Von von news.de-Redakteurin Dana Kaule - Uhr

In-vitro-Fleisch: Fleisch adé! Bald nur noch Kunstfleisch aus dem Labor?

Die Fleischproduktion bedeutet nicht nur Tierquälerei, sondern verbraucht auch zahlreiche Ressourcen und trägt zum Klimawandel bei. In-vitro-Fleisch aus Stammzellen könnte eine echte Alternative sein, ohne auf Fleisch verzichten zu müssen.

Ein Burger, der aus künstlichem Fleisch besteht und von Professor Mark Post an der Universität Maastricht entwickelt worden ist. (Foto) Suche
Ein Burger, der aus künstlichem Fleisch besteht und von Professor Mark Post an der Universität Maastricht entwickelt worden ist. Bild: dpa

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der es keine Massentierhaltung gibt und Tiere nicht getötet werden müssen, Menschen aber trotzdem weiterhin Fleisch essen. Klingt nach Utopie? Ganz und gar nicht. Forscher arbeiten bereits seit einigen Jahren daran, Fleisch im Labor zu züchten - mit Erfolg.

Was ist das und wie wird es hergestellt?

Vor allem in den USA und in den Niederlanden wird an dem künstlichen Fleisch, auch In-vitro-Fleisch genannt, geforscht. 2013 gab es in London eine Art Testessen mit einer aus Stammzellen erzeugten Frikadelle, die Prof. Mark Post von der Universität Maastricht entwickelt und präsentiert hat. Das Kunstfleisch entsteht, indem tierische Muskelzellen im Labor wachsen. Auf einem nährstoffreichen Medium, wie etwa einer Zuckerlösung, vermehren sich die Zellen und entwickeln sich zu Muskelgewebe. Die Zellteilung dauert mindestens 24 Stunden, doch in 50 Tagen ließen sich 10.000 Kilogramm Fleisch herstellen, erklärt der Biologisch-Technische Assistent Ruud Theunissen von der Universitätsklinik in Maastricht gegenüber "deutschlandfunk".

Gibt es In-Vitro-Fleisch schon zu kaufen?

Andere Unternehmen haben das Konzept aufgenommen, etwa Mosa Meat, die mit Marc Post zusammenarbeiten, Memphis Meats, die Fleischbällchen aus Stammzellen von Schweinen und Rindern nutzen oder Supermeat, ein Startup aus Israel, das Hähnchenfleisch imitiert. Aber es gibt auch Ansätze, die gänzlich ohne tierische Stammzellen funktionieren. So hat Impossible Foods aus den USA einen "Impossible Burger" entwickelt, der auf pflanzlichem Eiweiß basiert, und damit in New York einen regelrechten Hype verursacht.

Zu kaufen gibt es In-vitro-Fleisch aus Stammzellen allerdings noch nicht. Der Preis von Mark Posts Kunstfleisch lag 2013 pro Burger bei 250.000 Euro. In Massenproduktion seien aber 55 Euro pro Kilogramm möglich, wie "plusminus" berichtet.

Was spricht für künstliches Fleisch?

Jeder Deutsche verzehrte allein 2016 etwa 60 Kilogramm Fleisch, was sich nicht nur in der CO2-Belastung widerspiegelt, sondern auch im Land- und Wasserverbrauch. Durch den großflächigen Anbau von Soja, das an Rinder, Schweine und Geflügel verfüttert wird, beansprucht der durchschnittliche Fleischkonsum eines Deutschen 1.000 Quadratmeter, so der WWF. Zum Vergleich: Der Kartoffelverbrauch liegt bei 15 Quadratmeter pro Kopf im Jahr. Und die Rechnung geht noch weiter. Für ein Kilogramm Rindfleisch werden laut UNESCO 15.000 Liter benötigt - für ein Kilogramm Äpfel lediglich 700 Liter. Darüber hinaus verursachen Nutztiere 15 Prozent der Treibhausgase und sind eine der Hauptursachen für den Klimawandel.

Wie lässt sich In-vitro-Fleisch industriell herstellen?

Die Argumentationskette für In-vitro-Fleisch ließe sich aber noch weiter knüpfen: Angefangen von Tierexkrementen, die das Trinkwasser verschmutzen, Massentierhaltung, über Antibiotikaresistenzen, hin zum steigenden Fleischbedarf in den kommenden Jahren einerseits oder schlichtweg dem Welthunger andererseits. Vorausgesetzt natürlich, die Herstellung von Kunstfleisch gelingt auf industrieller Basis. Wie das ablaufen könnte, erklärte der Chefentwickler von Memphis Meat, Eric Schulze, gegenüber "plusminus". So seien riesige Anlagen wie Brauereien denkbar, in denen sich die Zellen für das Kunstfleisch auf natürliche Weise vermehren. Ähnliches plant auch Prof. Mark Post bereits: Er möchte einen Bio-Tank mit einem Fassungsvermögen von 25.000 Litern entwickeln.

Gibt es gesundheitliche Bedenken für das Fleisch aus der Petrischale?

Wann es endlich soweit ist und der In-vitro-Burger auch im Supermarkt oder gar bei McDonald's erhältlich ist, lässt sich noch nicht mit Gewissheit sagen. Fünf bis zehn Jahre könne es aber schon noch dauern, schätzt Post. Bleibt nur die Frage, ob so ein künstlich in der Petrischale gewachsener Burger auch gesund ist? Die Stammzellen kommen Post zufolge aus gesunden Tieren, die in Freilandhaltung leben. Auch das Krebsrisiko sei gering, schließlich müssen die Stammzellen durch den Magen und werden nicht, wie etwa in der Therapie, gespritzt. Zudem ließe sich das In-vitro-Fleisch mit weiteren Nährstoffen versehen, argumentiert Eric Schulze. Gentechnisch verändernde Verfahren kämen zwar nicht zum Einsatz, da sie auf dem europäischen Markt verboten sind, aber wären eine Möglichkeit, um die Stammzellen beispielsweise schneller wachsen zu lassen.

Ist Kunstfleisch eine echte Alternative für Verbraucher?

Verbraucher sehen künstliches Fleisch aus dem Labor als eine von vielen möglichen Alternativen zu normalem Fleisch. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) nach Befragungen und Diskussionsrunden. "Es ist aber auch eine Innovation, die spaltet", sagte Arianna Ferrari vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), die die Untersuchung leitete.

Die Karlsruher Forscher befragten neben Bürgern Experten aus Wissenschaft, Gastronomie, Landwirtschaft, Umwelt- und Tierschutz. Das In-vitro-Fleisch stößt demnach bei Menschen auf Widerstand, die die Zukunft der Ernährung in einer Reduktion des Fleischkonsums und dem ökologischen Umbau der Landwirtschaft sehen. Allerdings lehnt nicht jeder Vegetarier Laborfleisch grundsätzlich ab.

Lesen Sie auch: Darum sollten Sie Veggie-Fleisch nicht zu oft essen.

Folgen Sie News.de schon bei Facebook, Google+ und Twitter? Hier finden Sie brandheiße News, tolle Gewinnspiele und den direkten Draht zur Redaktion.

kad/kns/news.de/dpa

Erfahren Sie hier mehr über die journalistischen Standards und die Redaktion von news.de.