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Debatte um Taurus-Absage: Vorwurf der "Unwahrheit"? Grünen-Politiker kritisiert Scholz scharf

Bundeskanzler Olaf Scholz wird für sein Nein zur Taurus-Lieferung kritisiert. Bild: picture alliance/dpa | Christoph Schmidt

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Der russische Angriffskrieg in der Ukraine dauert seit über zwei Jahren an. Für die Ukraine sei es wichtig, weiterhin militärische Hilfen zu erhalten, wie zahlreiche Politiker und Experten zuletzt immer wieder betonten. In der Debatte um weitere Unterstützung hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz gegen eine Taurus-Lieferung ausgesprochen. Für seine Absage hagelt es Kritik, auch von einem Politiker aus der Ampel-Koalition.

Olaf Scholz gegen Taurus-Lieferung an Ukraine

Der Bundeskanzler begründete seine Weigerung mit dem Risiko einer Verwicklung Deutschlands in den Krieg. "Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. Auch nicht in Deutschland", sagte er bei einer Chefredaktionskonferenz der Deutschen Presse-Agentur. Aus seiner Sicht wäre der Einsatz von Taurus nur unter Beteiligung von deutschem Personal möglich. Seine Aussage kommt nach einem Gipfeltreffen mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macronam Montag (26. Februar). Macron hingegen sprach sich unter anderem für die Aussendung von Bodentruppen aus.

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Bundeskanzler handelt "unverantwortlich": Anton Hofreiter kritisiert Olaf Scholz scharf

Anton Hofreiter (Die Grünen), Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag, sprach mit Marietta Slomka am Dienstag (27. Februar) im "heute journal" von einem "offensichtlich" zerrütteten Verhältnis der beiden. Er warf dem französischen Präsidenten Verunsicherung vor und übte auch scharfe Kritik an Olaf Scholz. Er sagte, dass man auch die Lieferung von "Waffensystemen nicht ausschließen soll". Seiner Aussage nach hat Olaf Scholz "unverantwortlich" gehandelt. Laut Hofreiter muss man Putin mit "Härte" gegenüber treten, erst dann könne es Frieden geben. Hofreiter nannte Scholz' Absage im ZDF "eine Geste der Schwäche gegenüber (dem russischen Präsidenten Wladimir) Putin, die ganz krass ist". "Das ist ja direkt eine Einladung an Putin, weitere Länder anzugreifen, nach dem Motto: 'Wir können nichts tun, wir sind eh schwach.'" Er erwarte von Macron und Scholz, "dass sie angesichts dieser schwierigen Lage ernsthaft vorgehen und sich einigen". 

Hofreiter warnt vor Putin: Scholz' Schwäche macht Europa zum Sicherheitsrisiko?

"Die FDP und die Grünen-Vizevorsitzende gehen noch etwas weiter", sagt Slomka. "Sie bezichtigen ihn im Prinzip einer Falschaussage", erklärt die ZDF-Moderatorin. Lässt sich danach noch in der Koalition gemeinsam arbeiten, "wenn das so weit geht", will sie von Hofreiter wissen, "nein zu Taurus zu sagen." Was der Bundeskanzler sagte, stimme laut den Politikern nicht. Scholz' Aussage, für den Einsatz seien Bundeswehrsoldaten nötig, nannte der Grünen-Politiker "offensichtlich falsch". Denn Südkorea habe auch Taurus' und brauche dafür keine Bundeswehrsoldaten. "Für alle die sich auskennen, sagt er erkennbar die Unwahrheit". Für ihn sei "dieses "Signal der Schwäche" ein "noch größeres Problem". Dadurch kommt es zu einem "Sicherheitsrisiko für ganz Europa, und auch für Deutschland", sagt Hofreiter. Scholz wolle vor allem nicht die Kontrolle darüber verlieren, was die Bundeswehr mit den Taurus-Flugkörpern macht. Das seien die "haltlosen Ängste des Kanzlers, die die Ukraine weiter in Schwierigkeiten bringen", antwortete Hofreiter. Die ukrainischen Streitkräfte hätten sich immer an die Vorgaben gehalten und Waffen nur auf ihrem Gebiet genutzt, so der Grünen-Politiker. "Entweder er (Scholz, Anm. d. Red.) will nicht kontrollieren oder hat kein Vertrauen in die Ukrainer." Scholz argumentierte damit, dass Frankreich und Großbritannien zwei Atommächte seien und somit in einer ganz anderen Position als Deutschland seien, sagt Slomka. Mit der "Atomfrage" fällt Scholz auf das "gefährliche Narrativ" von Putin herein, meint Hofreiter. Für ihn sei klar: Scholz hat an der falschen SPD-Politik der letzten 20 Jahre festgehalten und müsse mehr Klarheit zeigen. Denn so lässt sich Putin zurückdrängen, sagt er. Mit "Schwäche" gelingt das nicht. In der Auseinandersetzung mit Putin brauche man keine "kindischen Streitereien", sondern Führungskraft, betont der Grünen-Politiker. "Und die hat der Kanzler mal wieder nicht gezeigt mit seiner Entscheidung."

Droht nach Olaf Scholz Taurus-Entscheidung der nächste Koalitionsstreit?

Im Netz wird über Scholz' Taurus-Entscheidung diskutiert. Nach Hofreiters Aussagen im "heute journal" rechnet ein Nutzer auf der Plattform X mit neuem Zoff in der Ampel-Koalition. "Das sind nur die haltlosen Ängste des Kanzlers" sagt Anton Hofreiter über das Zögern bei #Taurus im #heutejournal. Davor bezichtigt er Scholz auch ausdrücklich der Lüge über die Funktion des Systems. Der nächste große Koalitionsstreit ist da." Ein User analysiert die Entscheidung etwas differenzierter. "Wo Kanzler Scholz Recht hat: Die Frage der Munition ist wichtiger als alle anderen inklusive Taurus. Die sich immer auf eine Waffe konzentrierende Debatte wirkt auch für mich verdreht."

"Jedoch: 1. Die Ukraine braucht Taurus wirklich; 2. Aktuelle Argumente für die Nichtlieferung wirken weiterhin stark an den Haaren herbeigezogen; 3. Letztlich bleibt es halt dabei, dass sich Berlin bei dieser Frage auf Washington orientieren wird - wir wussten das die ganze Zeit und daran hat sich erwartungsgemäß nichts geändert. Das hat auch Präsident Selenskyj gestern bei seiner PK so angedeutet. Ich respekteire das, halte es aber angesehen der aktuell beispiellos starken Führungsrolle Deutschlands in Europa doch für bedauerlich."

Kritik an Scholz' Taurus-Absage

Andere Politiker kritisierten Scholz Taurus-Absage ebenfalls, darunter Ampel-Politiker wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) oder Katrin Göring-Eckardt. Sein Nein wird aber auch verteidigt. SPD-Fraktionschef Mützenich forderte Scholz' Kritiker bei FDP und Grünen auf, den Koalitionsstreit zu beenden. "Einige in der Koalition denken das Ende nicht mit. Wir leben in schwierigen Zeiten, vieles wankt. Dass jetzt manche meinen, auf persönliche Geländegewinne aus sein zu müssen, bringt niemandem etwas. Alle müssen sich jetzt zusammenreißen", sagte Mützenich dem Magazin "Stern". Er selbst wolle dem Kanzler Raum schaffen, um Entscheidungen abzuwägen und herbeizuführen. "Einige in der Koalition versuchen, diesen Raum einzuengen. Dafür ist leider auch der Umgang mit dem Ukraine-Krieg benutzt worden. Dass der Bundeskanzler diesem permanenten Druck nicht nachgibt, ist wichtig", meinte Mützenich. Bundesfinanzminister Marco Buschmann (FDP) deutete einen möglichen Mittelweg im Umgang mit Taurus-Lieferungen an. Er erkenne eine Brücke in dem, was Bundeskanzler Scholz gesagt habe, sagte der FDP-Politiker am Dienstagabend in der ARD-Sendung "Maischberger". Ein Weg könne vielleicht sein, "dass wir ukrainische Soldaten ausbilden, um mit diesem Waffensystem umgehen zu können, ohne dass es des Einsatzes deutscher Soldaten bedarf".

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/gom/news.de/dpa

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