Lebenslange Treue ist ein Ideal, das heutzutage kaum mehr zu halten ist. Das behaupten immer mehr Psychologen. Sie sagen auch, dass Seitensprünge nicht verteufelt werden sollten. Die Beteiligten könnten auch würdevoll mit Affären umgehen.
«Monogamie ist eine tolle Sache», sagt Mickey Rourke. Selbst ausprobiert habe er es aber noch nicht, verriet der 65 Jahre alte Schauspieler kürzlich in einem Interview mit der britischen Zeitung The Observer. Warum? Er habe «den Menschen, der dafür in Frage kommen würde, noch nicht getroffen».
Vielleicht ist Monogamie von der Natur einfach nicht vorgesehen. Der amerikanische Soziologe Robert Wright hat einmal gesagt: «Der Mensch ist zwar von der Natur so konstruiert, sich zu verlieben und sich nach ewiger Liebe zu sehnen. Aber er ist nicht dazu gebaut, treu zu bleiben.» Es liege in der Natur der Sache, dass Menschen nur so lange mit einem Partner zusammen bleiben, bis das gemeinsame Kind aus dem Gröbsten raus ist. Spätestens nach vier Jahren werde nach einem neuen Partner Ausschau gehalten - für die nächste Etappe.
Soziologen bezeichnen dies als serielle Monogamie. Das heißt, eine Monogamie folgt der anderen. Die wenigsten Liebesbeziehungen halten, bis der Tod die beiden Partner voneinander scheidet. Sie halten oft nur so lange, bis ein neuer Partner sie trennt.
Eine Hamburg-Leipziger Forschergruppe um Gunter Schmidt und Kurt Starke hat herausgefunden, dass die heute 30-Jährigen im Durchschnitt 3,6 feste Partnerschaften gehabt haben. Das heißt auch: Sie haben sich im Durchschnitt zwei- bis dreimal getrennt und sind drei- bis viermal eine neue Beziehung eingegangen. Der Begriff «Lebensabschnittsgefährte» beschreibt das sarkastisch präzise.
Viele nehmen es mit der Treue nicht so genau
Aber selbst in einer Lebensabschnittspartnerschaft nehmen es viele mit der Treue nicht so genau. Nach einer Studie aus dem Jahr 2006 ist die Zahl derjenigen, die in ihrer aktuellen Beziehung schon einmal fremdgegangen sind, mit 40 Prozent der 60-jährigen Männer (21 Prozent der 30-jährigen Männer) und 18 Prozent der 60-jährigen Frauen (19 Prozent der 30-jährigen Frauen) bemerkenswert hoch.
Und wer glaubt, Seitensprünge seien einmalige, kurzfristige Abenteuer, irrt. Nach einer Studie des Göttinger Paarforschers Ragnar Beer leben Fremdgänger nicht selten über längere Zeit in zwei Partnerschaften. Etwa 60 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Affären länger als einen Monat dauerten. Von diesen wiederum dauerte etwa die Hälfte länger als ein halbes Jahr.
«Wir müssen mit der sexuellen Untreue leben. Und wir können mit ihr leben», sagt Ulrich Clement. Der Professor für medizinische Psychologie in Heidelberg hat ein Buch über «den richtigen Umgang mit Affären» geschrieben. Clement sagt: «Affären lassen sich mit Anstand, Würde und Stil leben.» Und zwar von allen Beteiligten einer Dreiecksgeschichte: den untreuen Partnern, den betrogenen Partnern und den Geliebten. Clement rät ab von Empörung und Verbitterung und empfiehlt einen respektvollen und vernünftigen Umgang miteinander. Auch wenn es schwer fällt.
Die Schwierigkeit besteht laut Clement darin, «sich in einem emotionalen Minenfeld zu bewegen und die Balance zu finden zwischen gekränkter Eitelkeit und der Faszination der Verführung». «Beides haben wir in uns. Denn jeder Partner ist verführbar und jeder Verführte ist auch kränkbar», sagt der führende deutsche Paar- und Sexualtherapeut.
Warum gehen wir fremd? Weil in der Beziehung etwas nicht stimmt? Weil eine gelegentliche Affäre einer langweiligen Ehe gut tut? Weil Männer von Natur aus untreu sind? Das behaupten jedenfalls untreue Männer gerne. «Sie wollen die Natur auf ihrer Seite haben und schätzen die Rechtfertigung, dass nicht sie selbst sich entschieden haben, sondern eine dunkle genetische Disposition sie in den fremden Schoß getrieben hat», erklärt Clement. Allerdings, so der Experte: «Wenn Männer untreu sind, dann sind sie es mit Frauen. Meistens jedenfalls.» Die biologische Theorie ist also keinesfalls so einseitig wie viele glauben.
Der Leiter des Instituts für Sexualtherapie Aachen/Heidelberg bezeichnet Fremdgehen als «lebendiges Ereignis zwischen Menschen, aus dem man etwas machen kann». Nicht in jeder Beziehung sei etwas faul, wenn einer fremdgehe. Das könne sogar in einer «wunderbaren Phase» passieren, aus Übermut oder aus einer Verführungsituation heraus.
Beziehungen sind endlich
Clement gibt auch zu bedenken, dass wir uns damit abfinden müssen, dass Beziehungen endlich sind. Nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich und emotional. «Je mehr eine Beziehung wächst, desto deutlicher erkennen die Partner ihre Grenzen und desto spürbarer wird der Unterschied zwischen dem Menschen, den man sich wünscht, und dem Partner, mit dem man leibhaftig zusammen ist. Zwischen dem Menschen, für den man ihn mal hielt, und dem, als der er sich jetzt entpuppt.»
Der ideale Partner sei schnell gefunden, den realen Partner entdecke man erst im Laufe einer langen Beziehung. Seine Schwächen, seine Fehler, seine Begrenztheit, seine Marotten. Und hier beginnt das Unglück vieler Partnerschaften. «Viele kommen damit nicht zurecht, also wechseln sie den Partner und halten dem Ideal die Treue», erklärt der Paartherapeut. «Die Toleranz und Bereitschaft, sich in sein Schicksal zu fügen, haben sich dramatisch reduziert.» In ein Menschenleben passten mehrere Trennungen, mehrere Neuanfänge und mehrere Partnerschaften. Und neben Beziehungen sei auch noch Platz für Affären.
Seitensprünge zu beichten, hält Clement nicht unbedingt für notwendig. «Aber wer fremdgeht, muss Verantwortung für das übernehmen, was er getan hat», betont er. «Oft werden Geständnisse nur gemacht, weil man sein schlechtes Gewissen entlasten will.» Das sei unfair.
Demjenigen, der hintergangen worden ist, empfiehlt der Professor, Ruhe zu bewahren und Seitensprünge nicht persönlich zu nehmen. «Natürlich bin ich erstmal verletzt. Aber Kränkungen lassen nach, deshalb sollte ich nach ein paar Tagen überlegen, was es wirklich für mich heißt, dass mein Partner eine Faszination für einen Dritten entwickelt hat.» Die Kunst bestehe darin zu sagen: «Ich kann nicht alles bieten und ich akzeptiere, dass mein Partner irgendwo Feuer gefangen hat.»
Lesetipp: Ulrich Clement: Wenn Lieben fremdgeht. Vom richtigem Umgang mit Affären. Verlag Marion von Schröder, 2009, 240 Seiten, 16,90 Euro.
aro