Von news.de-Redakteurin Claudia Arthen - Uhr

Sexirrtümer: Wenn der Hoden zu platzen droht

Er klagt, dass er bei Sexentzug einen Samenstau bekomme. Sie hat aber gerade keine Lust und behauptet, zu viel Sex leiere die Vagina aus. Was ist dran an diesen Mythen? News.de hat nachgefragt und räumt mit einigen Klischees auf.

Manche Männer behaupten, ihr Hoden platze wie ein Luftballon, wenn sie nicht sofort Sex bekommen. (Foto) Suche
Manche Männer behaupten, ihr Hoden platze wie ein Luftballon, wenn sie nicht sofort Sex bekommen. Bild: news.de

Aufgeklärt werden die meisten Menschen heutzutage spätestens im Biologieunterricht. Und nicht erst seit Sex and the City gilt es als lässig, ganz offen über Sex zu reden. Trotzdem kursieren zu dem Thema immer noch hartnäckige Mythen, die das muntere Treiben im wahren Leben unnötig verkomplizieren, stellt Lynn Hagens fest.

Die Autorin verschiedener Ratgeber zu den Themen Sex und Partnerschaft hat eine Erklärung für dieses «Phänomen» parat. Ihr zufolge liegt das an der jahrhundertelangen Unterdrückung der Sexualität und daran, dass das Thema Sex wie kein anderes mit Emotionen aufgeladen ist. «Wenn es um Sex und Liebe geht, spielen Logik und Vernunft schnell nur noch eine Nebenrolle», sagt Hagens. Daher sei es kein Wunder, «wenn wir vieles, was mit Sex zu tun hat, lieber durch eine rosarote Brille betrachten oder uns anstelle von unserem gesunden Menschenverstand nur von unserer Libido leiten lassen».

Der Blick durch die rosarote Brille führt unter anderem zu der Annahme, dass Singles häufiger Sex hätten. Ein Irrglaube, wie Hagens sagt, die sich in ihrem Buch Je kürzer, desto länger mit Sexirrtümern auseinander setzt. Denn verschiedene Befragungen hätten ergeben, dass Singles im Durchschnitt deutlich seltener Sex haben als Menschen, die in einer festen Beziehung leben. Aber nicht nur die Frequenz sexueller Aktivitäten von Singles ist niedriger als die von Paaren, auch ihre Bewertung des eigenen Sexlebens fällt schlechter aus, wie eine Studie des Instituts für Sexualforschung der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf ergab. Am häufigsten und am besten ist der Sex demnach in einer festen Beziehung.

Singlefrauen, die gerade ungewollt abstinent leben müssen, kommen gerne mit dem Argument: «Zu viel Sex leiert die Vagina aus.» An diesem Schauermärchen ist nun gar nichts dran, sagt Hagens. «Die Vagina ist ein elastischer, muskulöser Schlauch, der seine Größe und Form während des Liebesspiels verändern und beim Orgasmus in seinem vorderen Teil in aufregende rhythmische Kontraktionen verfallen kann», erklärt die Partnerschaftsexpertin.

Und wie alle Muskeln werden auch die Muskelstränge der Vagina durch regelmäßige Betätigung nicht schlaff, sondern eher kräftiger. Das ändere sich erst mit fortschreitenden Alter. Dann wird die Vagina weniger dehnbar, und ihre Wände werden dünner. «Das hat jedoch nichts mit der Anzahl der Sexualkontakte zu tun, sondern mit dem sinkenden Östrogenspiegel während den Wechseljahren einer Frau.»

Das Alter kommt auch bei der Frage nach der Lust auf Sex ins Spiel. Haben Frauen tatsächlich weniger Lust auf die schönste Sache der Welt? Das könnte man aus einer Studie folgern, der zufolge mehr als ein Drittel der befragten Männer angeblich alle 30 Sekunden an Sex denken. Bei den Frauen tut dies dagegen nur jede zehnte.

Hagens sagt, es komme auf das Alter der Betroffenen an. Bei Männern steigt der Geschlechtstrieb in der Pubertät stark an, hat mit Anfang 20 seinen Höhepunkt und lässt vom 30. Geburtstag an allmählich nach. Frauen dagegen sind zwar mit Anfang 20 aus biologischer Sicht im besten Alter, um Kinder zu bekommen. Ihr Geschlechtstrieb steigt jedoch deutlich langsamer an als der junger Männer. Erst ab Anfang 30 ist ihr sexuelles Verlangen so stark ausgeprägt wie bei gleichaltrigen Männern.

«Die Lust auf Sex vergeht Frauen gelegentlich auch deshalb, weil sie viel sensibler auf äußere Umstände wie Stress, Ablenkungen oder Ärger reagieren als Männer», sagt Hagens. Für einen Mann in derselben Situation könne Sex dagegen eine willkommene Ablenkung und Entspannungsmöglichkeit bieten. Und wehe, er bekommt dann nicht, was er will! Dann leidet er nämlich unter einem schmerzhaften Samenstau.

Die Erklärung, die er dann seiner Partnerin liefert, klingt im ersten Moment ganz einleuchtend: Schließlich sind die Hoden von der Pubertät bis ins hohe Alter ständig mit der Produktion von Spermien beschäftigt. Und wenn Mann diese von Zeit zu Zeit nicht loswerden kann, scheint es seinem Hoden wie einem zu stark aufgepusteten Luftballon zu gehen: Der Druck darin wird schier unerträglich.

Pustekuchen! «Zwar steigt die Anzahl der Spermien in den ersten fünf Tagen nach einer Ejakulation stetig an», sagt Hagens, «aber das imaginäre Reservoir, in dem diese Spermien gespeichert werden, gleicht in keiner Weise einem Stausee ohne Abfluss.» Und außerdem: Der menschliche Körper sei nicht dazu gebaut, wertvolle Ressourcen unnötig zu vergeuden. So würden unbrauchbare und überschüssige Spermien nach und nach absorbiert, was vom Mann völlig unbemerkt und ohne die geringsten Schmerzen geschieht.

«Also nicht darauf eingehen, wenn er Sie mal wieder mit einem leidenden Hundeblick ansieht», rät Hagens. Erst recht nicht, wenn er seine Partnerin mit dem Argument zu gewinnen versucht, dass Sex schlank mache. Okay, Sex treibt den Puls in die Höhe, der Blutdruck steigt, man atmet schneller und tiefer – und nicht zuletzt treten viele Muskeln in Aktion. «Aber es kommt darauf an, wie lange er dauert und wie anstrengend er ist», meint die Autorin.

Ach ja: Um die Dauer des sexuellen Aktes, also die Zeitspanne vom Eindringen des Penis in die Vagina bis zum Orgasmus, knüpfen sich auch viele Mythen. Von wegen er dauert 20 bis 30 Minuten, wie viele glauben. Im Durchschnitt zeigt die Stoppuhr nur rund fünf Minuten an.

Lesehinweis: Lynn Hagens: Je kürzer, desto länger. Die populärsten Sex-Irrtümer. Humboldt-Verlag, Februar 2009, 160 Seiten, 8,90 Euro.

nak/news.de