Vorurteilen haben Sie und Ihre Studenten zu kämpfen?
Stumpe: Vorurteile gibt es eigentlich keine, meist nur Erstaunen. Im zweiten Schritt herrscht große Neugier. Viele Studenten müssen ihren Partnern und der Familie regelmäßig berichten, was behandelt wurde. Die Neugier überwiegt.
Wer kann oder will Sexualwissenschaft studieren?
Stumpe: Der Studiengang ist besonders für Sozialarbeiter und Sozialpädagogen geeignet. Aber auch Absolventen eines humanwissenschaftlichen Studium - Lehramt, Soziologie, Medizin oder Psychologie - können sich bewerben.
Was sind die Hauptinhalte und Forschungsschwerpunkte?
Stumpe: Wir behandeln die Sexualität aus verschiedenen Wissenschaftssichten. Dabei spielen Soziologie, Psychologie, Biologie, Kulturwissenschaft, Geschichtsforschung und Jura eine Rolle. Es geht um den ganzheitlichen Ansatz.
Welchen Job kann man mit einem Master in Sexualwissenschaft ausüben?
Stumpe: Die Berufschancen liegen auf drei Ebenen. Hauptsächlich in den Berufsfeldern unter dem Dach des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, in der Ehe-, Lebens- und Familienberatung, der Aids-Hilfe, bei Kinderschutzdiensten, Gesundheitsämtern bis hin zu speziellen sozial- und medienpädagogischen Arbeitsfeldern. Aber auch in der Wissenschaft selbst sowie in den verschiedenen Arbeitsfeldern des höheren öffentlichen Dienstes, in leitenden Funktionen bei den Verbänden und Trägern von Beratungs-, Sozial- und Gesundheitseinrichtungen. Oder in allen sozialpädagogischen Arbeitsfeldern wie der Heim- und Behindertenpädagogik oder der Schulsozialarbeit.
Wer sind eigentlich Ihre Studenten?
Stumpe: Es sind eindeutig mehr Frauen, die sich für die Sexualwissenschaft interessieren. Wir sind immer sehr froh, wenn sich auch Männer bewerben. Im laufenden Studiendurchgang studieren nur drei Männer, die anderen 18 sind Frauen. Das Alter schwankt von 22 bis 49 Jahren. Da ist alles dabei.
Wie ist das Feedback der Studenten und Dozenten nach einem Jahr?
Stumpe: Die Studierenden sind sehr zufrieden. Wir wissen das, weil jede Veranstaltung von ihnen evaluiert wird. Die Lehrenden sind mit dem Engagement und den Studienleistungen ebenfalls sehr zufrieden.
Warum ist der neue Studiengang nicht kostenpflichtig?
Stumpe: Es handelt sich um einen konsekutiven Masterstudiengang. Konsekutive
Masterstudiengänge sind, im Gegensatz zu Weiterbildungsstudiengängen, in
Sachsen-Anhalt gebührenfrei.
Was würden Sie gern über Ihr Lehrangebot in den Medien lesen?
Stumpe: Dass unser Angebot noch einzigartig in Deutschland ist, aber der menschlichen Sexualität in allen gesellschaftlichen Bereichen mehr Bedeutung in der Bildung und Beratung zukommen muss. Und dass unsere Absolventinnen an unterschiedlichen Orten der Gesellschaft als gute Multiplikatoren wirken.
Professor Harald Stumpe ist Hochschullehrer für Aufklärung. Vor mehr als 20 Jahren unterrichtete er an der Universität Jena Sexualerziehung für Medizinstudenten. Nach der Wende berief ihn die Fachhochschule Merseburg ins Lehrgebiet Sozialmedizin. Stumpe baute den Thüringer Pro-Familia-Landesverband auf und leitete die Erfurter Aids-Präventionsstelle. Nebenbei betreibt er eine Online-Sexualberatung. Seit dem vergangenen Wintersemester leitet der Professor Deutschlands ersten und einzigen Studiengang für Sexualpädagogik.
ham/ivb/news.de