Beim Stichwort Rheuma denken die meisten Menschen an entzündete Gelenke. Dass auch Entzündungen der Blutgefäße die typischen reißenden und ziehenden Schmerzen des Muskel- und Bewegungsapparats hervorrufen können, ist dagegen kaum bekannt.
Diese unter dem Oberbegriff Vaskulitis zusammengefassten Krankheitsbilder treten entweder isoliert auf oder im Gefolge anderer Erkrankungen. «Das Gefährliche ist, dass sich die Gefäßentzündung auf sämtliche Organe ausweiten kann», erläutert die Hamburger Rheumatologin Eva Reinhold-Keller. Wird die Erkrankung nicht rechtzeitig behandelt, kann sie lebensbedrohliche Folgen haben.
Aufgrund der anfangs meist diffusen Symptome sind die ersten Zeichen einer Vaskulitis oft schwer zu deuten. Manche Patienten leiden unter grippeähnlichen Beschwerden, haben Fieber und fühlen sich verschnupft und abgeschlagen. Selbst für erfahrene Ärzte ist die Erkrankung dann nur schwer erkennbar. «Häufig werden solche Formen der Vaskulitis schlicht als grippaler Infekt fehlgedeutet», berichtet Professor Wolfgang Gross, Leiter des Interdisziplinären Vaskulitis-Zentrums am Lübecker Uniklinikum. Erst wenn sich dazu blutige Krusten in der Nase zeigen, ein rotes Auge oder Blut im Stuhl, lässt sich das Krankheitsbild exakter bestimmen.
Insgesamt werden mehrere unterschiedliche Krankheitsbilder zu den primären, also nicht als Folge anderer Erkrankungen wie Arthritis oder Hepatitis auftretenden Vaskulitiden gezählt. Bei manchen wie der Purpura-Schönlein-Henoch-Krankheit, die sich unter anderem mit mückenstichähnlichen Veränderungen der Haut ankündigt, sind vorwiegend kleine Blutgefäße betroffen. Sie nimmt oft einen eher milden Verlauf. Bei anderen entzünden sich die großen Adern des Körpers. Im Falle der Riesenzellarteriitis ist zum Beispiel häufig die Schläfenarterie betroffen. «Bei Komplikationen besteht hier die Gefahr einer Erblindung», betont Reinhold-Keller.
Die Ursachen der meisten Vaskulitis-Erkrankungen sind unbekannt. Da bei einigen Krankheitsbildern sogenannte Auto-Antikörper im Blut nachweisbar sind, gelten sie als Autoimmunerkrankung. «Die menschliche Immunabwehr richtet sich dabei gegen den eigenen Körper», erklärt Reinhold-Keller. Infolge der Entzündung werden die dünnen Blutgefäße meist durchlässig, so dass Blut ins Gewebe sickern kann. In den großen Arterien besteht dagegen die Gefahr von Verengungen, Infarkten oder Blutgerinnseln. «Prinzipiell muss deshalb jede Vaskulitis zunächst als potenziell lebensbedrohlich gelten», betont die Rheumatologin.
Um einen günstigen Verlauf der Erkrankung zu gewährleisten, ist eine frühe Diagnose von besonderer Bedeutung. «Da die meisten Vaskulitiden verschiedene Körperregionen und Organe betreffen, sollten dabei unterschiedliche Fachdisziplinen zusammenarbeiten», betont Gross. Bei der Wegener-Granulomatose seien etwa häufig die Nieren, die Atemwege, Augen oder auch das Nervensystem angegriffen. «Da brauchen wir den Rat verschiedener Experten», betont der Leiter des interdisziplinären Vaskulitis-Zentrums.
Die Behandlungsmöglichkeiten für die Erkrankung haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verbessert. «Der Zeitraum bis zur korrekten Diagnose konnte nahezu halbiert werden», berichtet Reinhold-Keller. Die Zahl tödlich verlaufender Vaskulitiden sei deutlich gesunken. Bei akuten Schüben gilt nach wie vor der Entzündungshemmer Cortison als Mittel der Wahl. «Es gibt kein wirksameres Medikament gegen rheumatische Entzündungen», betont die Rheumaexpertin: «Für viele Vaskulitis-Patienten ist Cortison lebensrettend.»
Bei den meisten Vaskulitiden müssen überdies Immunsystem-unterdrückende Mittel (Immunsuppressiva) wie etwa Cyclophosphamid eingesetzt werden. Nach einigen Monaten könne diese Therapie aber meist beendet werden und es kämen weniger aggressive Medikamente zum Einsatz, sagt Reinhold-Keller. Wichtig sei dazu, dass die Patienten sich Selbsthilfegruppen anschlössen und an Schulungen teilnähmen, um mit der Krankheit bewusst umgehen zu können. Neben Ernährungsratschlägen und einem behutsamen Bewegungstraining nimmt dabei das frühzeitige Erkennnen von Rückfällen einen wichtigen Platz ein, denn Vaskulitiden gelten als unheilbar. «Die Krankheit kann leider jederzeit zurückkommen», betont die Rheumatologin.
car