Bei zuckerfreien Kaugummis oder auch Bonbons steht der Hinweis ganz klein gedruckt schon auf der Packung: «Kann bei übermäßigem Verzehr abführend wirken.» Hinter dem Effekt, der für Aufruhr im Darm sorgt, steckt meist ein Zuckeralkohol wie Sorbit.
Den Zuckeraustauschstoff, der auch Sorbitol, Glucitol oder Hexanhexol genannt wird und sich hinter der Lebensmittelnummer E 420 versteckt, vertragen die meisten Menschen nur in kleinen Mengen. Auch wenn es keine genauen Zahlen von Betroffenen gibt, gehen Schätzungen von 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung aus, die bei Sorbit Beschwerden bekommen. Auch andere Zuckeralkohole wie Mannit, Maltit und Isomaltit, die sich in Diabetiker-Produkten befinden, sorgen für Tumult, weil sie nur schlecht im Darm absorbiert werden können.
Wie bei anderen Zuckersorten kommt es aber immer auf die Menge an, die pro Zeiteinheit im Dünndarm anflutet. So ist Ernährungexpertin Dr. Imke Reese überzeugt, dass jeder, der sich innerhalb weniger Stunden mehrere Kaugummis hintereinander in den Mund schiebt oder ein Bonbon nach dem anderen lutscht, mit Beschwerden zu kämpfen hat. Doch die schlechte Aufnahme des Zuckeralkohols Sorbit kann auch etwas empfindlichere Auswirkungen haben und dazu führen, dass bereits geringe Mengen Bauchschmerzen auslösen. Dann spricht man von einer Unverträglichkeit.
Besonders Menschen mit einer Fruchtzuckerunverträglichkeit sollten die Finger von Sorbit lassen. Denn: Der Zuckeralkohol bremst die bereits geringe Aufnahmefähigkeit von Fruchtzucker im Dünndarm zusätzlich aus. «Ob Sorbit das gleiche Transportsystem wie der Fruchtzucker benutzt, nämlich den GLUT-5-Transporter, oder es blockiert, darüber ist sich die Forschung noch nicht einig», sagt Reese. Sicher sei aber, dass die beiden Unverträglichkeiten Hand in Hand gehen.
Allerdings geht es nicht darum, das Sorbit, wie es etwa der Fall bei einer Allergie wäre, komplett zu verbannen. «Es kommt immer auf die Toleranzgrenze des einzelnen an», so Reese. Und die gelte es, ist die Diagnose einer Unverträglichkeit erst einmal gestellt, in der therapeutischen Betreuung individuell herauszufinden.
Ob eine Unverträglichkeit besteht, kann durch einen Atemtest festgestellt werden, wie er auch bei Fruktose- oder Laktoseunverträglichkeit benutzt wird. Es wird dann der Wasserstoffgehalt, ein Nebenprodukt der fehlgeleiteten Verstoffwechselung, im Atem gemessen. Allerdings wird Sorbit im Gegensatz zu Laktose und Fruktose nur von den wenigsten Ärzten ausgetestet.
Neben der typischen unverträglichen Kombination von Fruktose und Sorbit gibt es auch eine isolierte Sorbit-Unverträglichkeit. «Diese tritt nur selten auf, ist aber therapeutisch sehr, sehr schwer zu behandeln», so Reese.
Der größte Stolperstein: Die Sorbitwerte sind für die meisten Lebensmittel noch nicht bekannt. So etwa für viele Obst- und Gemüsesorten. «Man findet da kaum Hilfe», bedauert die Ernährungsexpertin. Das Interesse war bisher zu gering. So sei auch nicht genau bekannt, ob es sich bei der Sorbit-Unverträglichkeit um eine sogenannte Malabsorption, eine verringerte Aufnahmefähigkeit, oder eine tatsächliche Intoleranz handle, da die Abläufe der Erkrankung noch ungenügend erforscht sind.
Deshalb hält Reese es auch für angebracht, dass Betroffene sich in therapeutische Betreuung begeben. Ohne professionelle Hilfe würden die selbst auferlegten Diäten und Ernährungsstrategien oft sehr viel strenger ausfallen als nötig.
Zu Beginn der Umstellung sollten Betroffene versuchen, Sorbit komplett aus der Ernährung zu verbannen. «Damit etwas Ruhe reinkommt», so die Expertin. Die Betroffenen, die ständig unter Durchfällen, Blähungen, Bauchschmerzen, Verstopfung und Völlegefühl leiden, müssten lernen, wie es sich anfühlt, wenn alles in Ordnung ist.
Anschließend ist Experimentierfreudigkeit gefragt. Wie viel jemand verträgt, hängt stark davon ab, wie die Nahrungsmittel zusammengesetzt sind. Bei jemandem, der nur ein Kaugummi kaut und bei dem außer dem Zuckeralkohol nichts weiter in den Magen gelangt, wandert das Sorbit sehr schnell durch den Verdauungstrakt und kann kaum aufgenommen werden. Steckt der Zuckeralkohol aber in einer Mahlzeit mit vielen anderen Stoffen, wie etwa einem Mayonnaise-Fleischsalat, braucht die Verdauung länger, die Nahrung wird vom Magen nur langsam in den Darm abgegeben und die Aufnahme verläuft günstiger. «Deshalb ist es schwer in Grammangaben zu fassen, wie viel zu viel ist», stellt Reese fest.
In diesem Zusammenhang würden besonders Wellness-Getränke wie etwa zuckerfreie Limonaden ein großes Problem darstellen. Denn dann wird Sorbit sehr schnell und in einer großen Menge in den Darm gespült.
Einige Obstsorten haben durchaus stattliche Mengen des Zuckeralkohols, sodass Betroffene austesten müssen, welche Sorten sie vertragen. So gehören etwa Trockenfrüchte zu den besonders sorbithaltigen Lebensmitteln. Getrocknete Pflaumen werden oft gezielt gerade wegen ihrer abführenden Wirkung eingesetzt. Auch anderes Kern- und Steinobst, bisweilen sogar Bananen, können Beschwerden auslösen. Viele ihrer Patienten hätten zudem beobachtet, dass sie Weizenmehl besser vertragen als Roggenmehl, berichtet Reese.
Aber die reine Umorganisierung des Speiseplans reiche nicht aus. «Meist spielen viele Faktoren mit hinein», hat Reese die Erfahrung gemacht. Wie etwa unregelmäßige Mahlzeiten oder zu wenig Flüssigkeit. Ziel sei deshalb, einen Lebensstil zu finden, mit dem sich Patienten wohlfühlen und wieder normal, wenn auch eingeschränkt, ernähren können.
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