"Anne Will": "Arrogantes Geschwurbel!" Ukraine-Zoff schockt Twitter-Nutzer
Von news.de-Redakteurin Sabrina Böhme
10.05.2022 09.32
Mehr Waffen oder doch eher nicht? Olaf Scholz sagte in seiner Rede am Sonntag, dass die Bundesregierung Waffen an die Ukraine lieferte, "auch schweres Gerät". Das soll fortgesetzt werden, so der Bundeskanzler. Das beschäftigte Anne Will und ihre Gäste Kevin Kühnert (SPD), Ruprecht Polenz (CDU), Britta Haßelmann (Grüne), Andrij Melnyk und Harald Welzer in der aktuellen Ausgabe der Sendung. Die Meinungen der Gäste hätten nicht unterschiedlicher zur Frage: "Mehr Waffen für die Ukraine - ist das der Weg zum Frieden?" ausfallen können. Im Verlauf des Talks entbrannte ein hitziger Streit.
"Anne Will" vom 08.05.: Welzer ist die Position von Scholz in Debatte um Waffenlieferungen unklar
Harald Welzer, der den umstrittenen Brief von Alice Schwarzer, keine schweren Waffen an die Ukraine zu liefern, mit unterschrieben hat, ist nicht klar, in welche Richtung Scholz mit seiner Aussage gehen will. "Es gibt einen Konsens, das bis dahin Waffen geliefert worden sind", so der Publizist und Soziologe. Er fragte sich, was "schweres Gerät" bedeuten würde. "Wo ist jetzt eine deutliche Positionierung in die eine oder andere Richtung". Die Rede an sich war für ihn "hochgradig indifferent". Ihm sei danach genauso wenig klar, wie zuvor.
Polenz betont bei "Anne Will": "Ukraine darf den Krieg nicht verlieren"
Handelt Scholz besonnener, fragt Will Ruprecht Polenz? "Nach der Zeitenwende-Rede habe ich gedacht, jetzt ist der Kurs klar, dann kam doch ein Stolpern. Jetzt habe ich die Hoffnung, dass das durchgestanden ist. Was die Unterstützung der Ukraine angeht, darf Putin den Krieg nicht gewinnen. Er darf keinen Vorteil davon haben. Er (Olaf Scholz) sammelt jetzt seine Regierung hinter sich für die Fortsetzung des Kurses." Polenz wären "keine Alleingänge" wichtig. Er will das Deutschland zusammen mit der Nato alles tut, damit die Ukraine den Krieg nicht verliert, "aber Deutschland selbst nicht Kriegspartei wird". Er betonte, dass man durch Waffenlieferungen keine Kriegspartei wird. Das würde das Völkerrecht regeln. Das betonte auch Kevin Kühnert und stärkte Scholz den Rücken. "Pro oder gegen Waffenlieferungen, das war nie die Kategorie in der die Bundesregierung entschieden hätte", so der SPD-Generalsekretär.
Andrij Melnyk erwartet nach Waffenlieferungen mehr von der Bundesregierung
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat sich von der Fernsehansprache von Bundeskanzler Olaf Scholz zum Jahrestag des Weltkriegsendes in Europa enttäuscht gezeigt. Man hätte sich auch in der Rede "viel mehr Konkretes" dazu gewünscht, wie der Bundestagsbeschluss zur Lieferung schwerer Waffen umgesetzt werden solle, sagte Melnyk am Sonntag in der ARD-Sendung "Anne Will". "Da haben wir leider nicht viel Neues gehört."
Die Zusage der Bundesregierung, sieben Panzerhaubitzen - moderne Artilleriesysteme - an die Ukraine zu liefern, nannte Melnyk eine "gute Entscheidung". Zugleich machte er deutlich, dass er deutlich mehr erwarte. "Wenn wir den Bundeskanzler hören, der sagt, Russland darf nicht gewinnen, das heißt, dass man alles, wirklich alles unternehmen sollte, (...) um uns zu helfen in dieser schwierigen Situation, in diesem Krieg, der schlimmste Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg", forderte der Diplomat.
Welzer sicher: Eine Atommacht kann keinen Krieg gewinnen
Als es um die zwei offenen Briefe ging, dozierte Welzer zur Gewaltdynamik, die durch die Waffen entsteht. Dadurch würde das Risiko für einen atomaren Konflikt steigen. Das hätten die moderne Kriege gezeigt. Dann zitierte er eine Aussage von Jürgen Habermas: "Ein Krieg gegen eine Atommacht kann nicht im herkömmlichen Sinn gewonnen werden".
Polenz: Putin will Ukraine auslöschen
Ruprecht Polenz argumentiert dagegen. Denn der Brief von Alice Schwarzer könnte "das Gegenteil bewirken". "Die Aussage eine Atommacht könnte keinen Krieg verlieren, sei empirisch falsch, so Polenz. "Man kann natürlich sagen: Das ist ein Gewaltprozess, wie Sie das als Soziologe sagen", so der CDU-Politiker. "Ich würde es präziser bezeichnen als einen Angriffskrieg! [...] Man könne sich nicht in der Mitte treffen." Er fügte hinzu: "Das Ziel von Putin ist, die Ukraine als Staat auszulöschen. Er spricht der Ukraine die eigene nationale Identität ab. Und wenn er jetzt von Denazifizierung der Ukraine spricht, meint er, dass jeder Ukrainer, der sich nicht als Russe fühlt, ein Nazi ist. Die kommen in Infiltrationslager und landen irgendwo in Sibirien. "Er darf damit keine Erfolg haben." Dann geht er auf die letzte Rede von Selenskyj ein, dass Russland wieder zurück muss, bevor der Krieg begann wo dieser über "konkrete Kriegsziele" sprach. "Das ist für ihn die Basis, was wird in Zukunft mit dem Donbass und der Krim, das ist ein klar benanntes Ziel, damit es nicht in einem anderen Land weiter geht."
Hitler-Deutschland habe auch nur besiegt werden können, weil die USA und andere Länder der Sowjetunion im Rahmen des Lend-Lease-Gesetzes Tausende Flugzeuge und Panzer geliefert hätten, sagte Melnyk. "Und wir reden über sieben Panzerhaubitzen und keine weitere Aussicht." Weitere "historische Entscheidungen" des Bundestags und der Bundesregierung wären wichtig, um mit allem zu helfen, was die Ukraine benötige.
Welzer sieht das Aufrüsten im Ukraine-Krieg nicht als "logisches Ende"
Für Welzer sei das permanente Aufrüsten kein logisches Ende. "Wenn ich eine Situation der gleichen Stärke herstelle, ist das Ergebnis ein dauerhafter Zermürbungs- oder Abnutzungskrieg mit immer mehr Opfern." Deshalb sollten andere Strategien angewendet werden und Verhandlungen sollen intensiver geführt werden.
"Moralisch verwahrlost!" Ukraine-Botschafter greift Welzer bei "Anne Will" an
"Das ist eine völlige Illusion, was Sie und Ihre Kollegen da anbieten", so der Botschafter zu dem offenen Brief und wütet: "Es ist einfach für Sie, in Ihrem Professorenzimmer zu sitzen und zu philosophieren!" "Deutschland hätte, nach der Aussage von Scholz eine Verpflichtung der Ukraine zu helfen, dass sich ein zweiter Völkermord, wie vor 77 Jahren nicht wiederholt." Direkt an Welzer gerichtet, sagt Melnyk: "Sie wollen, dass die Ukrainer sich ergeben, weil Russland Atomwaffen besitzt. Das heißt, egal, was man tut, man kann einen Krieg gegen Russland nicht gewinnen. Und das ist falsch!" Deshalb müsse Russlands geschwächt werden, indem Gelder durch ein Embargo wegfallen und die Invasion weiter aufgehalten wird. Dafür benötige die Ukraine auch Waffen. Dann würde Putin einen Waffenstillstand einlegen und sagen, wir gucken, wie es weitergeht", beschreibt er seine Hoffnung und stänkert gegen Welzer: "Das, was Sie anbieten, ist moralisch verwahrlost."
Danach geht Welzer auf Melnyk los und spricht von der Kriegserfahrung vieler Deutscher. Die vielen Menschen, die die Briefe unterschrieben hätten, taten das aus historischer Betroffenheit und wissenschaftlicher Sicht heraus, erklärte Welzer Melnyk. Der Botschafter fiel ihm ins Wort und sagte: "Ihre Vorfahren haben zehn Millionen Ukrainer vernichtet", erinnert er den Soziologen. "Das ist eine Schuld!" Daraufhin entgegnet Welzer, dass sich Melnyk mit seiner wissenschaftlichen Arbeit auseinander setzen soll und dann erst kommentieren sollte. Die anderen Gäste hielten sich aus dem Zoff heraus.
Twitter-Nutzer entsetzt über den Ukraine-Zoff
Auf Twitter erregte der Zoff die Gemüter. besonders Welzers Täter Opfer-Umkehr schockte. "Wie #Welzer hier die Täter zu Opfern des 2. WK macht und gleichzeitig einem Vertreter eines aktuell angegriffenen arrogant begegnet, ist sehr unangenehm", entrüstet sich ein Twitter-Nutzer. Andere finden die Aussagen des Soziologen "widerlich", "arrogant". "Dieses arrogante Geschwurbel von #Welzer war unerträglich. Aus für #AnneWill nach 15 min." Andere wünschen sich, dass er nie wieder in die Sendung eingeladen wird. Auch Melnyk wird kritisiert. "Der Auftritt von Botschafter #Melnyk bei #AnneWill, war gestern wieder unerträglich. Einem anderen Talkgast "moralisch verwahllost" vorzuwerfen, ist ein starkes Stück! #Welzer".
Die aktuelle Ausgabe von "Anne Will" gibt es als Wiederholung in der ARD-Mediathek.
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bos/bua/news.de/dpa