In einer neuen Studie zeigte ein Demenz-Medikament erstaunliche Effekte. Es verlangsamte den kognitiven Verfall. Ist Forschern ein Durchbruch in der Alzheimer-Therapie gelungen? Wissenschaftler sehen es skeptisch.
Millionen Menschen weltweit sind an der Demenz-Form Alzheimer erkrankt. Bislang gibt es kein Mittel, das die neurodegenerative Erkrankung heilen kann. Doch die Forschung macht nun Hoffnung. Das neue Medikament Donanemab erzielte in klinischen Untersuchungen positive Ergebnisse und konnte den kognitiven Verfall verlangsamen. Ist der Medizin ein Durchbruch gelungen?
Alzheimer-Durchbruch? Neues Demenz-Medikament verlangsamt Krankheitsverlauf
Das Antikörpermedikament zeigte einige vielversprechende Effekte bei Alzheimerpatientinnen und -patienten, die das Arzneimittel im frühen Stadium einnahmen. Nach 18 Monaten erzielten Alzheimererkrankte in Gedächtnistests bessere Ergebnisse als Patient:innen, die ein Scheinmedikament, also ein Placebo, erhielten. Nach einem Jahr verlangsamte sich das Fortschreiten der Erkrankung um 47 Prozent, im Vergleich zur Placebogruppe (29 Prozent). Auch im Gehirn passierte etwas. Das Protein Amyloid, das sich bei Alzheimer im Gehirn ablagert und als Kennzeichen für die Krankheit gilt, wurde teilweise abgebaut. Einige Patienten und Patientinnen konnte die Behandlung nach einem Jahr abbrechen, weil die Ablagerungen im Gehirn nicht sichtbar waren.
An der im Fachmagazin JAMA erschienenen Studie nahmen1.736 Menschen im Alter von 60 bis 85 Jahren mit Alzheimer im Frühstadium teil.
"Ermutigende" Ergebnisse im Alzheimer-Kampf: Forscher sprechen von "Zeitenwende"
Einige Fachleute bejubelten die Ergebnisse und sprachen sogar von einer "Zeitenwende". Die Ergebnisse seien "sehr ermutigend", sagte die Neurologin Reisa Sperling von der Harvard Medical School in Boston gegenüber "Nature". Bart De Strooper, ein Alzheimer-Forscher am University College London, hält diese Ergebnisse gegenüber der BBC für historisch. "Alles in dieser Studie sagt uns, dass wir die Anhäufung von Amyloid verhindern müssen".
Experte klärt auf: Alzheimer-Medikament stoppt oder heilt Krankheit nicht
Denn was nach einem Wunder klingt, ist gar keins. Donanemab hat nur bei Patientinnen und Patienten im frühen Stadium gewirkt, die noch keine Alheimer-Symptome zeigten. Das Medikament stoppt oder heilt Alzheimer nicht. "Die Patientin oder der Patient wird den Unterschied nach 18 Monaten wie in der Studie nicht merken", erklärte Professor Stefan Seipel vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Rostock im Gespräch mit der "Apotheken Umschau" (Ausgabe April 2023). De Strooper fügt jedoch hinzu, dass das Medikament nur bei Menschen mit bestimmten biologischen Markern der Alzheimer-Krankheit getestet wurde und dass es bei anderen möglicherweise nicht wirksam ist. Bei Patienten im fortgeschrittenen Stadium oder bei Menschen mit einer häufigen genetischen Veränderung, die das Krankheitsrisiko erhöht, würde das Medikament nicht nützen.
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Schwere Nebenwirkungen bei Donanemab?
Neben einer nur kleinen Gruppe von geeigneten Menschen - etwa 20.000 in Deutschland - birgt Donanemab Nebenwirkungen. Im Studienverlauf entwickelten einige Teilnehmerinnen und Teilnehmern Blutungen und Schwellungen im Gehirn. Drei Probanden starben. Zwei davon nahmen aber auch gerinnungshemmende Medikamente ein. Die gleichzeitige Einnahme von anderen Arzneien könnte ebenfalls das Risiko für Nebenwirkungen erhöhen.
Brent Forester, ein geriatrischer Psychiater an der Tufts University School of Medicine in Boston, Massachusetts, zeigte sich besorgt darüber, wie Donanemab und andere Medikamente in der klinischen Praxis wirken werden. Es sei auch unklar, wie die Gabe des Medikaments im Alltag stattfinden sollte. John Sims, der leitende medizinische Direktor von Eli Lilly, dem Hersteller des Medikaments, sagte auf einer Pressekonferenz, dass das Unternehmen einen Antrag auf Zulassung bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA gestellt hat und bis Ende des Jahres mit einer Antwort rechnet.
Keine Alzheimer-Hoffnungen: Medikamente wiesen schwere Nebenwirkungen auf
Zwei weitere Alzheimer-Medikamente namens Lecanemab und Aducanumab sorgten zuletzt für Aufsehen. Lecanemab hatte in einer Studie gezeigt, dass es den Krankheitsverlauf verlangsamte. Dennoch sind beide nicht nebenwirkungsfrei. Im Dezember 2021 lehnte die Europäische Arzneimittelbehörde EMA den Antrag auf Zulassung des Wirkstoffes Aducanumab zur Behandlung von Alzheimer in der EU ab. Die Nebenwirkungen würden den Nutzen überwiegen, berichtet die "Alzheimer Forschung Initiative e.V.".
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