Kaiserschnitte werden immer beliebter. Der Grund: Werdende Mütter hoffen, den Geburtsschmerz zu umgehen. Ein Trugschluss. Der Bauchoperation folgen oft langwierige Beschwerden.
Etwa jedes dritte Kind wird in Deutschland per Kaiserschnitt entbunden, anstatt auf natürlichem Weg durch den Geburtskanal das Licht der Welt zu erblicken. Doch nicht in allen Fällen ist die Bauchoperation medizinisch notwendig oder ärztlich empfohlen. (Schauen Sie sich dazu unsere Grafik zum Kaiserschnitt an.)
Das Spektrum der Gründe, warum sich eine Frau für den Kaiserschnitt entscheidet, ist vielfältig, meint Dr. Sven Seeger, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Halle an der Saale. Wer sein Kind per Wunschkaiserschnitt zur Welt bringt, kann den Termin passgenau ins eigene Berufsleben und das des Partners eintakten und dafür sorgen, dass bereits vorhandene Kinder versorgt sind, wenn die Krankenhaustasche im Auto landet.
Doch ausschlaggebend für den Schnitt sei häufig die Angst vor dem Geburtsschmerz. «Schmerzangst ist ein ganz wesentlicher Grund bei vielen Frauen, die sich für einen Kaiserschnitt entscheiden», so Seeger. Dabei sei es ein großer Irrtum, dass dieser Eingriff der schmerzfreie Weg ist. «Sicherlich ist eine Geburt schmerzintensiv», sagt Seeger. Aber: Viele Frauen könnten sich gar nicht vorstellen, dass das Schmerzempfinden während der Geburt unter Einfluss von Hormonen, neurologischen Botenstoffen und Anspannung anders empfunden wird und sogar positiv verarbeitet werden kann.
Postoperativer Schmerz ist lang und intensiv
Und: Der Schmerz einer normal verlaufenden, natürlichen Geburt sei wesentlich kürzer als beim Einsatz eines Skalpells. Denn der Kaiserschnitt unter Narkose sei zwar schmerzfrei, dafür zahlen frischgebackene Mütter anschließend unter Umständen einen hohen Preis. Postoperative Schmerzen können sich über Tage, in einzelnen Fällen auch Wochen und Monate hinziehen und durchaus intensiv sein.
Welche Entbindungsart schmerzhafter ist, lasse sich nicht pauschal beantworten, sagt Seeger. Das hänge von zu vielen Faktoren ab. Wie etwa Geburtsverlauf, individuelles Schmerzempfinden sowie die Schmerztherapie und Betreuung während und nach der Geburt.
Das Argument, eine Frau sei so schmerzempfindlich, dass sie die Geburt grundsätzlich nicht durchstehen würde, hält Seeger für falsch. «Eine normale, gut geleitete Geburt ist von jeder Frau überstehbar», betont Seeger. Zumal es nicht nur eine Wahl zwischen Kaiserschnitt mit Narkose und natürlicher Geburt ohne alles sei, betont der Mediziner. Schließlich gebe es sehr wirksame Schmerztherapien, wie etwa die PDA, die während der Normalgeburt erfolgreich zum Einsatz kommen können, sodass diese im Idealfall fast schmerzfrei verlaufen kann.
Doch der PDA bei einer natürlichen Geburt wird nicht genauso viel Vertrauen entgegen gebracht, wie einer Voll- oder Teilnarkose beim Kaiserschnitt. Im Bundesdurchschnitt werden nur 20 Prozent der Normalgeburten durch eine PDA erleichtert. Der Grund für das Misstrauen: Die Nebenwirkungen und Risiken, die Seeger für vergleichbar gering hält, werden unter den Frauen überbetont und überbewertet.
Der Einfluss der Reichen und Schönen
Die öffentliche Wahrnehmung des Kaiserschnitts als schmerzarme Entbindungsvariante werde zudem durch die Reichen und Schönen geprägt. «Ich glaube zwar nicht, dass sich eine Frau dafür entscheidet, um einer Britney Spears nachzueifern», sagt Seeger. Aber weil Promis wie Spears oder Angelina Jolie schon zwei Tage nach der Geburt lächelnd mit perfektem Make-Up und Baby im Arm die Titelseiten zieren, werde immer wieder suggeriert, wie unkompliziert die Skalpell-Variante sei. «Die Risiken werden an dieser Stelle natürlich nicht diskutiert.»
Und diese Risiken seien nicht gering. So können Verwachsungen zu chronischen Beschwerden führen und den Traum vom Nachwuchs ohne Schmerzen platzen lassen. Zwar sei die Sterblichkeitsrate genauso hoch wie bei Normalgeburten, aber das Thromboserisiko sei um ein Fünffaches höher. Zudem kann es zu Wundheilungsstörungen und Infektionen kommen, angrenzende Organe, etwa die Harnblase, könnten verletzt werden. Das Risiko für nachfolgende Schwangerschaften steigt ebenfalls. So kann die innere Narbe an der Gebärmutter während der Geburt oder schon während der Schwangerschaft reißen, die Plazenta oder auch der Fötus können sich in der Narbe einnisten, sodass die Schwangerschaft im schlimmsten Fall abgebrochen werden muss.
Aber nicht nur der Körper der Mutter wird Risiken ausgesetzt. Auch den Kindern tut man mit einem unnötigen Kaiserschnitt keinen Gefallen, da sich das Risiko für Asthma, Allergien und Diabetes erhöht. Auch können Babys direkt nach der Geburt große Schwierigkeiten mit der Atmung haben und müssen schlimmstenfalls künstlich beatmet werden.
Wichtig: ein aufklärendes Gespräch
Für Dr. Sven Seeger gehört zu einer optimalen Geburtsvorbereitung ein intensives, aufklärendes Gespräch. Schließlich habe ein Kaiserschnitt auch ernstzunehmende Vorteile. Wie etwa die Garantie, dass der Genitalbereich intakt bleibt und ein Dammriss – oder präventiver Dammschnitt – von vornherein ausgeschlossen ist. Im Normalfall schlagen aber die Waagschalen zu Ungunsten eines Kaiserschnittes aus, so Seeger.
Den Luxus der ausführlichen Beratung in mindestens zwei Gesprächsterminen
könne sich aber nicht jedes Krankenhaus leisten, räumt der Mediziner ein. Deshalb geben viele Ärzten den Wunschkaiserschnitten auch ohne medizinische Indikation unnötig schnell nach.
Auch wenn Seeger die Normalgeburt für die bessere Entscheidung hält, könne der Kaiserschnitt in verschiedenen Fällen eine gute Alternative darstellen. Etwa, wenn eine Frau bereits bei einer vorhergehenden Geburt durch starke Schmerzen ein Geburtstrauma erlebt hat oder das Kind sich in einer Beckenendlage befinde. Dann müsse man die Risiken gegeneinander abwägen. Aber letztendlich müsse immer die Schwangere selbst entscheiden, welche Variante für sie die beste ist.
kas/ham/news.de