Gunther von Hagens: Zwischen Plastination und Parkinson! Dr. Tod feiert seinen 75. Geburtstag
Erstellt von Anika Bube
09.01.2020 08.51
An diesem Morgen um die Jahreswende ist Gunther von Hagens nicht in bester Verfassung. Die Sprache des Mediziners, die wegen seiner Parkinsonerkrankung schon undeutlich ist, lässt sich kaum verstehen.
Unheilbar an Parkinson erkrankt! So geht es Gunther von Hagens aktuell
"Ich habe drei Fehler gemacht", sagt selbstironisch der schmale große Mann, der am Freitag (10.01.2020) 75 Jahre alt wird. "Ich habe zu lange familiäre Gemeinschaft geübt, zu wenig geschlafen und Kuchen gegessen", erzählt von Hagens, der bis vor wenigen Jahren Schlafen für Zeitverschwendung und Ablenkung von der Arbeit hielt.
Heute bremst die Krankheit den Wissenschaftler aus. Seine Schritte sind klein. Eine Hand zittert. 2008 erhielt Gunther von Hagens die Diagnose, dass er an Parkinson erkrankt ist. Doch Gunther von Hagens gibt sein Leben nicht auf. "Zunächst studierte ich die Literatur, um auf dem neuesten Stand zu sein", sagt der Plastinator gegenüber der "Bild"-Zeitung. Mittlerweile bekämpft er die Nervenkrankheit mit gesunder Ernährung, Sport und Bewegung sowie Tabletten. "Täglich schlucke ich 100 Pillen", zitiert die "Bild" Gunther von Hagens."Mir geht es aktuell gut. Aber das schwankt, je nach Tagesform. Zwei bis fünf Stunden kann ich am Stück arbeiten. Dann ruft aber das Bett."
Noch hat sich der umstrittene Anatom nicht in den Ruhestand verabschiedet. "Parkinson schränkt meine Lebenserwartung nicht ein", zitiert die "Bild" den Wissenschaftler, "mein Vater Gerhard ist derzeit sogar 103 Jahre alt. Ich will älter werden!"
Dr. Tod auf der Suche nach der perfekten Konservierungsmethode
Gunther von Hagens feilt noch immer an der Plastination, einer Konservierungsmethode, die er hat patentieren lassen. Bei ihr wird das Körperwasser eines Leichnams durch Aceton - allgemein bekannt als Nagellackentferner - ersetzt. Dann wird das Präparat in Kunststofflösung eingelegt und in eine Vakuumkammer gestellt. Darin entweicht Aceton und an seiner Stelle dringt der Kunststoff ins Gewebe ein. Zuvor mussten sich die Studenten mit Wachsmodellen oder in Formaldehyd eingelegten Präparaten begnügen, um den menschlichen Körper zu erforschen.
Den Körper oder Teile davon auf diese Weise von innen zu stabilisieren und damit Muskeln, Knochen und innere Organe geruchlos und trocken für den Betrachter sichtbar zu machen, ist von Hagens' Lebensaufgabe. Die derzeitige Herausforderung: die Entwicklung neuer Kunststoffe, die bei hoher Stabilität selbst die winzigsten Gefäße im Detail zeigen. Dafür experimentiert er mit Schweinenieren und kehrt damit zu seinen Ursprüngen in Heidelberg zurück. Am Institut für Anatomie der dortigen Universität erfand er 1977 die Plastination. Sein erstes konserviertes Organ war damals eine Niere.
"Körperwelten" zeigt echte Menschen
Aus diesen Anfängen entstanden Jahrzehnte später aufsehenerregende Ausstellungen, die "Körperwelten" mit Ganzkörperplastinaten in unterschiedlichen Situationen, beim Schachspielen, Sport oder beim Sex. Für manche überschreitet er damit eine rote Linie, andere können sich der merkwürdigen Ästhetik der Objekte und ihrem morbiden Charme nicht entziehen. Bis heute haben nach Angaben der Veranstalter 50 Millionen Menschen die Wanderausstellungen und vier Dauerausstellungen besucht.
Gunther von Hagens über Körperspenden:"Wir haben eher zu viel Leichen im Keller"
Von Hagens ist Überzeugungstäter, hat sich weder von Rechtsstreitigkeiten noch von Kirchenleuten und Politikern einschüchtern lassen. Trotz oder gerade wegen der Diskussion über den Umgang mit Tod und Toten strömen die Menschen in die "Körperwelten". Die erste Ausstellung 1995 im National Science Museum in Tokio war ein Publikumsmagnet. Es kamen mehr als 450.000 Besucher in vier Monaten, eine Zahl, die alle Erwartungen sprengte. Die Mannheimer "Körperwelten" besuchten 1997/98 in vier Monaten 780.000 Gäste.
Von Hagens pendelt zwischen Heidelberg, wo aus seine 16 Jahre jüngere Frau die Ausstellungen organisiert, und dem brandenburgischen Guben. Im dortigen Plastinarium stellen 46 Mitarbeiter in einer ehemaligen Tuchfabrik vor allem für universitäre Zwecke Plastinate her. Die massenweise Herstellung der Plastinate warf in der Öffentlichkeit Fragen auf, ob es für alle Körperspenden auch zu Lebzeiten die Einwilligung zur Plastination gibt. Das bejaht das Paar und verweist auf die 19.000 Körperspender, die sich notariell hätten registrieren lassen. Von Hagens: "Wir haben eher zu viel als zu wenig Leichen im Keller."
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Wenn Dr. Tod stirbt: DAS soll mit Gunther von Hagens Leiche passieren
Von Hagens selbst ist noch unentschieden, was mit seiner eigenen Körperspende passieren soll. Klar ist nur, dass er sein Plastinat nicht an einer Stelle ruhen lassen will - analog zu seinem bewegten Leben. Er wuchs als glühender Kommunist in Thüringen auf, wollte aber nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 aus der DDR fliehen, scheiterte und wurde 1970 von der BRD für 40.000 D-Mark aus der Haft freigekauft. Weitere Stationen seines beruflichen Werdegangs waren Lübeck, Helgoland, Heidelberg, das chinesische Dalian und New York. Von Hagens sieht für sich deshalb zwei Möglichkeiten: Er geht als Ganzkörperplastinat mit einer Wanderausstellung auf Tour oder wird in bis zu 600 Körperscheiben plastiniert in aller Welt verstreut.
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bua/news.de/dpa