Rätsel um russische Nukleardoktrin: Wie glaubwürdig sind Putins nukleare Drohungen wirklich? Das sagen Experten
Erstellt von Sarah Baumann-Rüster
04.10.2024 17.21
- Kreml entkoppelt neue Nukleardoktrin vom Ukraine-Krieg
- Putin droht Ukraine und dem Westen mit Atomschlag
- Experten verraten: So glaubwürdig sind Putins Drohungen tatsächlich
Immer wieder droht der russische Präsident Wladimir Putin im Konflikt mit der Ukraine mit dem Einsatz von Atomwaffen. Auch dem Westen hat der Kremlchef bei seinen jüngsten Auftritten mit dem nuklearen Untergang gedroht, falls er nicht aufhören sollte, die Ukraine zu unterstützen. Doch wie glaubwürdig sind Putins Atom-Drohungen tatsächlich?
Sind Putins Atom-Drohungen glaubwürdig? Das sagt NATO-Chef Mark Rutte
Um diese Frage zu beantworten, haben sich mehrere Experten - darunter auch der neue NATO-Chef Mark Rutte - Putins jüngsten Auftritt vom 25. September vor dem russischen Sicherheitsrat genauer angesehen. Rutte bezeichnete Putins Äußerungen laut "newsweek.com" als "rücksichtslos und unverantwortlich". Dennoch hält er einen tatsächlichen Einsatz von Atomwaffen für unwahrscheinlich.
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Hintergrund: Putin erweitert Doktrin zum Einsatz von Atomwaffen
- Erst Ende September hatte Russland die russische Doktrin zum Einsatz von Atomwaffen nach Angaben von Präsident Wladimir Putin aufgrund der angespannten "internationalen Lage" angepasst. Russlands Liste militärischer Bedrohungen, gegen die diese Waffen zur Abschreckung genutzt werden können, sei erweitert worden, sagte Putin bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrats im Kreml.
- "In der aktualisierten Fassung des Dokuments wird vorgeschlagen, dass eine Aggression gegen Russland durch einen Nicht-Atomwaffenstaat, aber mit Beteiligung oder Unterstützung eines Atomwaffenstaates, als gemeinsamer Angriff auf die Russische Föderation betrachtet werden sollte", sagt Putin in der im Fernsehen übertragenen Sitzung. Putin bezog sich damit offensichtlich auf die Ukraine und deren westliche Verbündete.
- Der russische Präsident ließ offen, ob das geänderte Dokument eine atomare Antwort auf einen solchen "gemeinsamen Angriff" vorsieht. Er betonte jedoch, dass Russland Atomwaffen auch als Reaktion auf einen Angriff mit konventionellen Waffen einsetzen könnte, der eine "kritische Bedrohung unserer Souveränität" darstelle. Bisher besagte die russische Doktrin, dass Moskau sein Atomwaffenarsenal einsetzen kann, wenn die Existenz des Staates bedroht ist.
Die meisten Experten halten russischen Atomwaffen-Einsatz aktuell für "unwahrscheinlich"
Auch andere Experten meldeten sich nach Putins neuerlicher Atom-Drohung zu Wort. Im Gespräch mit "Newsweek" erklärte Peter Rutland, Professor für russische, osteuropäische und eurasische Studien an der Wesleyan University, dass Putins Äußerungen keine wesentliche Änderung der russischen Doktrin darstellen. Er betont, dass es für Russland angesichts der aktuellen Lage gar nicht notwendig wäre, nukleare Waffen einzusetzen. "Russland behauptet, der Krieg laufe gut, mit zunehmenden Gebietsgewinnen im Donbas und einem harten Winter, der sich in der Ukraine angesichts der beschädigten Energieinfrastruktur abzeichnet", so Rutland gegenüber "Newsweek".
In der Zwischenzeit sagte David Silbey, ein Militärexperte und Geschichtsprofessor an der Cornell University, gegenüber "Newsweek", dass Putin mit seinen Drohungen versuchen wolle, den Westen dazu zu bringen, die Aufhebung der Beschränkungen für den ukrainischen Einsatz von Langstreckenwaffen zu verzögern. "Putin will die Ukraine nicht zerstören, er will sie erobern", sagte er. "Russland gewinnt derzeit, und angesichts dessen gibt es für Putin keinen Grund, drastisch zu eskalieren."
Expertin schließt Atomeinsatz nicht aus, sollte Russland die Oberhand behalten
Mariana Budjeryn, eine leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin des Project on Managing the Atom (MTA), schrieb in einem Artikel für das "Bulletin of the Atomic Scientists", dass Putin nur dann atomare Waffen einsetzen werde, wenn Russland die Oberhand hat. Sie zeichnet ein Szenario, das mit den Bombenanschlägen auf Hiroshima und Nagasaki im Zweiten Weltkrieg vergleichbar ist, bei dem Russland die Verteidigungslinien der Ukraine durchbrochen und eine nuklear bewaffnete Rakete auf eine ukrainische Stadt abfeuern würde, um die Kapitulation Kiews zu fordern. "Ein fortgesetzter Widerstand Kiews wäre plötzlich töricht, wenn nicht gar selbstmörderisch", schrieb sie in dem am Mittwoch veröffentlichten Artikel.
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sba/bos/news.de