Hilfe für Betroffene
- Die Qualen der Schmetterlingskinder Seite 1
- Bild: tk «Die Ursache der Erkrankung liegt in einem Gendefekt, also einer Art Fehler in ihrem genetischen Bauplan. Es gibt inzwischen mindestens 14 Gene, die bei der EB betroffen sein können. Jedes Gen kann verschiedene Mutationen aufweisen», erklärt Dr. Agnes Schwieger-Briel, Fachärztin für Kinderheilkunde am EB-Zentrum Freiburg. Der Defekt betrifft spezielle Ankerproteine in der Haut. Sie halten die unterschiedlichen Schichten der Haut normalerweise zusammen. Bei den EB-Betroffenen ist diese Art Kitt in seiner Funktion eingeschränkt oder bestimmte Komponenten fehlen komplett. Deshalb trennen sich die Hautschichten bereits durch schwache ScherkräfteFlächen werden relativ zueinander verschoben. $(function(){ tooltip(1); }); voneinander. Körpereigene Flüssigkeit tritt in die entstandenen Spalten - die Haut wirft Blasen. Dass die kleinen Patienten selbst bei sanfter Berührung starke Schmerzen haben, liegt bei einigen von ihnen ebenfalls an einem Ankerprotein. Forscher am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin haben in Kooperation mit dem Netzwerk Epidermolysis bullosa (EB-Netz) und dem Freiburg Zentrum für Seltene Erkrankungen sowie der Universität zu Köln herausgefunden, dass die Betroffenen das Protein Laminin-332 nicht bilden können. Es ist dafür zuständig, die Weiterleitung von Berührungsreizen und die Verzweigung von Nervenzellen zu hemmen. Dem Team um Gary Lewin zufolge nehmen die Patienten deshalb Berührungen viel stärker wahr als gesunde Menschen. Verschiedene Schweregrade Epidermolysis bullosa tritt in verschiedenen Schweregraden auf und betrifft in Deutschland zwei bis drei von 100.000 Menschen. «Es gibt drei Unterformen der Schmetterlingskrankheit: EB simplex (EBS), junktionale EB (JEB) und dystrophe EB (DEB)», erklärt Schwieger-Briel. Der Expertin zufolge haben viele Patienten trotz ihrer Erkrankung eine normale Lebenserwartung. Betroffene mit einer sehr schweren Form erreichen in der Regel zwar das Erwachsenenalter, werden aber im Schnitt nur 40 Jahre alt. «Bei der schwersten Unterform, der JEB-Herlitz, versterben die betroffenen Kinder hingegen meist bereits im Säuglings- oder Kleinkindalter», so die Fachärztin. Die Blasenbildung beginnt je nach Unterform bei oder direkt nach der Geburt - bei den milderen Formen aber auch erst im Laufalter. Der Grund: Die Belastung an den Füßen ist dann stärker. Während bei milderen Verlaufsformen die Wunden gut abheilen, treten bei schweren Untertypen bleibende Schäden auf und führen zusätzlich zu multiplen Sekundärproblemen: Jeder Schritt schmerzt, Händeschütteln ist kaum möglich. Die Verletzungen können dazu führen, dass Finger und Zehen zusammenwachsen. Auch die Schleimhäute sind häufig betroffen: So wird etwa Zähneputzen zur Tortour, Karies und früher Zahnverlust sind die Folge. Schmetterlingskinder müssen zudem eine spezielle Diät einhalten, da der Körper durch die ständige Wundheilung sehr viel Energie benötigt. Zusätzlich kommt es durch die Blasenbildung zu Eiweiß-, Flüssigkeits- und Eisenmangel, der ausgeglichen werden muss. Doch essen können die Kinder nicht alles, da Schleimhäute in der Speiseröhre und Darm ebenfalls betroffen sind. Die kleinen Patienten haben häufig Schluckstörungen und Verstopfung. Auch seelisch leiden die Kinder. So sind Betroffene sehr oft Hänseleien von Mitschülern ausgesetzt. Zudem werden sie mit der unbegründeten Angst der Mitmenschen vor Ansteckung und mit Unverständnis für ihre Situation konfrontiert. Der Umgang mit anderen fällt daher schwer. Manche Familien igeln sich zu Hause ein, haben kaum soziale Kontakte. Seite 2
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«Der Alltag ist außerdem sehr durch die ständigen Verbandswechsel mit manchmal starken Schmerzen geprägt», beschreibt Schwieger-Briel das Familienleben. Je nach Ausprägung ist dieser sehr zeitaufwändig. Familien, in denen das Kind eine mildere Form der Schmetterlingskrankheit hat, können sich längerfristig damit gut arrangieren. Die Kinder werden mit der Zeit selbstständiger und benötigen die Hilfe ihrer Eltern ab einem gewissen Alter nicht mehr. «Bei den schweren Verläufen sind auch ältere Patienten meist auf die Hilfe der Eltern angewiesen, so dass eine große Abhängigkeit der Kinder von ihren Eltern entsteht», sagt die Fachärztin. Oft wohnen die Betroffenen lebenslang in ihrem Elternhaus. Hoffen auf Gentherapien Laut Schwieger-Briel hat sich durch moderne, weiche Verbandsmaterialien, Pflegecremes sowie die größere Kenntnis und frühzeitige Behandlung von möglichen Komplikationen die Lebensqualität der Patienten in den letzten Jahren stark verbessert. Auch in der Forschung habe sich der Expertin zufolge viel getan. So werden bereits im Rahmen von Forschungsprojekten verschiedene Zell- und Gentherapien angewendet. «Sehr viel Aufsehen haben auch erste Knochenmarktransplantationen bei dystropher EB in den USA erregt. Bisher konnte keine Heilung erreicht werden. Wir sind aber optimistisch, dass wir in den nächsten Jahren deutlich mehr therapeutische Möglichkeiten haben werden», so Schwieger-Briel. Eine Hoffnung, die auch Jans Mutter hegt.Seite 3
- In Deutschland gibt es einige Anlaufstellen zur Unterstützung und Vernetzung Betroffener. Die Interessengemeinschaft Epidermolysis Bullosa e.V. - DEBRA Deutschland hilft unter anderem mit Informationsschriften sowie der Vermittlung von Kontakten unter den Betroffenen. Ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt ist das Netzwerk Epidermolysis bullosa. Es befasst sich mit den Ursachen, der Diagnose, Prophylaxe und Behandlung der Krankheit. Hier finden betroffene Familien viele Tipps für den Alltag und den Umgang mit EB. Unter anderem sind hier ganz konkrete Ernährungs- und Behandlungsempfehlungen zu finden. Außerdem setzt sich EiVE (Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte am Beispiel seltener Erkrankungen) für eine bessere medizinische Versorgung der Patienten ein. Das Projekt der TU Berlin wird ebenfalls vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt. Besondere Hilfe leistet unter anderem der gemeinnützige Verein DermaKIDS e. V. Gemeinsam mit dem Verein Round Table SchmetterlingsKIDS werden Spenden für die Kinder gesammelt. Im news.de-Gespräch sagte Sven Gábor Jánszky, Sprecher des Vereins Round Table SchmetterlingsKIDS, dass geplant sei, ab Sommer 2012 alle Schmetterlingskinder und ihre Familien in Deutschland von Geburt an in ein Informations- und Versorgungsnetzwerk zu integrieren. Dafür sollen spezielle Coaches ausgebildet werden, die betroffene Familien bei der Behandlung unterstützen. Zudem sind sogenannte Schmetterlingsfibeln geplant, die ausführlich über die Krankheit und deren Behandlungsmethoden informieren. Seite 4