Elektronische Patientenakte: Versagt in der Praxis - "Offensichtlich nicht ausgereift" sagt Experte

Bereits seit einigen Wochen befindet sich die elektronische Patientenakte - kurz: ePA - in einigen Regionen in einer bundesweiten Testphase. Die ersten Eindrücke schmeicheln dem Projekt bisher eher nicht.

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Die elektronische Patientenakte (ePA) bereitet bisher mehr Schwierigkeiten, als dass sie Nutzen bringt. (Foto) Suche
Die elektronische Patientenakte (ePA) bereitet bisher mehr Schwierigkeiten, als dass sie Nutzen bringt. Bild: picture alliance/dpa/dpa-Pool | Rolf Vennenbernd
  • Erster Testlauf der ePA verläuft bisher problematisch
  • Praxen beschweren sich, dass das System nicht funktioniert
  • Schuld sind zahlreiche technische Schwierigkeiten

Ein erster Testlauf der neuen elektronischen Patientenakte, auch ePA genannt, sollte zeigen, was die elektronische Akte in der Praxis kann - und ob sie das Gesundheitssystem tatsächlich effizienter machen wird. Doch schon zum Start des Tests zeichneten sich erste technische Probleme ab. Experten sind der Meinung, das System sei unausgereift und verursache bisher nur Extraaufwand für die Praxen.

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Schon zum Start der Testphase gab es Probleme

Schon bei der Frage, wann genau die ePA denn nun eigentlich an den Start ging, kommt es zu Diskrepanzen.Offiziell gestartet ist der Testbetrieb in den bundesweit drei Pilotregionen – Franken, Hamburg und Teile von Nordrhein-Westfalen – am 15. Januar. "Aber es gab ein Problem mit dem Aktensystem, da konnte man für drei Wochen überhaupt nirgends zugreifen", erklärt Dr. Marc Metzmacher, dessen Praxis ebenfalls an der Testphase teilnimmt, gegenüber dem Bayerischen Rundfunk."Und wenn ich keinen Patienten habe, auf den ich zugreifen kann, ist es natürlich kein Test." Demnach habe der eigentliche Test in Wirklichkeit erst Mitte Februar stattgefunden. Der verspätete Start ist jedoch nur eines der vielen technischen Probleme, die die ePA für Praxen und Patienten verursacht.

Praxen zahlen für ein nicht funktionierendes Produkt

"Die Aufwände, die wir in den Praxen haben – von technischen bis zu logistischen – die sind so groß. Das wird einfach nirgends gesehen", sagt Metzmacher im BR24-Gespräch über das "offensichtlich nicht ausgereifte System". Laut ihm unterscheiden sich die technischen Schwierigkeiten zudem von Praxis zu Praxis. Jede von ihnen hat mit anderen Problemen zu kämpfen - gemeinsamer Nenner bleibt jedoch die ePA. Und dann ist da noch der nicht vorhandene technische Support. Dieser läuft über "unterschiedliche Hotlines, wo immer die, die man gerade anruft, nicht zuständig ist." Zu allem Übel sind die Hotlines auch noch kostenpflichtig. So zahlen die Praxen für Anrufe, die ihnen zumeist nichts bringen, jedes Mal Geld. "Dafür sind wir verpflichtet. Die Hersteller verdienen sich damit eine goldene Nase."

Angst vor Systemabsturz bei bundesweitem Start

Auch sei die ePA bisher einfach "nicht zuverlässig", so Metzmacher. Er schätzt, dass momentan rund zehn Prozent der Zugriffe, die funktionieren sollten, nicht funktionieren. Der offizielle Start der ePA nach dem Ende der Testphase - welches derzeit bereits für April angesetzt ist - scheint zum Scheitern verurteilt. Kassenärzte fordern eine Verschiebung des Starts, bis das System tatsächlich ausgereift ist. Die Testversionen sollten im Idealfall noch bis Ende des Jahres auf allen einzelnen Praxisverwaltungssystemen getestet werden, so Metzmachers Vorschlag. Weiterhin steht die Befürchtung im Raum, dass es erneut zu gravierenden Ausfällen kommen könnte, sobald das System bundesweit in allen Praxen implementiert wird. Dabei würde es zu einem Sprung von 240 Praxen, die das System verwenden, zu über 100.000 Praxen kommen. Die bisherigen Beobachtungen scheinen diese Befürchtung zu stützen.

Patienten interessieren sich nicht für die ePA

Dabei sollte die ePA insbesondere bei Notfällen schnelle und zuverlässige Informationen liefern können, um eine möglichst gute Behandlung der Patienten zu ermöglichen. Doch bisher sieht es eher mau aus. In den Testpraxen vor Ort nutze man die ePA für Notfälle überhaupt nicht, so Metzmacher. Im Gegenteil: mangels technischer Voraussetzungen hätten Notärzte überhaupt keinen Zugriff auf die ePA. "Das, was uns versprochen worden ist, dass man sagt: 'Okay, im Notfall hat man gleich die Unterlagen vor Ort' – das stimmt also so überhaupt nicht", so der Mediziner. Dennoch wurde das Produkt von den Herstellern offenbar als deutlich besser angepriesen, als es eigentlich ist. Auch Patienten hätten, wenn sie sich überhaupt zur ePA erkundigen würden, "überzogene Wünschen und Hoffnungen". Meist fehlt jedoch das Interesse.

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