9-Euro-Ticket ab 1. Juni 2022 geplant: Politik-Zoff um Schnäppchen-Ticket - platzen die Pläne in letzter Minute?
Erstellt von Claudia Löwe
27.04.2022 09.44
Eigentlich soll es ein Aufbruchsignal sein - und ein "Schnupperangebot": drei Monate lang sollen Bundesbürgerinnen und -bürger ab dem 1. Juni 2022 für schlappe 9 Euro pro Monat mitBussenund Bahnen im Nah- und Regionalverkehr fahren können, und das bundesweit. Möglichst viele Autofahrer sollen umsteigen und dem ÖPNV auch nach der Testphase treu bleiben. Über das geplante 9-Euro-Ticket aber gibt es einen Streit zwischen Bund und Ländern - und dabei geht's um eine Menge Geld. Der Vorwurf der Länder: Der Bund will nicht genug für das Schnupper-Ticket zahlen. Die Verkehrsunternehmen warnen vor einer "Kosten- und Liquiditätsfalle", ein "Schwarze-Peter-Spiel" drohe. Das günstige Ticket könnte sogar im Bundesrat scheitern.
Wann soll das 9-Euro-Ticket an den Start gehen und wo ist es erhältlich?
Ab Anfang Juni bis Ende August 2022 sollen Fahrgäste bundesweit für 9 Euro pro Monat im Nah- und Regionalverkehr fahren können, also für 27 Euro und damit viel günstiger als mit üblichen Monatstickets. Abonnentinnen und Abonnenten etwa von Monatskarten sollen sich um nichts kümmern müssen. Das 9-Euro-Ticket soll verrechnet werden - über eine Verringerung des Bankeinzugs oder eine Erstattung. Neukunden sollen mit dem "Schnupperticket" geködert werden. Plänen von Bundesverkehrsminister Volker Wissing zufolge soll das 9-Euro-Ticket als Online-Ticket, aber auch in Kundencentern der Verkehrsbetriebe sowie an Ticketautomaten erhältlich sein.
Wie will die Bundesregierung das Schnäppchenticket finanzieren?
Der Bund hat zugesagt, den Ländern - die für den Nahverkehr zuständig sind - Einnahmeausfälle von 2,5 Milliarden Euro zu erstatten. Dazu kommen 1,2 Milliarden Euro für einen erneuten pandemiebedingten Rettungsschirm. Die andere Hälfte davon übernehmen die Länder. Sie hatten aber eigentlich 1,6 Milliarden vom Bund gefordert. Bundesverkehrsminister Volker Wissing aber argumentiert: Im Zeitraum des 9-Euro-Tickets komme es nicht zu pandemiebedingten Mindereinnahmen. Deswegen gibt der Bund nur 1,2 Milliarden Euro - macht insgesamt 3,7 Milliarden Euro vom Bund für die Länder.
Worüber streiten sich Bund und Länder vor der Einführung des 9-Euro-Tickets?
Es gibt zwei große Knackpunkte. Zum einen warnte die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz der Länder, Bremens Verkehrssenatorin Maike Schaefer, Risiken beim 9-Euro-Ticket dürften nicht auf die Länder übertragen werden - für den Fall, dass die Mindereinnahmen die Summe der Bundesanteile von insgesamt 3,7 Milliarden Euro übersteigen. Deswegen müsse es bei den geplanten Änderungen des Regionalisierungsgesetzes eine "Nachschusspflicht" des Bundes geben. Das Gesetz ist Grundlage für Regionalisierungsmittel - Geld, das der Bund den Ländern jährlich zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs zur Verfügung stellt.
Die Länder wollen also quasi einen Blankoscheck, den Wissing bisher nicht bereit ist auszustellen. Die Länder hätten im Gegensatz zum Bund gewollt, dass das Ticket bundesweit gilt und müssten nur für einen reibungslosen Verkehr sorgen - sprich: Sie müssten im Falle von überfüllten Zügen auf beliebten Strecken möglicherweise für mehr Kapazitäten sorgen.
Knatsch wegen 9-Euro-Ticket zwischen Bund und Ländern: Wer wird zur Kasse gebeten?
Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig kritisierte, der Bund versuche, Kosten teilweise auf die Länder abzuwälzen und mit dem Corona-Rettungsschirm zu verrechnen: "Doch wer bestellt, muss auch zahlen." Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter sagte: "Wenn, wie erwartet, viele Menschen das Ticket nutzen wollen und dafür zusätzliche Züge und Busse bereitgestellt werden müssen, will der Bund das Geld dafür nicht aufbringen."
Wissing dagegen argumentiert, der Bund halte alle Zusagen ein. Die Bundesregierung habe den Ländern mit dem 9-Euro-Monatsticket ein Angebot gemacht. Nur: Der Bundesrat muss dem Finanzpaket zustimmen.
Steigen wegen des geplanten 9-Euro-Tickets bald die Preise im ÖPNV?
Der andere Knackpunkt: Die Länder wollen 2022 zusätzliche Regionalisierungsmittel von 1,5 Milliarden Euro - um die stark gestiegenen Energie-, Bau- und Personalkosten im Öffentlichen Personennahverkehr ausgleichen zu können. Ansonsten könnten Verkehrsunternehmen nur durch eine starke Anhebung von Ticketpreisen oder mit einer Senkung von Kosten durch weniger Verkehrsleistungen reagieren, heißt es in einem Brief Schaefers an Bundesminister und Fraktionschefs im Bundestag. "Beides ist nicht kompatibel mit der Idee und dem Ziel der dreimonatigen 9-Euro-Ticketaktion, mit der aktuell eine Weichenstellung für die Verkehrs- und Mobilitätswende erfolgen soll."
Der FDP-Politiker Wissing lehnt die Forderung nach einem Ausgleich für höhere Energiepreise trotz Gegenwinds auch aus der Grünen- sowie SPD-Bundestagsfraktion ab. Er verweist darauf, dass auch die Länder und der Nahverkehr von Entlastungen profitierten, beispielsweise von der geplanten befristeten Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe.
Generell wollen die Länder, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, dass der Bund die Regionalisierungsmittel dauerhaft erhöht. Wissing möchte zuerst über Strukturreformen reden.
Wie geht es weiter mit dem Projekt 9-Euro-Ticket?
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen forderte Bund und Länder am 26. April auf, die Finanzierungsfragen dringend zu klären. Die Branche sei in Vorleistung gegangen. Genannt wurde der Aufbau einer digitalen und bundesweiten Ticketplattform. Es sei aber offen, welche Kosten beim 9-Euro-Ticket tatsächlich auf die Verkehrsunternehmen zukommen werden.
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loc/news.de/dpa