Nicht lebensfähig: Baby ohne Schädeldecke! Arzt verweigert Abtreibung

Das ungeborene Kind ist nicht lebensfähig. Es hat keine Schädeldecke und nur eine geringe Überlebenschance. Dennoch verweigert ein Arzt einer Frau die Abtreibung im siebten Monat. Eine Ethik-Debatte über Abtreibungen spaltet Polen erneut.

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Schwangerschaftsabbruch ist seit jeher ein sehr heikles und stark umstrittenes Thema. Doch der Fall einer 38-jährigen Frau spaltet Polen. Eine Klinik verweigerte der Schwangeren Agnieszka im siebten Monat die Abtreibung. Auf die Geburt kann sich die Frau nicht freuen. Das ungeborene Kind hat nur minimale Überlebenschancen.

Keine Abtreibung: Baby ohne Schädeldecke

Seit fast 13 Jahren versucht die Polin gemeinsam mit ihrem Mann ein Baby zu bekommen. Doch das Glück steht nicht auf der Seite des Paares. Die junge Frau hatte bereits vier Fehlgeburten und die Hoffnung, nach der aktuellen Schwangerschaft ein gesundes Kind im Arm zu halten, ist ebenfalls zum Scheitern verurteilt. Das ungeborene Baby hat keine Schädeldecke, das Gehirn ist kaum ausgebildet. Wenn es die Geburt überlebt, sind die Chancen auf ein normales Leben mehr als niedrig.

Ablehnung der Abtreibung wegen schlechten Gewissens

In der 22. Schwangerschaftswoche erfuhr die Frau vom Schicksal ihres Kindes. Sie entschied sich für einen Abbruch. Doch Bogdan Chazan, Direktor der Warschauer Klinik der Heiligen Familie, verweigerte den Eingriff. Für seine Entscheidung berief er sich auf die Gewissensklausel. Laut Chazan kommt eine Abtreibung einem Mord gleich. Auch eine Überweisung an eine andere Klinik lehnt er ab.

Im katholisch geprägten Polen zählt das Abtreibungsrecht zu den eingeschränktesten in ganz Europa. Nur nach einer Vergewaltigung, bei einer Gefährdung des Lebens der Mutter oder bei einer schweren Schädigung des Kindes darf in dem konservativen Land eine Schwangerschaft abgebrochen werden.

Baby nach Wunsch - So geht's
Künstliche Befruchtung
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  • Voraussetzung für eine künstliche Befruchtung ist eine Störung der Fruchtbarkeit.Das heißt, die Schwangerschaft bei ungeschützem Geschlechtsverkehr muss im Zeitraum von 12 bis 24 Monaten ausbleiben. Aber: Es gibt auch Situationen, die vom Zeitfenster abweichen wie etwa, dass der Mann vor der Behandlung einer Krebserkrankung Samenproben zum Erhalt der Fortpflanzungfähigkeit einfrieren ließ oder die Frau beide Eileiter verloren hat.

  • Nur Paare kommen für eine künstliche Befruchtung infrage.Das können Ehepartner, eheähnliche Gemeinschaften oder in Einzellfällen nach einer sorgfältigen Überprüfung des Kindswohls auch gleichgeschlechtliche einegtragene Partnerschaften sein. Singlefrauen scheiden dagegen aus, da die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht gegeben sind.

  • Die Beratung: Das Paar muss von dem behandelnden Arzt und einem zweiten, unabhängigen Arzt ausführlich beraten werden. Beide müssen eienr künstlichen Befruchtung zustimmen. Dazu werden Kriterien anhand eines Indikationskataloges sowie die individuelle Situation des Paares geprüft. Das Wohl des zu erwartenden Kindes steht dabei immer im Vordergrund.

  • Das Paar sollte durch einen Psychologen und einen Notar beraten werden, wenn Fremdsperma verwendet werden soll. Hierbei wird vor allem geprüft, ob die Fremdsamenspende zur Linderung des Leidensdrucks dieses Paares geeignet ist und ob das Wohl des ungeborenen Kindes gegeben ist. «Das ist zwar nicht der einfachste Weg um eine Familie zu gründen, dennoch handelt es sich meistens um optimale Familien», sagt Najib Nassar, Fortplanzungsmediziner.

  • Zahlt die Krankenkasse?Die gesetzliche Krankenkasse beteiligt sich an den Kosten, wenn das Paar verheiratet ist, die Frau nicht jünger als 25 und nicht älter als 40 Jahre und der Mann nicht jünger als 25 und nicht älter als 50 Jahre alt ist. Samen- und Eizellen müssen vom Paar stammen und eine ausführliche medizinische und psychologische Beratung stattgefunden haben. Nicht vergessen: Der Antrag muss vor der Behandlung gestellt und genehmigt worden sein. Die Privaten Krankenkassen müssen immer zahlen, sofern die Behandlung aufgrund einer Erkrankung ihres Versicherten notwendig ist und eine hinreichende Erfolgsaussicht bescheinigt werden kann.

  • Wie hoch sind die Kosten, wenn die Kasse zahlt? Die Behandlungskosten für die IVF liegen bei 540 Euro und für die ICSI bei 740 Euro für das Paar. Hinzu kommen 55 Euro für die Narkose und 600 bis 800 Euro für die Medikamente. Das Gleiche zahlt die Krankenkasse. An den Kosten beteiligt sich die gesetzliche Krankenkasse höchstens drei Mal.

  • Sind Mehrlingsgeburten planbar? Nein. Mehrlingsschwangerschaften sind medizinisch nicht planbar. Kein Arzt weiß, ob sich überhaupt ein Embryo in der Gebärmutter einnistet. Außerdem sind Mehrlinge bei einer künstlichen Befruchtung eher unerwünscht, da sie für Mutter und Kind mehr Risiken bergen als Einlingsschwangerschaften.

  • Welche Methode ist die Erfolgreichere? Hinsichtlich der Ergebnisse sind sowohl ICSI als auch IVF  am Ende identisch. Die Frage ist, welche Methode bei welcher Vorerkrankung zu bevorzugen ist. Hat der Mann beispielsweise zu wenig Spermien, ist die ICSI die erfolgversprechendere.

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    Abtreibungsdebatte spaltet Polen

    Als das Nachrichtenmagazin «Wrost» vor ein paar Tagen ein Interview mit der Schwangeren unter dem Titel «Klausel der Grausamkeit» veröffentlichte, bewegt der Fall von Agnieszka die Öffentlichkeit. Ärzte, Politiker, Frauenorganisationen und sogar Theologen stehen auf der Seite der Schwangeren. Der Klinikdirektor muss herbe Kritik einstecken. Doch er verteidigt seine Entscheidung und erfährt ebenso Unterstützung.

    Der polnische Gesundheitsminister Bartusz Arlukowicz lässt den Fall nun vor der Ärztekammer überprüfen. Chazan wird vorgeworfen, weitere Untersuchungen bis in die 25. Schwangerschaftswoche hingezogen zu haben, sodass eine legale Abtreibung in Polen nicht mehr möglich war.

    Der Klinikdirektor sieht sich selbst als Opfer «liberaler Verfolgung, ja Terrors». «Ein Arzt ist dazu da, Leben zu retten, nicht Leben zu vernichten», sagte er. Irena Lipowicz, Vermittlerin für Bürgerrecht in Polen, fordert eine strikte Änderung der Gesetze. «Ärzte haben ein Recht auf eine Gewissensklausel, Patienten haben ein Recht auf Gesundheitsschutz», sagte sie. Es dürfe keine negativen Auswirkungen für die Patienten haben, wenn sich Ärzte auf ihre Gewissensfrage berufen, äußerte sich Regierungschef Donald Tusk zur Debatte.

    Arzt ist Held für Abtreibungsgegner

    «Wenn jemand meint, die Überweisung an einen anderen Arzt gegen sein Gewissen verstoße, dann darf er nicht als Arzt und besonders nicht als Gynäkologe arbeiten», gibt der Ethikprofessor und katholische Theologe Andrzej Szostek zum Fall zu verstehen. Für Abtreibungsgegner ist Chazan ein Held.

    Doch der schwangeren Agnieszka hilft diese Debatte nicht. Sie muss auf den Geburtstermin warten. «Am schwierigsten ist es, wenn ich die Bewegungen des Kindes spüre», sagte sie im «Wprost»-Interview. «Und dann ist da gleich der Gedanke, dass er ja stirbt. Ich plane das Begräbnis. Und dabei ist das doch das Kind, auf das wir so lange gewartet haben.»

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    bua/loc/news.de/dpa

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