Politik

Stephan Kramer: Jeder fünfte Deutsche "brauner Bodensatz"! Heftige Kritik an Thüringens Verfassungsschutzchef 

Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer sorgte nach dem AfD-Wahlsieg im Kreis Sonneberg für Empörung. Bild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bodo Schackow

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Mit 52,8 Prozent hatte sich der AfD-Politiker Robert Sesselmann bei der Landratswahl im Kreis Sonneberg in Thüringen gegen seinen CDU-Konkurrenten Jürgen Köpper durchgesetzt. Bundesweit liegt die Alternative für Deutschland in Umfragen derzeit bei 18 bis 20 Prozent. In einigen Bundesländern erzielt die Partei sogar noch deutlich höhere Werte. In einem Interview mit dem NDR äußerte sich Thüringens Verfassungsschutz-Chef Stephan Kramer zu den Wählern der AfD. Mit einer Aussage sorgte er jedoch für mächtig Zündstoff.

"Ungefähr 20 Prozent braunem Bodensatz in der Bundesrepublik!" Thüringens Verfassungsschutzchef hält jeden fünften Deutschen für rechtsextrem

"Man muss deutlich unterscheiden zwischen den Wählerinnen und Wählern der Partei und den Mitgliedern", sagte Kramer. Während AfD-Mitglieder wissen, wofür die Partei stehe und man sie durchaus als Rechtsextremisten bezeichnen könne, sei dies bei den Wählern anders. Thüringens Verfassungsschutzchef spricht von einer "bunten Mischung". "Es ist Wut, Frust, Enttäuschung, aber auch Angst. Aber es sind natürlich auch positive Resonanzen für völkisch-nationale Politik und Rechtsextremismus vorhanden", sagt er im NDR-Interview. Jedoch herrsche Ungewissheit darüber, wie groß der Anteil an Rechtsextremisten sei. "Wir sind bei ungefähr 20 Prozent braunem Bodensatz in der Bundesrepublik", führt Kramer aus. "Wenn man jetzt sieht, dass 53 Prozent die AfD gewählt haben, dann ist dazwischen noch eine Marge, die man durchaus erreichen kann." Im Klartext: Laut Kramer sei jeder fünfte Deutsche rechtsextrem.

Twitter wirft Thüringens Verfassungsschutzchef Volksverhetzung vor

Im Netz entfachte die Aussage einen Sturm der Entrüstung. "Moment, hör' ich das richtig, dass der Chef des thüringischen Verfassungsschutzes hier wortwörtlich sagt, dass jeder fünfte deutsche Wähler 'brauner Bodensatz' sei? Was ist das für eine Wortwahl, zumal in seinem Amt? Nur noch gruselig", heißt es in einem empörten Tweet. Andere werfen Stephan Kramer sogar Volksverhetzung vor.

Auch aus der Politik kommt harsche Kritik an den Aussagen von Stephan Kramer. FDP-Vize Wolfgang Kubicki zeigte sich irritiert. Derartige "pauschalen Ausgrenzungen" von Bürgern könnten "schnell Wasser auf die Mühlen der AfD sein", warnte er gegenüber der "Bild". "Dort wird man sich zufrieden die Hände reiben, wenn staatliche Institutionen verkünden, ein Fünftel der Bevölkerung ohnehin abgeschrieben zu haben." Thüringens Vize-Regierungschef Georg Maier hält die Aussagen von Kramer ebenfalls für "unglücklich". "Bei aller Emotionalität sollten wir darauf achten, dass wir in der Sprache sachlich bleiben und die AfD politisch stellen", sagte er der "Bild".

Grenzüberschreitung mit "braunem Bodensatz"-Aussage: Verfassungsrechtler kritisiert Stephan Kramer

Laut dem Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler habe Kramer mit seiner Äußerung eine Grenze überschritten. "Die Wortwahl ist für den Präsidenten einer Landesbehörde unangebracht", sagte er dem Blatt. "Das ist eine Bürgerbeschimpfung in einer polemischen Art und Weise. Als Politiker dürfte er so sprechen, als Präsident einer Landesbehörde nicht. Der Verfassungsschutz ist, ähnlich wie die Polizei, ein Machtapparat. Der hat neutral zu sein und sich nicht in die politische Meinungsbildung einzumischen."

Thüringer Verfassungsschutzchef erklärt den Begriff "Brauner Bodensatz"

"Die Formulierung 'brauner Bodensatz' erfordert sicherlich Einordnungsbedarf", sagte Kramer auf "Bild"-Anfrage. Für den Thüringer Verfassungsschutzchef sei es ein Sammelbegriff "für rechtsautoritäre, chauvinistische (Überlegenheit der eigenen Gruppe), völkisch-nationale, rassistische, ausländerfeindliche, antisemitische und revisionistische Einstellungen". Zudem verweist Kramer auf mehrere Studien über rechtsextreme Einstellungen in Deutschland.

Schockierende Studien-Ergebnisse veröffentlicht: 7,1 Prozent der Ostdeutschen haben "rechtsextremistisches Weltbild"

Eine Studie der Universität Leipzig offenbart jedoch eine erschreckend hohe Zustimmung zu rechtsextremen und migrationskritischen Einstellungen in Ostdeutschland. An der repräsentativen Umfrage nahmen insgesamt 3.546 Menschen teil. 26,3 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass Deutschland jetzt eine "starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert" brauche. 14 Prozent fanden die Aussage richtig: "Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert."

41,3 Prozent stellten sich voll und ganz hinter die Aussage: "Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen" und 36,6 Prozent hinter den Satz: "Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet." Ein "geschlossen rechtsextremistisches Weltbild" sehen die Autoren bei 7,1 Prozent der Befragten. Der Wert liegt etwas unter vergleichbaren Studien aus den Jahren 2002 bis 2010 sowie den Jahren 2012 bis 2020. Dennoch sei dies "ein sehr hoher Prozentsatz, mit dem eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für die Demokratie verbunden ist", heißt es in der Studie.

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