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Flüssiges Silikon: Tickende Zeitbomben unter der Haut

Die Schönheitschirurgie boomt. Schmale Lippen werden aufgespritzt, Fältchen weggelasert. Und weil legale Behandlungen teuer sind, blüht auf dem Schwarzmarkt das Geschäft mit flüssigem Silikon. Doch die Substanz kann zum Tod führen.

Die Schönheitschirurgie boomt: Immer mehr Frauen und Männer lassen angebliche oder tatsächlich vorhandene Makel korrigieren. (Foto) Suche
Die Schönheitschirurgie boomt: Immer mehr Frauen und Männer lassen angebliche oder tatsächlich vorhandene Makel korrigieren. Bild: dpa

Als ihre ältere Schwester mit 43 Jahren plötzlich starb, packte Clara Tolentino die Angst um das eigene Leben. Die Frau aus New York hatte allen Grund dazu: Denn auch sie hatte sich wiederholt flüssiges Silikon spritzen lassen, um ihr Gesäß in Form zu bringen. «Ich habe es zwar nicht so oft gemacht wie meine Schwester», erzählt die 35-Jährige. «Aber ich fürchtete, dass mir ebenfalls etwas zustoßen würde.»

Ihre Schwester Fiordaliza Pichardo starb im März 2009. An Hüften und Gesäß fanden Rechtsmediziner frische Injektionsstellen, in der Lunge entdeckten sie 1400 Milligramm Silikon. Durch Silikon verursachte Lungenembolie, vermerkt der Obduktionsbericht als Todesursache. Pichardo war in New York kein Einzelfall: Zu jener Zeit behandelten Ärzte auf Intensivstationen täglich junge Frauen, die aus Sehnsucht nach einem schöneren Aussehen ihr Leben riskierten.

Schönheitsbehandlungen mit flüssigem Silikon sind weder in den USA noch in Deutschland zugelassen. Sie sind aufgrund der Nebenwirkungen verboten. Kollagen und andere verträglichere «Füllmaterialien» haben das Silikon abgelöst.

Die Substanz kann töten, entstellen und lebenslang Beschwerden verursachen. Aber der Schwarzmarkt floriert, und auch hierzulande spritzen manche «Schönheitschirurgen» Patienten den Stoff unter die Haut, um Falten aufzupolstern oder Brüste und Pobacken abzurunden. Und auf Partys lassen sich Menschen insbesondere aus der Transsexuellen-Szene den Stoff injizieren, um ihrem Körper zu weiblicheren Wölbungen zu verhelfen.

Keine zuverlässigen Zahlen

Zuverlässige Zahlen über Schäden und Tote durch solche kosmetischen Behandlungen gibt es weder für die USA noch für Deutschland. «Wir haben Lücken, die wir im Interesse der öffentlichen Gesundheit schließen müssen», räumt Priti Patel von der US-Gesundheitsbehörde CDC ein. Sie nahm im Jahr 2007 Ermittlungen im Bundesstaat North Carolina auf, wo bei drei Frauen kurz nach Silikoninjektionen die Nieren versagt hatten.

Wie gefährlich diese Praxis ist, zeigt auch eine Studie der Universität von Texas in San Antonio an 44 Frauen und Transsexuellen. Im Lauf von 15 Jahren starb jede vierte Teilnehmerin an einer Lungenembolie. «Jede einzelne Komplikation, die wir fanden, hing mit diesem illegalen Gebrauch zusammen», sagt der Radiologe Santiago Restrepo.

Dabei warnen Gesundheitsbehörden und Mediziner schon seit Jahren eindringlich vor solchen Behandlungen. Der Bundesverband Deutscher Ärzte für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie nennt Polster aus flüssigem Silikon «tickende Zeitbomben». Aber viele Menschen ignorieren solche Mahnungen. Vor allem die hohen Kosten zugelassener Verfahren treiben sie in die Arme zwielichtiger Anbieter.

Während eine legale Behandlung zur Gesäßvergrößerung in den USA 5000 bis 7000 Dollar (umgerechnet etwa 3500 bis 5000 Euro) kostet, verlangen Schwarzmarktanbieter nur einen Bruchteil davon. Sie erwerben günstig und in großer Menge Materialien, die eigentlich nicht zum medizinischen Gebrauch bestimmt sind. «Das ist, als ob Sie in den Baumarkt gehen, Industriesilikon kaufen, in eine Spritze packen und injizieren», sagt Renato Saltz, Präsident der Amerikanischen Gesellschaft für Ästhetische Plastische Chirurgie.

«Als ob jemand mit dem Messer hineinsticht»

Die Stoffpalette der Anbieter umfasst neben Silikon auch Paraffin, Petroleumgel oder Hydrogel. Vor einem Jahr zahlten Zakiya Teagle aus Florida und eine Freundin je 250 Dollar für 20 Injektionen einer angeblichen Hydrogel-Salzlösung in den Po. Wenig später begannen Schmerzen in Rücken und Beinen, danach lagen beide wegen Organversagens fast einen Monat im Krankenhaus. «Wir haben immer noch Beulen und Schwellungen an den Einstichstellen», klagt Teagle. «Das schmerzt, als ob jemand mit dem Messer hineinsticht.» Längeres Sitzen erträgt sie nicht, und die schädliche Wirkung der im Körper befindlichen Giftstoffe kann sie nur mit einer Reihe Medikamente in Schach halten.

Aber warum gehen Menschen überhaupt ein derart hohes Risiko ein? «Der Wunsch nach Schönheit kann einen zum Äußersten treiben», antwortet Tolentino. «Meine Schwester wollte immer besser aussehen. Sie war davon wie besessen.»

car/ivb/news.de/ap

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