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Olaf Scholz: Druck auf Bundeskanzler wächst nach Europawahl-Debakel

Bundeskanzler Olaf Scholz und der SPD stehen nach dem desaströsen Abschneiden bei der Europawahl turbulente Wochen bevor. Bild: picture alliance/dpa/dpa-Pool | Kay Nietfeld

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  • SPD kassiert Schlappe bei Europawahl 2024
  • Sozialdemokraten kündigen Kursänderung an: "Dinge müssen anders werden"
  • Opposition will Vertrauensfrage - SPD stellt sich hinter Bundeskanzler Olaf Scholz

Das Ergebnis der Europawahl 2024 kam für die SPD einem Debakel gleich: Während rechtsextreme Parteien wie die AfD nicht nur in Deutschland einen Siegeszug feierten, rauschte die Zustimmung der Wahlberechtigten bei den Sozialdemokraten und den Parteien der Ampel-Koalition in den Keller. SPD, Grüne und FDP erreichten den Hochrechnungen zufolge nicht einmal ein Dritten der Stimmen und blieben durchweg hinter der AfD zurück. Ein deutlicher Schuss vor den Bug für die SPD, gerade im Hinblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen, die im Herbst in Sachsen, Thüringen und Brandenburg anstehen.

"Dinge müssen anders werden": SPD-Vorsitzender kündigt Kursänderung an

Das desaströse Wahlergebnis dürfte Bundeskanzler Olaf Scholz weiter in die Bredouille bringen. Nicht nur in der Opposition wurden bereits Rufe laut, der Kanzler solle die Vertrauensfrage stellen, auch in den eigenen Reihe ist nach der Europawahl klar, dass die Sozialdemokraten ihren Kurs dringend ändern müssen. Der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil beispielsweise sagte am Tag nach der Europawahl gegenüber dem Sender NDR Info: "Es müssen Dinge anders werden. Die SPD geht in einen Modus, in dem wir für diese Menschen kämpfen. Das fängt natürlich jetzt bei den Haushaltsberatungen schon an und muss sich dann auch bis zum Rest der Legislatur durchziehen." Denn:"Unsere Leute wollen uns kämpfen sehen."

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Haushaltsberatungen 2025 stellen SPD vor neue Herausforderung

Den Sozialdemokraten steht nach der Wahlschlappe mit den Beratungen zum Bundeshaushalt 2025, die bis zum 3. Juli abgeschlossen werden sollen, ein wahres Minenfeld bevor. Das sieht SPD-Chef Klingbeil jedoch als Chance, dass die Ampel-Koalition insgesamt an Vertrauen zurückgewinnen kann. Die ständigen Streitereien in der Koalition hätten dazu beigetragen, dass der Blick auf die SPD und die Ampel-Parteien so sei, wie er sei. Bei den Haushaltsberatungen sollten sich alle fragen, ob man "Sachen ein bisschen anders machen kann". Klingbeil machte dabei deutlich, dass Hilfen für die Ukraine nicht gegen notwendige Maßnahmen in Deutschland ausgespielt werden dürfen. "Da darf nicht gespalten werden. Sondern, das muss alles möglich sein, dass es finanziert wird."

Opposition fordert Vertrauensfrage - SPD weist Forderung zurück

Klingbeil wies zugleich die Forderung von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zurück, Kanzler Olaf Scholz (SPD) solle im Parlament die Vertrauensfrage stellen. Die SPD sei als Team angetreten, habe gemeinsam verloren und werde sich gemeinsam aus der Situation wieder herausarbeiten.

Spahn legt Kanzler Scholz Vertrauensfrage nahe

Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nahegelegt, nach dem schlechten Abschneiden der SPD und der anderen Ampel-Parteien bei der Europawahl die Vertrauensfrage zu stellen. Es sei die Frage, ob er diese stellen sollte, sagte Spahn am Sonntagabend in der ARD. "Die Ampel ist einmal mehr abgewählt worden." Scholz habe in der Bevölkerung keine Mehrheit mehr für seine Politik. Mit der Vertrauensfrage kann sich der Bundeskanzler vergewissern, ob er noch die Zustimmung der Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag hat. Findet der Antrag keine Zustimmung der Mehrheit, kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag auflösen, und es gibt Neuwahlen.

Kevin Kühnert: "Ein ganz bitteres Wahlergebnis"

Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat das Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl als "ein ganz bitteres Wahlergebnis" bezeichnet. "Für uns ist das heute eine harte Niederlage", sagte Kühnert am Abend des Europawahltages in der ARD.

Kühnert sagte, über die Person von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gebe es keine Diskussion zu führen. Die SPD hatte Scholz im Wahlkampf plakatiert. Ihn als eine zentrale Figur in Europa nicht zu plakatieren, wäre am Thema der Wahl vorbeigegangen. Es wäre ein ganz schlechter Stil, das desaströse Abschneiden der SPD nun einer Person in die Schuhe zu schieben. "Wir gewinnen zusammen, und wir verlieren zusammen." Sündenböcke würden in der SPD nicht gesucht.

Nun müsse die SPD auf Fehlersuche gehen und das Ergebnis ehrlich aufarbeiten, sagte Kühnert. Er versprach den Anhängerinnen und Anhängern: "Wir kommen zurück." Einen Grund für das Ergebnis sieht Kühnert darin, dass die SPD als stärkste Kraft in der Koalition für Ordnung sorgen, gleichzeitig aber ihr Profil zeigen müsse.

SPD-Spitze betont: Olaf Scholz bleibt Bundeskanzler

Trotz des Debakels für die SPD bei der Europawahl soll Olaf Scholz (SPD) nach Aussage von Parteichefin Saskia Esken Bundeskanzler bleiben. "Der Bundeskanzler steht an der Spitze dieser Regierung, die wir gemeinsam gebildet haben von drei Parteien, und das wird er auch weiterhin tun", sagte Esken am Sonntagabend in der ARD. "Er hat unser volles Vertrauen. Die SPD steht zusammen, und da können Sie sich auch darauf verlassen."

Esken kündigte an, die SPD wolle nun genau prüfen, womit sie nicht durchdringen könne. "Wir werden dieses Ergebnis, nicht ohne Fragezeichen zu stellen, natürlich auch analysieren", sagte Esken. Vor allem wolle die SPD aber ihre Politik und ihre Botschaften deutlicher machen und die Zusammenarbeit in der Ampel verbessern.

Der stellvertretende SPD-Bundestagsfraktionschef Achim Post hat das schlechte Abschneiden der SPD bei der Europawahl als Warnsignal bezeichnet. "Die Zahlen lügen nicht, und die Bundesregierung muss deutlich besser werden", sagte Post, der auch Co-Vorsitzender der NRW-SPD ist, am Montag im WDR5-"Morgenecho". Die Ampel in Berlin streite bei vielen Entscheidungen zu lange. "Also wir sind überhaupt nicht zufrieden und müssen gucken, dass wir wieder nach oben kommen."

Auf die Frage, ob die SPD ein Personalproblem mit ihrem Kanzler Olaf Scholz habe, antwortete Post: "Auf keinen Fall." "Ich bin dafür und alle, die ich kenne, sind dafür, dass es weiter geht mit dem Bundeskanzler. Er wird der Kanzlerkandidat und ich bin sicher, er wird auch wieder der Kanzler." Neuwahlen, wie sie in Frankreich Präsident Emmanuel Macron angekündigt hatte, seien dort nur ein "billiger Punkt", sagte Post. Das habe mit Deutschland nichts zu tun. Klar sei aber auch, dass die Positionen von Scholz im Wahlkampf nicht überall angekommen seien. Es gebe nun eine doppelte Erwartungshaltung an die SPD: "den Laden zusammenhalten" und die eigenen Themen "nach vorne bringen".

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/news.de/dpa

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