Sahra Wagenknecht News: Abwärtstrend: Warum schwächelt die Wagenknecht-Partei?
Erstellt von Sarah Knauth
23.11.2024 06.32
Kaum ein Jahr alt und schon am Kabinettstisch - das Bündnis Sahra Wagenknecht feiert mit der ersten Koalitionsbeteiligung einen großen Erfolg. Nicht nur in Thüringen, auch in Brandenburg wird das BSW wohl bald mitregieren. Doch zugleich mehren sich Alarmzeichen für die junge Partei. Drei Monate vor der Bundestagswahl sinken bundesweit ihre Umfragewerte. Das Institut Forsa sah das BSW zuletzt bei nur noch 4 Prozent, genau halb so viel wie Anfang Juli. Die "Welt" schrieb schon von "Sahra Wagenknechts Absturz".
Die Parteigründerin hält dagegen. "Es ist nichts Neues, dass mit Umfragen Politik gemacht wird", erklärt Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur. "Dass Forsa uns pünktlich zum Start des Bundestagswahlkampfs miese Werte gibt, überrascht mich nicht." In anderen Umfragen stehe das BSW bundesweit bei 6 bis 8 Prozent. Aber: "Es ist richtig, dass wir nach grandiosen Wahlerfolgen zunächst bei der Europawahl und dann in drei Landtagswahlen in den letzten Wochen leicht an Zustimmung verloren haben." Zuletzt lief es an mehreren Punkten für das BSW nicht mehr rund.
Das Thüringer Veto: Die Regierungsbildung rumpelte
Wagenknecht selbst sagt zum Formtief: "Ein wichtiger Grund war, dass es über die Regierungsbildung in Thüringen zu einem öffentlichen Konflikt kam." Ende Oktober rügte die Parteigründerin ein Sondierungspapier, das ihre Unterhändlerin Katja Wolf mit CDU und SPD vereinbart hatte. Der BSW-Bundesvorstand mahnte zu Härte bei Forderungen, für die eine Landesregierung eigentlich nicht zuständig ist: Diplomatie im Ukraine-Krieg und Widerstand gegen US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. An denselben Fragen - und einigem mehr - scheiterte dann Anfang November eine Regierungsbeteiligung des BSW in Sachsen.
In Thüringen verhandelte Wolf weiter, obwohl es zwischen ihr und Wagenknecht sichtbar kriselte. Am Freitag nun präsentierte das BSW mit CDU und SPD den fertigen Koalitionsvertrag. Die von Wagenknecht anfangs kritisierte Präambel ist darin unverändert, es gibt lediglich einige Ergänzungen im Vertragstext. Trotzdem kommt Lob von Wagenknecht. "Die Ergebnisse zeigen, dass wir konstruktiv mitgestalten, soweit es möglich ist", meint die 55-Jährige.
Aus Sicht des Potsdamer Politologen Jan Philipp Thomeczek hätte Wagenknecht das Getöse vermeiden können. "Das Thema "Krieg und Frieden" ist für BSW-Wähler das wichtigste. Insofern ist es richtig zu sagen: Das ist unser Markenkern. Aber man hat sich an Formulierungen in den Koalitionsverträgen aufgehängt, die in der Praxis wenig Effekt haben. Das war Symbolpolitik. Ich denke, da hat sie den Bogen überspannt."
Die politische Linie: BSW wirkt nur begrenzt
Auch im Bund beteuert das BSW Gestaltungswillen, doch überwiegt die Grundsatzkritik in alle Richtungen. Die Ampel ist für Wagenknecht die dümmste Regierung Europas. Die Grünen sind traditionell ihre Lieblingsgegner. Doch auch CDU-Chef Friedrich Merz sei "eine Gefahr für unser Land", weil er Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern wolle, sagt Wagenknecht. Energiepolitisch sei die Union "blank", für den Mittelstand habe sie kein Konzept, sondern wolle den "Champagnerabsatz für die oberen Zehntausend" ankurbeln. Bei der AfD bleibt Wagenknecht auf Distanz, ihre frühere Partei, die Linke, ignoriert sie.
Was also kann Wagenknecht bewirken und mit wem? Als Topthemen nennt sie billige fossile Energie, höhere Renten, den "Stopp der irregulären Migration" und eben: Frieden. "Nur ein starkes BSW im nächsten Bundestag kann verhindern, dass sich die "Falken" (militärpolitischen Scharfmacher) in der SPD endgültig durchsetzen", sagt sie der dpa. "Davon würde im Falle einer großen Koalition auch abhängen, welchen Spielraum Merz von seinem Koalitionspartner in der Außenpolitik erhält, zumal die SPD dann wahrscheinlich wieder den Außenminister stellt." Unklar, ob die Oppositionsrolle Hoffnungen von BSW-Wählern auf einen fundamentalen Politikwechsel stillt.
Die vorgezogene Neuwahl setzt das BSW unter Druck
Wagenknecht hat ein Vorziehen der Bundestagswahl immer wieder gefordert, aber: "Der Zeitpunkt der Neuwahlen ist für das BSW ungünstig", sagt der Potsdamer BSW-Spezialist Thomeczek. Noch fehlen dem BSW Landesverbände in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Und die junge Partei muss überall geeignete Kandidaten finden. "Sollte die Listenaufstellung in einem oder mehreren Bundesländern nicht klappen, könnte das BSW dort nicht antreten", gibt Thomeczek zu bedenken. Umso mehr Stimmen müsste es dann anderswo erringen. "Dann würde es schwieriger mit Blick auf die Fünf-Prozent-Hürde."
Wagenknecht räumte zuletzt ein, dass das Wahlprogramm schneller fertig werden muss als geplant. Auch "was die Finanzen angeht, ja, das ist eine gewisse Herausforderung". BSW-Schatzmeister Ralph Suikat sagte "T-Online", er hoffe auf Darlehensgeber, bis die staatliche Parteienfinanzierung greife. Für den Wahlkampf plane er mit vier Millionen Euro.
Patzer erregen Kritik
Klar ist, dass die Gegner nach dem raschen BSW-Aufstieg nichts dagegen hätten, die Neugründung nun schwächeln zu sehen. Patzer werden genau beobachtet. Zuletzt hagelte es Kritik, als Xenia Sobchak, in Medien betitelt als "Tochter von Putins Ziehvater", auf Instagram ein Foto mit Wagenknecht postete. "Was ein Quatsch!", konterte die Partei und beschrieb das Bild als Zufalls-Selfie am Rande eines Termins im Berliner Café "Einstein".
Forsa-Chef Manfred Güllner spekuliert nach seiner jüngsten Umfrage über eine "schnelle Entzauberung der von den Medien als "Polit-Ikone" gelobten Wagenknecht" und betont, das BSW sei im Westen kaum verankert. Politologe Thomeczek meint hingegen: "Aktuell habe ich die Einschätzung, dass das BSW auf jeden Fall das Potenzial hat, sich zu etablieren. Es gibt diese Leerstelle im Parteiensystem. Viele freuen sich über eine Partei, die migrationskritisch ist, aber nicht so radikal wie die AfD. Das größte Thema aber ist die Außenpolitik mit dem Krieg in der Ukraine. Das mobilisiert die BSW-Wähler am stärksten."
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+++ Redaktioneller Hinweis: Diese Meldung wurde basierend auf Material der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erstellt. Bei Anmerkungen oder Rückfragen wenden Sie sich bitte an hinweis@news.de. +++
kns/roj/news.de