In der katholischen Tradition zählt er zu den sieben Todsünden. Abendländische Philosophen betrachteten es als Lebensaufgabe, ihn zu bewältigen. Neid, sagen Psychologen heute, ist ein Gefühl, das uns krank machen kann.
Neid ist ein quälendes Gefühl. Nichts kann so zerstörerisch und selbstschädigend sein wie die Missgunst. Im Innern niedergehalten, entfaltet sie eine gewaltige Kraft, vergiftet die Seele, macht die Münder schmal und lässt uns gefährlich böse blicken.
«Wir sind neidisch, weil wir glauben, im Vergleich zu anderen schlechter wegzukommen», erklärt Hans-Werner Rückert, Diplompsychologe und Psychoanalytiker an der Freien Universität Berlin. Das kann sich auf materielle wie auf immaterielle Güter gleichermaßen beziehen: das Auto des Nachbarn, die schlanke Figur der Arbeitskollegin, das große Geschenk für den kleinen Bruder unter dem Weihnachtsbaum. Was heiß begehrt ist, löst Neid aus.
«Neid entsteht aus der schmerzlichen Erfahrung, dass das Leben nicht fair zu sein scheint und zu unseren Ungunsten verläuft», sagt der Psychologe. Und: «Das quälende Gefühl kann uns schon im Kleinkindalter befallen – etwa, wenn die Oma dem Bruder einen Bonbon gibt, während man selbst nichts abbekommt», sagt Rückert. Der Mensch sei ab dem Alter neidfähig, ab dem er in der Lage ist, sich in Relation zu anderen zu bringen. «Wir vergleichen uns mit anderen und manchmal lösen Vergleiche negative Gefühle aus.»
Mit zunehmendem Alter wird man keineswegs altersmilder und damit weniger neidisch. Rückert verweist auf Paul Baltes, den Gerontologen und Vater der Berliner Altersstudie, der herausgefunden hat, «dass wir nicht veredeln, bloß weil wir älter werden». Die Mehrzahl von uns könne auch noch im Altersheim, und gerade dort, dasselbe erleben wie als Kleinkind: weil der Nachbar noch keinen Rollator braucht und jede Treppe nehmen kann, während man selbst den Fahrstuhl nehmen muss. «Auch wenn es albern erscheint: Darauf kann man neidisch sein», sagt Rückert.
«Die Welt ist eben nicht gerecht», sagt Rolf Haubl. Der Professor für Soziologie und psychoanalytische Sozialpsychologie an der Universität Frankfurt am Main sowie Direktor des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt erforscht den Neid von Berufs wegen. Gemeinsam mit Elmar Brähler, Professor für medizinische Soziologie und medizinische Psychologie an der Universität Leipzig, hat er mehr als 2500 Frauen und Männer zum Thema «Neid und Neidbewältigung in Deutschland» befragen lassen.
Die beiden Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die Deutschen ihre Nation durchaus als Neidgesellschaft wahrnehmen, was im doppelten Sinne zu verstehen ist: neidisch sein, weil andere einen neidisch machen. Eine weitere Erkenntnis: Der Neid nagt umso schärfer, je unzufriedener wir mit unserem Leben sind.
Warum wir nicht neidisch sind auf Heidi und Robbie
Dabei bezieht sich Neid immer auf Dinge, die uns erreichbar und begehrenswert scheinen. Wir sind kein bisschen neidisch auf das Aussehen von Model Heidi Klum. Wir sind nicht mal neidisch auf die Millionen eines Robbie Williams, weil er derart weit von unserem Alltag entfernt ist, dass sich ohnehin kein Vergleich anbietet. Da nehmen wir uns lieber unseren Kollegen vor, der für die gleiche Arbeit 400 Euro mehr bekommt; oder einen Freund, der unverhofft eine Traumwohnung mit Garten geerbt hat. «Jemand, der mir ähnlich ist oder räumlich nahe, den ziehe ich eher als Vergleichsperson heran, als jemand der für mich weiter entfernt ist», erklären Haubl und Brähler.
Und hier haben die Forscher etwas Interessantes entdeckt: Mehr noch als auf Besitz bezieht sich unser Neid auf die Gefühle, von denen wir glauben, dass sie mit dem Besitz verbunden seien. Vor allem dem Glück und der Zufriedenheit jagen wir nach. Im Grunde macht uns nicht der Lottogewinn des Nachbarn fuchsig, sondern das gute Gefühl, das wir ihm unterstellen.
Dass Frauen und Männer auch in Sachen Neid ganz unterschiedlich funktionieren, ist eine weitere Erkenntnis aus der Studie. Bei Frauen geht dieses Gefühl häufig einher mit Traurigkeit oder Resignation. Der Neid auf die Top-Figur der Freundin etwa würde die Moppel-Ich-Kandidatin demnach weniger dazu veranlassen, sich im Fitness-Center anzumelden - sondern sich lieber aus Frust mit einem Schokoriegel extra zu trösten. Männer dagegen verwandeln die negativen, neidischen Gedanken eher in Ärger. Bekommt der Kollege also etwa mehr Geld für die gleiche Leistung, würde ein Mann zuerst einmal schlechte Laune bekommen und seinen Ärger nicht unbedingt zurückhalten.
Doch Vorsicht: Neid kann die Atmosphäre im Büro oder gar eine Freundschaft gefährlich vergiften. «Wer dazu neigt, neidisch zu sein, sollte sich überlegen, was es eigentlich ist, was ich beneide, und ob ich es als Motor für mich selbst nutzen kann», sagt Rückert. «Ich kann den kraftvollen Aufschlag meines Freundes beim Tennis auch als Ansporn nehmen und Trainingsstunden nehmen, um besser zu werden. Oder ich muss diese Unterschiedlichkeit akzeptieren, wenn ich nicht bereit bin, diesen Trainingsaufwand zu treiben oder wenn ich nicht von Natur aus solche Muskeln wie er habe.»
Gelassenheit ist auch deshalb die bessere Wahl, weil Neid krank machen kann. Er tut nicht nur der Seele weh, sondern auch dem Körper. Wie eine Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag der Apotheken Umschau herausgefunden hat, sind viele Menschen buchstäblich krank vor Neid: So leiden fast fünf Prozent der Deutschen bei Neid auf andere unter körperlichen Beschwerden wie Magenschmerzen oder Herzrasen. Fast vier Prozent schlafen schlecht oder kämpfen mit massiven Schlafstörungen. Ebenso viele fühlen sich ohnmächtig und «wie gelähmt».
Selbst Psychologe Rückert ist nicht vor Neid gefeit. «Ich bin beneide die heutige junge Generation um ihre Sanftmut und die Selbstverständlichkeit, mit der sie in der Welt unterwegs ist. Manchmal denke ich: Das hätte ich auch gerne gemacht.»
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