Bereits seit geraumer Zeit haben Apotheken mit fehlenden Antibiotika zu kämpfen. Nun ist dieser Mangel auch offiziell bestätigt. Doch wie konnte es überhaupt zum Antibiotika-Engpass in Deutschland kommen?
Antibiotika-Mangel stellt Ärzte und Apotheker weiter vor Herausforderungen. Lieferengpässe kommen nicht nur bei Blutdrucksenkern und Krebsmedikamenten vor, auch Antibiotika-Säfte für Kinder sind betroffen. Apotheker sprechen von einer katastrophalen Situation. Besonders Kinder, die unter Scharlach leiden, sind von dem Antibiotika-Engpass betroffen.
Antibiotika knapp! Apotheken sprechen von katastrophaler Lage
"Antibiotika sind lebenswichtige Arzneimittel, aber die Liefersituation ist derzeit katastrophal", kritisierte der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Hans-Peter Hubmann. Trotz großen Aufwands werde es für die Apotheken immer schwieriger, ihre Patientinnen und Patienten in akuten Situationen zu versorgen. "Bei behandelbaren Krankheiten wie Scharlach muss teilweise auf Reserve-Antibiotika zurückgegriffen werden, die eigentlich nur in bestimmten Ausnahmefällen eingesetzt werden sollten, wenn Resistenzen gegen Standard-Antibiotika auftreten."
Warum kommt es derzeit zum Lieferengpass von Antibiotika?
Warum es aktuell so schwierig ist, neue Medikamente zu beschaffen? Darüber klärt die "Bild"-Zeitung aktuell unter dem Titel "Darum gehen uns die Antibiotika aus" auf. Ein Grund für den derzeitigen Lieferengpass sei demnach der Umstand, dass wichtige Wirkstoffe, die in Antibiotika enthalten sind, aus Asien kommen. Wie der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) erklärt, stammen 80 Prozent der hier verwendeten Antibiotika, wie z.B. Amoxicillin aus China. Zudem würden sich viele Produktionsstätten im Ausland befinden. Aktuell gibt es in Deutschland nur noch einen Hersteller (Infectopharm), der Antibiotika-Säfte produziert und der sitzt in Heppenheim, wie aktuell bei der "Bild"-Zeitung zu lesen ist. Das Unternehmen 1 A Pharma hingegen lässt sein Antibiotikum mit dem Wirkstoff Amoxicillin im österreichischen Kundl produzieren, heißt es.
Weil die Produktion von Antibiotika nicht mehr produktiv war, haben sich viele Hersteller zurückgezogen. "Sie erhalten oft nur ein paar Cent pro Tagestherapiedosis", zitiert "Bild" Bork Bretthauer (53) vom Branchenverband Pro Generika.
Verschreiben Ärzte ihren Patienten zu oft Antibiotika?
Viele Deutsche glauben zudem, dass Ärzte ihren Patienten zu häufig Antibiotika verschreiben und dass es deshalb zum Engpass gekommen ist. Das ist jedoch nicht der Fall. "Mit 8,4 Tagesdosen pro 1000 Personen liegt Deutschland weit hinter anderen europäischen Ländern beim Einsatz von Antibiotika", schreibt die "Bild". In Ländern wie Griechenland oder Frankreich werden dem Blatt zufolge fast dreimal so viele Tagesdosen verschrieben. Das meist verordnete Antibiotikum in Deutschland ist laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) das Breitband-Antibiotikum Amoxicillin, welches bei bakteriellen Infektionen der Atemwege, Harnwege, Haut, Magen und Darm eingesetzt wird.
Lage in Krankenhäusern noch entspannt
Während Krankenhäuser noch nicht von dem Antibiotika-Mangel betroffen sind, spricht Gabriele Regina Overwiening, die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) von einer katastrophalen Lage. Laut einer aktuellen "Bild"-Umfrage sind Apotheken in allen Bundesländern vom Antibiotika-Notstand betroffen.
Experten beobachten die Entwicklung derzeit mit Sorge. "Aus Sicht der Asklepios Kliniken ist die Lage bezogen auf die Versorgung mit Antibiotika zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch beherrschbar. (...) Gefährlich wird es, wenn die Lieferengpässe bei Antibiotika anhalten oder noch zunehmen (...)", berichten Asklepios Kliniken im Gespräch mit "Bild".
Antibiotika-Knappheit trifft vor allem Kinder: Welche Rolle spielen die aktuell steigenden Scharlach-Erkrankungen?
Da während der Corona-Pandemie die übliche Scharlach-Welle bei Kindern in der Kita nahezu ausgeblieben ist, kommt es nun zu einem intensiven Nachholeffekt. Die Erkrankung wird durch Streptokokken verursacht, was dazu führt, dass Medikamente wie Penicillin V oder andere Antibiotika derzeit knapp sind. "Wir haben momentan 15 bis 20 Scharlach-Fälle pro Tag in der Praxis, sonst wären es zu dieser Zeit 2 bis 3 pro Tag gewesen. Dadurch müssen wir mehr Antibiotika verschreiben. Wir bekommen regelmäßig Listen von den Apotheken und verschreiben nur das, was verfügbar ist. Das ist absurd.", klagt Dr. Martin Karsten (63), Kinderarzt aus Berlin gegenüber "Bild".
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sba/bua/news.de/dpa
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