Bjarne Mädel: Wenn Bär über seine «Muschi» redet
Von news.de-Redakteur Oliver Roscher
14.04.2021 20.49
Mord mit Aussicht begeistert Kritiker und Zuschauer gleichermaßen. Wie erklären Sie sich den durchschlagenden Erfolg?
Mädel:Natürlich liegt es vor allem am Format. Dieser Gegensatz, eine solche Serie auf dem Land spielen zu lassen, funktioniert super. Die Caster achten außerdem darauf, viele weitere Theaterleute ins Boot zu holen. Mit den Kollegen zu spielen ist unheimlich toll. Wenn solche Leute zusagen, ist das auch immer ein Zeichen dafür, dass die Bücher gut sein müssen. Und anscheinend war auch die Verlegung des Sendeplatzes auf den Dienstagabend eine gute Entscheidung.
Ihre Rollenfigur Dietmar Schäffer steht zwischen zwei Frauen. Er scheint sich wohlzufühlen...
Mädel:Er hat den Chef zu Hause und den Chef auf der Wache. Damit hat Dietmar überhaupt kein Problem. Dietmar ordnet sich gerne mal unter, was ihn ja auch irgendwie auszeichnet. Er funktioniert lieber in der zweiten Reihe und ist froh, keine Verantwortung tragen zu müssen.
Merkt Dietmar gar nicht, dass er eine attraktive Frau als Chefin hat?
Mädel: Bei ihm läuft das ja über den Magen. Wenn die gut kochen könnte, wäre das vielleicht was anderes, aber für seine Heike gibt es keine Konkurrenz. Einzig am Anfang der Serie ist er etwas erstaunt über seine Chefin Sophie Haas (dargestellt von Caroline Peters), als er sagt: «Oh, die ist aber jung.» Petra Kleinert (Darstellerin von Ehefrau Heike) und ich haben beide die Idee verfolgt, ein Paar zu zeigen, das wirklich glücklich miteinander ist, auch nach 17 Jahren. So etwas sieht man sonst nicht im deutschen Fernsehen. Das mit der Attraktivität der Chefin wäre vielleicht mal eine Idee für die Drehbuchschreiber. Bislang ist Dietmar jedoch nicht aufgefallen, dass seine Vorgesetzte attraktiv ist, und gestört hat es ihn auch nicht.
Dietmar nennt seine Heike «Muschi». Ist ihm die Zweideutigkeit des Begriffs bewusst?
Mädel: Das ist ihm nicht klar, sonst hätten wir das so gar nicht durchsetzen können. Es gab eine große Diskussion darüber, ob wir das so machen können. Auf jeden Fall wollten wir keine Klischeenamen wie «Mausi» oder so. Deswegen nennt sie ihn ja auch «Bär». Wir Schauspieler sind uns der Zweideutigkeit natürlich bewusst, aber Dietmar Schäffer hat da gar keine bösen Absichten.
Wie würden Sie den Humor bei Mord mit Aussicht beschreiben?
Mädel: Anscheinend hat der was vom norddeutschen Humor. Hat wohl auch mit den Regisseuren zu tun. Arne Feldhusen, der die ersten Folgen drehte, kommt aus Schleswig-Holstein, und Torsten Wacker, der vier der neuen Folgen drehte, ist auch ein totales Nordlicht. Dieses Langsame, die Pointensetzung, das scheint irgendwie mit der Eifel konform zu gehen. Das könnte auch in Norddeutschland spielen. Wichtig ist der Rhythmus. Auf dem Land geht eben alles ein wenig langsamer und jeder ist über alles informiert. Dietmar Schäffer liebt natürlich die Beschaulichkeit des Landlebens und ist auch gern gut informiert.
... vor allem über das Wetter.
Mädel: Wettermäßig war er am Anfang der Serie immer auf dem Laufenden. Das hat vornehmlich damit zu tun, dass er ungern nass wird. Ihm gibt das Sicherheit. So weiß er immer, welche Schuhe er anziehen muss oder ob er einen Schirm braucht. Anfangs hatte er auch noch irgendwelche Wettersachen auf dem Tisch stehen. Das wurde aber immer weniger Thema. Er angelt ja auch und das passt natürlich wunderbar für Dietmar. Da kann man sitzen, essen und trinken. Außerdem ist es recht stressfrei.
Werden Sie noch als Ernie oder schon als Dietmar auf der Straße wahrgenommen?
Mädel: Privat sehe ich ja weder wie der eine noch wie der andere aus – insofern hält es sich in Grenzen. Aber ich freue mich sehr, dass jetzt schon eine zweite Figur so gut funktioniert und ich auch auf Dietmar angesprochen werde. Meist bekomme ich zu hören, ich sei ja gar nicht so dick.
Wie unterschiedlich sind die beiden eigentlich?
Mädel: Temperament, Geschwindigkeit und auch Optik der beiden sind schon sehr unterschiedlich. Auch bei den Stimmen der beiden gibt es einen Unterschied. Privat habe ich eher eine Bassstimme und bei Dietmar versuche ich das voll auszukosten. Die Rolle spiele und spreche ich aus dem Bauch. Ernie ist dagegen immer unter Strom und ein bisschen neurotisch. Seine Stimme ist entsprechend höher. Das sind für mich handwerkliche Mittel, die mir Spaß machen. Wichtig ist in jedem Fall, die Authentizität der Figuren zu bewahren.
Wie Bjarne Mädel die Chancen des HSV einschätzt
Sie sind prädestiniert auf die Rolle des Durchschnittstyps. Erst Berthold «Ernie»Heisterkamp in Stromberg, dann Der kleine Mann und nun den Dietmar Schäffer in Mord mit Aussicht. Fürchten Sie kein Schubladendenken?
Mädel: Die Frage nach der Schublade kriege ich häufiger. Und natürlich ist mir bewusst, dass ich dementsprechend kritisch mit Rollenangeboten umgehen muss. Wenn ein Angebot nur darauf hinausläuft, dass ich mal wieder den Trottel spielen soll, sage ich das gerne ab. Ich habe keine Panik, dass ich nie wieder etwas anderes spielen werde, weil ich weiß, was ich kann. Es ist ja nicht so, dass ich direkt von der Straße gecastet worden bin, weil ich so trottelig gewirkt habe. Ich habe brav meine Schauspielschule absolviert und über zehn Jahre an renommierten Theatern gespielt. Insofern bin ich gelassen und warte auf die anderen Rollenangebote, wie zum Beispiel mal den aggressiven Drogendealer.
Sie spielen auch Theater. Werden Sie die Bühne aufgeben müssen?
Mädel: An ein festes Theaterengagement wäre momentan nicht zu denken, da ich zu viel Zeit zum Drehen brauche. Aber ich hatte in den letzten Jahren das große Glück, in Gastverträgen immer mal wieder auch auf der Bühne spielen zu können. In diesem Jahr ist es das Ingrid Lausund-Stück Benefiz - Jeder rettet einen Afrikaner, das demnächst wieder in Hamburg an den Kammerspielen zu sehen sein wird. Am Theater kann man sich natürlich viel intensiver inhaltlich mit den Stoffen auseinandersetzen.
Ist das der Unterschied zur Arbeit beim Fernsehen?
Mädel: Beim Fernsehen ist der finanzielle und damit zeitliche Druck höher. Wenn die Schauspieler immer mehr Szenen an einem Tag drehen sollen, dann wird das problematisch. Darunter leidet dann die Qualität. Aber es gibt - Gott sei dank! - auch Regisseure, die sich beispielsweise weigern, einen Tatort in 15 Tagen zu drehen, weil es einfach nicht machbar ist. Früher hatte man für einen Tatort 30 Tage Zeit. Jetzt ist es schon auf 21 Tage runtergedampft. Dann wird die Arbeit oberflächlich und als Schauspieler kann man nichts mehr ausprobieren. Unter schlechteren Bedingungen leidet natürlich die künstlerische Qualität...
Wird es eine neue Staffel von Mord mit Aussicht geben?
Mädel: Auf jeden Fall hat der Westdeutsche Rundfunk (WDR) neue Folgen bestellt. Im nächsten Jahr sollen sie gedreht werden. Da habe ich wirklich Schwein, weil auch Stromberg weitergehen soll.
Im Gespräch ist angeblich auch ein Stromberg-Kinofilm. Ist da was Wahres dran?
Mädel: Das stimmt. Wir hatten das schon länger vor und haben uns das auch gewünscht. Anfang 2011 soll es mit den Dreharbeiten losgehen.
Gibt es eine Rolle, die Sie unbedingt mal spielen wollen?
Mädel: Nein, eigentlich nicht. Ich wünsche mir einfach gute Bücher und tolle Kollegen. Beim kleinen Mann beispielsweise habe ich mit Florian Lukas und Caroline Eichhorn, Karl Kranzkowski und Christina Große zusammengearbeitet. Wenn ich mit solchen Kollegen zusammenarbeiten kann, ist mir die Rolle fast schon egal. Es kommt aber - wie immer - darauf an, dass das Buch gut geschrieben ist.
Sprechen wir mal über Fußball ...
Mädel: Nummer 125 ...
Panini?
Mädel: Genau, sonst habe ich das Album zur WM in Südafrika voll. Ich wollte es nur mal erwähnen. Nachbestellen kann ich nicht, da das gegen die Ehre ist. Das mache ich nicht. Man muss sich das Bild schon irgendwie ertauschen. Wenn das Turnier dann aber vorbei ist, fehlt es auch am Ehrgeiz.
Wie haben Sie die Fußball-WM in Südafrika erlebt?
Mädel: Im Gegensatz zur WM 2006 konnte ich diesmal nicht alle Spiele sehen, da ich mit meiner Freundin im Senegal im Urlaub war. Ein paar habe ich mir aber schon angeguckt. Vor allem beim Spiel gegen England habe ich mitgezittert. Wegen des Sieges konnte ich nach der Rückkehr glücklicherweise noch ein wenig von der WM-Stimmung in Deutschland mitnehmen.
Und wie sieht es mit Ihrem Lieblingsverein HSV vor der neuen Saison aus?
Mädel: Eigentlich läuft das immer gleich. Erst sage ich mir, den Scheiß mache ich nicht mehr mit, und dann machen die doch noch ein paar Einkäufe und plötzlich ist da wieder die Hoffnung auf eine gute Saison. Ich bin mit fünf oder sechs Jahren das erste Mal im Stadion gewesen und seitdem HSV-Fan. Ich glaube, Peter Lohmeyer war es, der mal gesagt hat: «Als Fan erarbeitest du dir nur Respekt, wenn du niemals wechselst.» Das ist einfach so und deshalb ist das gar keine Option, einen anderen Klub zu unterstützen.
Bjarne Mädel (geboren am 12. März 1968 in Hamburg) hat eine Schauspielausbildung an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam abgeschlossen. Fünf Jahre war er festes Ensemble-Mitglied am Schauspielhaus Hamburg. Bekannt wurde er durch die TV-Rolle des Berthold «Ernie» Heisterkamp in der Serie Stromberg. Danach folgte die eigene Serie Der kleine Mann. Zur Zeit begeistert er als gemütlicher Polizist Dietmar Schäffer vom Lande in der ARD-Serie Mord mit Aussicht.
Mord mit Aussicht, jeden Dienstag, 20.15 Uhr, Das Erste