Donald Trump verurteilt: Urteil gefallen! Ist Trumps Rückkehr ins Weiße Haus damit vom Tisch?
Von Benno Schwinghammer, Christiane Jacke, Julia Naue und Magdalena Tröndle, dpa
10.05.2023 12.02
Ein ungläubiges Raunen ging am Dienstag, 09.05.2023, durch den Saal im 26. Stock des Gerichtsgebäudes in Downtown Manhattan. Vor den Fenstern glitzerte der East River, drinnen - unter einem von zehn massiven Kronleuchtern - wedelte ein Justizangestellter mit einem Zettel der Jury, der so früh nicht erwartet wurde. Darauf geschrieben stand nur ein handschriftliches Wort: "Verdict" - Urteil.
Donald Trump vor Gericht: Geschworene erklären Donald Trump für schuldig, Gericht verhängt Geldstrafe in Millionenhöhe
Nicht einmal drei Stunden hatten die neun Geschworenen in dem Fall gebraucht, um zu dem Schluss zu kommen, dass Donald Trump, der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, eine Frau sexuell missbraucht und ihr so viel Leid zugefügt hat, dass er fünf Millionen Dollar Strafe zahlen soll. Das Urteil gegen den Republikaner ist nur eines aus einer ganzen Reihe von rechtlichen Problemen für den 76-Jährigen, der bei der Präsidentenwahl 2024 wieder antreten will.
Donald Trump von US-Autorin Jean Carroll wegen Vergewaltigung verklagt
Es ist ein komplexer Fall: Die Autorin E. Jean Carroll hatte Trump vorgeworfen, er habe sie Mitte der 90er Jahre in der Umkleidekabine eines New Yorker Nobelkaufhauses vergewaltigt. Trump stritt die Vorwürfe seit jeher ab und warf Carroll wiederholt öffentlich vor, aus Gründen der Eigenvermarktung Lügengeschichten zu erfinden. Strafrechtlich sind die Vorwürfe verjährt, doch zivilrechtlich konnte die heute 79-Jährige gegen Trump vorgehen. Sie verklagte ihn wegen Körperverletzung und Verleumdung und verlangte eine Entschädigung. Und sie erreichte einen bedeutsamen Erfolg: Die Geschworenen wiesen zwar den Vergewaltigungsvorwurf ab, kamen aber zu der Einschätzung, dass Trump Carroll sexuell missbraucht und verleumdet hat.
Donald Trump verurteilt wegen sexuellen Missbrauchs und Verleumdung
Schon kurz vor der Verkündung der Entscheidung war Donald Trumps Verteidigern an diesem Tag die Anspannung anzumerken. Sein Anwalt Joseph Tacopina streifte von der einen Seite des dunkel vertäfelten Gerichtssaals in Manhattan zur anderen, grüßte fahrig in den Zuschauerraum. Nur eine Reihe vor ihm saß die Anklägerin Jean Carroll und zeigte wie schon während des Prozesses kaum eine körperliche Regung.
Als sie am Ende das Gerichtsgebäude verließ und schweigend an den wartenden Reportern vorbeiging, stand Jean Carroll ein Lächeln ins Gesicht geschrieben Die Anwältin an ihrer Seite, Roberta Kaplan, sagte im Vorbeigehen: "Wir sind sehr zufrieden." Dann stiegen beide in einen dunklen SUV und fuhren davon.
Trump tobt nach Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs: "Größte Hexenjagd aller Zeiten!"
Trump selbst erschien nicht persönlich vor Gericht, machte seinem Zorn jedoch aus der Ferne Luft und polterte auf seiner Twitter-Alternative Truth Social los. "Dieses Urteil ist eine Schande - eine Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten", schrieb der verurteilte Ex-Präsident dort in Großbuchstaben unmittelbar nach Bekanntgabe der Entscheidung. Und weiter: "Ich habe absolut keine Ahnung, wer diese Frau ist."
Donald Trump vor Präsidentschaftswahlkampf als misogyn gebrandmarkt
Kurz nach dem Urteilsspruch erschien Trumps Anwalt Tacopina vor dem Gerichtsgebäude und kündigte an, Berufung gegen die Entscheidung einzulegen. Über seinen Mandanten sagte er: "Er ist stark. Er ist bereit weiterzumachen. Er wird mit einer Berufung dagegen ankämpfen." Tacopina sprach von einem inkonsistenten und "merkwürdigen Urteil". Immerhin sei Trump "nicht als Vergewaltiger gebrandmarkt", schob er nach.
Das mag stimmen. Doch als "predator" - der Begriff bedeutet wörtlich eigentlich Raubtier und wird in den USA häufig für Sexualstraftäter verwendet - ist Trump trotzdem gebrandmarkt. Als ein Mann, der im Umgang mit Frauen keine Grenzen kennt und aus seiner abschätzigen Haltung ihnen gegenüber im Übrigen auch keinen Hehl macht. Trump sagte zwar nicht während der Verhandlungstage vor Gericht aus, stand aber Carrolls Anwältin in dem Verfahren vorab Rede und Antwort. Ein 48-minütiges Video der Vernehmung wurde vor wenigen Tagen veröffentlicht. Darin wiederholte Trump verächtliche Aussagen über Carroll und andere Frauen, die ihm in der Vergangenheit sexuelle Übergriffe vorgeworfen haben.
Donald Trump trotz misogyner Aussagen zum Präsidenten gewählt - wie sehr schadet das aktuelle Urteil seinem Wahlkampf?
Und er verteidigte auf bemerkenswerte Weise seine Äußerung, als Prominenter könne man Frauen überall anfassen, wenn man das wolle - auch an ihren Genitalien. "Wenn Sie sich die letzten Millionen Jahre ansehen, ist das wohl weitgehend wahr, nicht immer, aber weitgehend wahr. Leider - oder zum Glück", sagte Trump dazu in dem neuen Video.
Eine Tonaufnahme mit seiner vulgären Aussage war erstmals mitten im Wahlkampf 2016 aufgetaucht. Die Amerikaner wählten Trump trotzdem zum Präsidenten. Auch viele andere Skandale brachten den Republikaner in der Vergangenheit politisch nicht zu Fall. Insofern ist fraglich, ob Trump das nun ergangene Urteil nachhaltig schadet.
Zivilklage ohne Konsequenzen für Trumps Wahlkampf - nutzt der Ex-Präsident das Missbrauchsurteil zu seinem Vorteil?
Da es sich um ein Zivilverfahren handelt, ging es von Anfang an nicht um eine Haftstrafe, sondern um eine finanzielle Entschädigung. Rein rechtlich hat die Entscheidung damit keinerlei Einfluss auf den Wahlkampf. Und politisch? Während es in Deutschland unvorstellbar wäre, dass ein Politiker, der vor Gericht für sexuellen Missbrauch haftbar gemacht wird, ins Kanzleramt vorrückt, scheint das in den USA keinesfalls ausgeschlossen. Trumps Sicht auf Frauen ist spätestens seit 2016 bekannt. Dass sich an seiner Haltung nicht das Geringste geändert hat, hat er in diesem Verfahren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.
Teile seiner Wählerbasis sind ohnehin so indoktriniert, dass sie sich durch jedes rechtliche Vorgehen gegen Trump nur in ihrem Eifer bestärkt fühlen. Sie folgen Trumps Narrativ, dass alles, was gegen ihn vorgebracht wird, Teil eines politischen Komplotts ist, um seinen Wiedereinzug ins Weiße Haus zu verhindern. Trump hat in den vergangenen Monaten diverse juristische Ermittlungen gegen sich dafür genutzt, um seine Anhänger anzustacheln und Spenden zu sammeln. Das dürfte er auch jetzt wieder tun - und dabei betonen, dass er nicht für Vergewaltigung verantwortlich gemacht wurde.
Wie reagieren Donald Trumps republikanische Weggefährten auf das Missbrauchsurteil?
Kaum war das Urteil gegen Donald Trump publik geworden, waren aus dem Lager der US-Republikaner Reaktionen zu vernehmen, die gemischter nicht hätten ausfallen können. Asa Hutchinson beispielsweise, der bis Januar 2023 das Amt des Gouverneurs von Arkansas bekleidete, begrüßte das Urteil gegen Trump ebenso wie sein Parteikollege Mo Brooks, der auf Twitter schrieb: "Schuldig! Die Republikaner können es sich nicht leisten, einen mehrfachen Sexualtäter als Präsidentschaftskandidaten für 2024 zu haben. Es beleidigt die Wähler. Amerika braucht den stärksten republikanischen Kandidaten - Trump ist es nicht."
Republikaner wie Vivek Ramaswamy, der ebenfalls als Präsidentschaftskandidat antreten will, schlugen sich hingegen auf Trumps Seite und unterstützten die Behauptungen des Ex-Präsidenten, er sei Opfer einer politischen Hetzjagd geworden. "Wenn der Angeklagte nicht Donald Trump geheißen hätte, würde man dann heute überhaupt über den Fall reden? Würde es überhaupt eine Anklage geben?", stellte Ramaswamy in den Raum.
Diese juristischen Hürden könnten Trumps Rückkehr ins Weiße Haus noch verhindern
Auch wenn der Jury-Beschluss Trumps moralische Bürde weiter vergrößert - politisch und rechtlich könnten ihm andere Verfahren gefährlicher werden. Gegen Trump laufen Ermittlungen zu seinem Umgang mit geheimen Regierungsunterlagen und zu seinen Bemühungen, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 zu manipulieren. Käme es hier zu einer Anklage und womöglich zu einer Verurteilung, könnte Trump richtig in Schwierigkeiten geraten. Eine andere Anklage gegen ihn steht bereits: Als erster Ex-Präsident in der US-Geschichte muss sich Trump in einem Strafverfahren verantworten, ebenfalls in New York - wegen Schweigegeldzahlungen an Pornostar Stormy Daniels, die Trump in Geschäftsunterlagen zu verschleiern versucht haben soll.
Deshalb will Donald Trump unbedingt zurück ins Weiße Haus
Wer sich wundert, dass jemand bei dermaßen viel juristischem Ballast überhaupt noch politische Ambitionen zeigt, der kennt Trump schlecht. Seine Kritiker argumentieren, er strebe das Präsidentenamt als Schutzschild vor Strafverfolgung an. Sein Anwalt Tacopina dagegen sagt draußen vor dem Gericht, Trump sei einfach "nicht unterzukriegen". Und zur weiteren Strategie: "Er macht weiter, wie er es immer tut."
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loc/news.de/dpa