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Blond und blauäugig: Darum ist das Schönheitsideal eigentlich ein Fehler

Auch Louise Brown und ihre Zwillinge sind blond. Brown war vor 40 Jahren das erste Retortenbaby. Bild: dpa

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Blonde Haare und blaue Augen - das kam schon in der Steinzeit bei Männern gut an. Mit dieser Hypothese erregte der amerikanische Anthropologe Peter Frost einiges Aufsehen. Zu seiner Schlussfolgerung führten ihn folgende Überlegungen: Gegen Ende der letzten Eiszeit vor 10.000 bis 15.000 Jahren wurde das Großwild in den kalten Steppen Europas immer knapper.

Blonde Haare und blaue Augen als Folge einer Genmutation?

Die wenigen jagdfähigen Männer konnten kaum genug Fleisch als Nahrung heranschaffen, und viele Männer kamen von der Jagd nicht mehr zurück. Da war es für Frauen ein Vorteil, blond zu sein: Wenn Männer ohnehin nicht für mehr als eine Frau sorgen konnten, wählten sie sich bevorzugt die Frauen aus, die sich von den anderen unterschieden.

Und das waren eben Frauen, die Genmutationen trugen, durch die ihre Haut hell, das Haar blond und die Augen blau wurden. Nur mit dieser sexuellen Selektion, wie Evolutionsbiologen sagen, hätten sich blonde Haare und blaue Augen in der Menschheit so weit verbreiten können, meint Frost.

Seine Hypothese, die der kanadische Anthropologe 2006 erstmals vorgestellt hatte, schien die gängigen Blondinen-Klischees zu bestätigen. Was die blauen Augen angeht, hat es tatsächlich ein solches einmaliges Mutationsereignis gegeben, wie es Frost in seinem Szenario annahm: Dänische Genetiker fanden heraus, dass sich vor 6000 bis 10.000 Jahren bei einem Menschen ein Gen massiv veränderte, das für die Augenfarbe mitverantwortlich war.

Mutationen für rotblonde Haare bereits vor 40.000 Jahren

Dieser Mensch war der erste mit blauen Augen, und alle Menschen mit dieser Augenfarbe stammen von ihm ab. Insgesamt etwa ein Zehntel der Menschheit. Dieser Urvater und diese Urmutter aller Blauäugigen soll im Nahen Osten oder in der Region nordwestlich des Schwarzen Meeres gelebt haben.

So stringent verlief die Entwicklungsgeschichte der Blondinen - und natürlich auch der blonden Männer - nicht, wie nun weitere Genanalysen gezeigt haben: So sei das für rote beziehungsweise rotblonde Haare zuständige Gen in der Evolution des Menschen viele Male unabhängig voneinander mutiert, erklärt Mark Stoneking, Professor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift Bild der Wissenschaft.

Die ersten dieser Mutationen haben schon vor 20.000 bis 40.000 Jahren stattgefunden. Und selbst bei den Vorläufern des modernen Menschen in Europa, den Neandertalern, konnte der Leipziger Wissenschaftler Michael Hofreiter nachweisen, dass es bereits rotblonde Individuen gab.

Welches Gen sorgt für blonde Haare und blaue Augen?

Als genetische Schaltstelle, in der sich entscheidet, ob ein Mensch blonde oder rotblonde Haare bekommt, haben Wissenschaftler ein Gen namens MC1R ausgemacht. Insgesamt mehr als 70 verschiedene Varianten dieses Gens gibt es bei heutigen Menschen. Es enthält den Bauplan für ein Eiweißmolekül an der Oberfläche der Melanozyten ­- jenen Zellen in der menschlichen Haut, die für die Produktion der Pigmente verantwortlich sind, die Haut und Haare dunkel färben.

Warum sich diese auch nach zehntausendjähriger Evolution halten konnten, darüber rätseln Forscher noch immer - bergen sie doch für ihre Träger auch Gefahren: Rotblonde Menschen haben wegen ihrer helleren Haut gegenüber dunkelhäutigen Menschen ein hundertfach höheres Risiko, an Hautkrebs zu erkranken.

Unter der brennenden Sonne Afrikas müssen daher Genmutationen, die zu hellerer Haut führten und das Erscheinungsbild der ursprünglich dunkelhäutigen und dunkelhaarigen Menschen veränderten, immer wieder ausgemerzt worden sein.

Blond und blauäugig als exotische Ausnahmeerscheinung

Anders verhielt es sich, als die Vorfahren der heutigen Menschen vor etwa 70.000 bis 45.000 Jahren Afrika verließen und begannen, Asien und Europa zu besiedeln. In den gemäßigten Breiten sei eine hellere Haut kein Nachteil mehr gewesen, erläutert der britische Dermatologe Jonathan Rees in Bild der Wissenschaft. Hellhäutige Menschen können schon mit wenig Sonnenlicht das wichtige Vitamin D3 erzeugen. So behaupten sich die Träger von Genen für Hellhäutigkeit in Europa und Asien mindestens so gut wie Menschen mit dunkleren Hauttönen.

An einen deutlichen Selektionsdruck mit einer Bevorzugung von Blondinen, wie es Peter Frost in seiner Hypothese plakativ ausgemalt hatte, glaubt Dermatologe Rees hingegen nicht: "Wenn die Haut heller wird, ist blondes Haar nun mal eine der möglichen Begleiterscheinungen", interpretiert der Wissenschaftler die Entwicklung eher nüchtern. Ohnehin sind und bleiben blonde Haare eine exotische Ausnahmeerscheinung der Menschheitsgeschichte: Nur einer von etwa fünfzig Menschen ist blond.

Passend zum Thema: Darum fahren Männer auf blonde Haare bei Frauen ab.

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