
- Laut Ärzten sollen Kopfhörer Hörprobleme verursachen
- Geräuschunterdrückung führt zu Störung im Gehirn
- Lärm und Stimmen können nicht mehr unterschieden werden
Mittlerweile warnt auch die WHO ausdrücklich, dass die Zahl der Hörbehinderungen drastisch zunimmt – rund 1,6 Milliarden Menschen sind derzeit in ihrem Hören beeinträchtigt. Diese Zahl soll sich laut der Organisation bis 2050 sogar fast verdoppeln, denn eine weitere Milliarde junger Menschen sind derzeit gefährdet, schwerhörig zu werden. Oft ist dabei die Ursache kein klassischer Hörverlust, sondern eine neurologische Störung der Hörverarbeitung.
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Wieso kann ich nicht richtig zuhören?
Täglich nehmen wir abertausende von Geräuschen wahr, manche ganz bewusst, andere unbewusst. Viele fühlen sich von der schieren Reizüberflutung überfordert. Dem BBC erklärt Sophie, eine gerade mal 25 Jahre alte Frau aus London, dass ihr oft gesagt werde, dass sie nicht richtig zuhören, mit den Gedanken abschweifen würde oder einfach etwas neben der Spur sei. Obwohl sie alles hören kann, so Sophie, weiß sie nicht, wo ein Geräusch herkommt – ihr Gehirn kann die Stimme nicht direkt zuordnen, erklärt sie. Doch der Hörtest zeigte keine besonderen Ergebnisse, ihr Hörvermögen selbst ist nicht eingeschränkt. Später diagnostizierte man sie mit einer "Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung" (AVWS). Dabei handelt es sich um eine neurologische Störung, bei der das Gehirn Schwierigkeiten hat, Geräusche und Stimmen richtig zu verstehen.
Mögliche Ursache sind Kopfhörer
Auch unter Ärzten ist die Störung eher wenig bekannt, da die meisten Hörprobleme auf einen Hörverlust zurückzuführen sind. Klassische Ursachen für einen Hörverlust sind laute Musik, Alter, Krankheiten und Unfälle oder eine vererbte Schwerhörigkeit. Bei Sophie und anderen Betroffenen von AVWS vermuten die Ärzte hingegen eine andere Ursache. Laut ihnen soll das übermäßig häufige Tragen von geräuschunterdrückenden Kopfhörern zu der Störung geführt haben. Sophie selbst gibt gegenüber dem BBC zu, diese bis zu fünf Stunden am Tag zu tragen. Ob die Kopfhörer wirklich schuld an der Störung sind, ist noch nicht abschließend geklärt, doch Audiologen fordern Forscher auf, sich den Zusammenhang näher anzusehen. In der Regel tritt AVWS in neurodivergenten Menschen, in Personen mit einem Hirnschaden oder in jenen, die als Kind eine Infektion in Mittelohr erlitten haben, auf. Da jedoch immer mehr Betroffene außerhalb dieser Kategorien auftreten, sollen nun auch weitere Faktoren erforscht werden.
Wie das Gehirn "vergisst", Laute zu unterscheiden
Betroffene von AVWS nehmen die Geräusche ihrer Umwelt anders wahr, als es gesunde Menschen tun. Sophie und viele andere beschreiben die Erkrankung als das Gefühl, nicht identifizieren zu können, wo Laute herkommen und was sie bedeuten. In Situationen wie in der Schule oder Uni können sich die Betroffenen nicht konzentrieren, da für sie alles unverständlich klingt. Auch in sozialen Situationen an lauten Orten wie Bars und Restaurants kann die Störung zur Herausforderung werden. Wie der Mechanismus hinter der Erkrankung funktioniert, ist bisher nicht abschließend geklärt. Es wird spekuliert, dass das Gehirn durch die geräuschunterdrückende Funktion von Kopfhörern mit der Zeit zunehmend "vergisst", wie es selbst Geräusche filtern kann. Daher raten Ärzte auch davon ab, bei Problemen mit Lärm immer geräuschunterdrückende Kopfhörer zu tragen.
Welche Therapien für AVWS gibt es?
Doch tatsächlich gibt es trotz des sehr limitierten Forschungsstands auch Hoffnung für Betroffene von AVWS: Mithilfe einer Therapie sollen einige Patienten sogar vollständig heilen können. Mithilfe von sogenannten "Word in Noise"-Apps (zu Deutsch: "Worte im Lärm"-Apps) sollen Betroffene üben, Sprache von anderen Geräuschen zu unterscheiden und zu verstehen. Zudem empfehlen Ärzte, zunächst die Gebrauchszeit von Kopfhörern einzuschränken oder den Lärmschutzfaktor etwas herunterzuregeln, sodass wieder Geräusche von außen durchdringen können. Weitere Forschung bleibt dennoch nötig, um die Störung vollständig zu verstehen und adäquat behandeln zu können.
Verwendete Quellen:
- World report on hearing, World Health Organization 2021, ISBN 978-92-4-002048-1 & 978-92-4-002049-8
- Karpel, H. (2025, 16. Februar). Audiologists raise concern over headphone use in young people. https://www.bbc.com/news/articles/cgkjvr7x5x6o
- Herausforderungen in der Schule (Video 3). (o.D.). Leben mit AVWS. https://leben-mit-avws.de/simulationen-und-materialien/avws-videos-herausforderungen/in-der-schule-video-3/
- Alanazi AA. Understanding Auditory Processing Disorder: A Narrative Review. Saudi J Med Med Sci. 2023 Oct-Dec;11(4):275-282. doi: 10.4103/sjmms.sjmms_218_23. Epub 2023 Oct 6. PMID: 37970455; PMCID: PMC10634468.
- Crum, R., Chowsilpa, S., Kaski, D., Giunti, P., Bamiou, D. & Koohi, N. (2024). Hearing rehabilitation of adults with auditory processing disorder: a systematic review and meta-analysis of current evidence-based interventions. Frontiers in Human Neuroscience, 18. https://doi.org/10.3389/fnhum.2024.1406916
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