Ukraine-Krieg heute im News-Ticker: Atomwaffen: Selenskyj wirft Russland Realitätsverlust vor
Erstellt von Tobias Rüster
31.03.2023 20.26
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach mehr als 400 Tagen des Kriegs gegen Russland eine nüchterne, aber dennoch positive Bilanz gezogen. Derweil rekrutierten die Söldner der Wagner-Gruppe einen Mörder für ihren Ukraine-Kampf - nach seiner Heimkehr und Freilassung tötete dieser nun erneut.
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+++ Atomwaffen: Selenskyj wirft Russland Realitätsverlust vor +++
Die beabsichtigte Stationierung taktischer Atomwaffen Russlands in Belarus ist für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ein Zeichen, dass das Treffen von Kremlchef Wladimir Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping nicht von Erfolg gekrönt war. "Man hätte Russland einen Sinn für Realität aufzeigen müssen, den das Land unter Präsident Putin völlig verloren hat", zitierte die "Ukrajinska Prawda" Selenskyj am Freitag am Rande seines Besuchs im Kiewer Vorort Butscha. Putin hatte Xi in der Vorwoche in Moskau empfangen.
Putin habe es nicht geschafft, auf dem Schlachtfeld Erfolge zu erzielen, sagte Selenskyj zu den vermutlichen Hintergründen der Stationierung von Atomwaffen im benachbarten Belarus. "Es geht auch darum, dass er sich nicht um unsere Menschen kümmert und sie tötet, aber er verschont auch die eigenen Leute nicht."
Zudem habe Belarus' Machthaber Alexander Lukaschenko jede Eigenständigkeit verloren, meinte Selenskyj. "Er entscheidet, glaube ich, nicht mehr, welche Waffen sich auf seinem Territorium befinden."
Putin hatte zuletzt vor dem Hintergrund starker Spannungen mit dem Westen infolge des Ukraine-Kriegs angekündigt, taktische Atomwaffen in der benachbarten Ex-Sowjetrepublik Belarus zu stationieren. Er begründete die Stationierung damit, dass die USA seit Jahren Ähnliches in Europa täten.
+++ Strack-Zimmermann: Waffenstillstand in Ukraine nicht ausreichend +++
Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hält einen Waffenstillstand nicht für die ultimative Lösung im Ukraine-Krieg. So ein Szenario alleine sei mit Sicherheit nicht genug. "Putin würde seine Armee wieder aufbauen, um erneut anzugreifen", sagte die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses der "Westdeutschen Zeitung" (Samstag) mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Er war 2014 militärisch noch nicht dazu in der Lage. Er hat die Zeit seitdem genutzt, weil er registrierte, dass der Westen wenig bis gar nicht auf seinen Angriff auf den Donbass reagiert hat", sagte sie mit Blick auf die Konflikte in der Ostukraine nach der Annexion der Krim durch Russland.
Es müsse ihrer Ansicht nach einen Friedensvertrag geben, betonte Strack-Zimmermann. "Nach diesen Zerstörungen, diesem unglaublichen Blutzoll geht das gar nicht anders. Wie wollten Sie etwas anderes den Nachkommen der Opfer erklären?". Unter keinen Umständen dürfe es aber einen Diktatfrieden geben. Denn die Geschichte lehre, dass ein Diktatfrieden nur erneute Kriege zur Folge gehabt hätte. "Es muss darauf hinauslaufen, dass Putin seine Armee zurückzieht und die Grenzen der Ukraine wieder hergestellt werden, dazu gehört völkerrechtlich die Krim", betonte die FDP-Politikerin.
+++ Kiew: Russisches Militär greift erneut zivile Ziele an +++
Die ukrainische Militärführung hat den russischen Streitkräften vorgeworfen, sich erneut auf zivile Ziele zu konzentrieren. "Nachdem der Feind auf dem Schlachtfeld nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt hat, fährt er fort, die Zivilbevölkerung unseres Landes zynisch zu terrorisieren", hieß es im allabendlichen Lagebericht des ukrainischen Generalstabs am Freitag.
Unter anderem seien die Stadt Saporischschja sowie andere Orte mit ballistischen Raketen angegriffen worden. Mindestens sechs sogenannte Kamikaze-Drohnen seien von der ukrainischen Flugabwehr abgeschossen worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.
Die russischen Bodentruppen setzten nach Angaben der Generalität in Kiew ihre Angriffe bei Awdijiwka, Marjinka und Bachmut im Osten des Landes fort. Rund um die seit Monaten schwer umkämpfte Stadt Bachmut versuchten russische Truppen demnach weiter, den Ort vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Bachmut wird von drei Seiten bedrängt.
+++ Ukraines Luftwaffe setzt "intelligente" Bomben ein +++
Als Teil der Militärhilfe aus dem Westen stehen der ukrainischen Luftwaffe jetzt sogenannte intelligente Bomben zur Verfügung. "Wir haben jetzt Bomben, die sich JDAM nennen", sagte Luftwaffensprecher Juri Ihnat am Freitag im Fernsehen. JDAM (Joint Direct Attack Munition) sind im Prinzip in den USA entwickelte Rüstsätze für herkömmliche Bomben, die durch ein Navigationssystem zu hochpräzisen Waffen werden.
"Diese Bomben sind zwar etwas weniger leistungsfähig, dafür aber außerordentlich treffsicher", sagte Ihnat. "Wir hätten gerne mehr von diesen Bomben, um an der Front erfolgreich zu sein."
Das russische Militär setze seit einiger Zeit ebenfalls gelenkte Bomben ein, sagte Ihnat. Dabei handle es sich meist um Bomben des Typs FAB-500 aus Sowjetzeiten, die mit Seitenflossen und Navigationssystem modernisiert wurden. Diese umgerüsteten Bomben seien jedoch "nicht besonders präzise".
+++ Russischer Generalstab: Genug Kräfte für Krieg ohne neue Mobilmachung +++
Russland will den Krieg gegen die Ukraine nach Angaben des Generalstabs in Moskau mit Freiwilligen und ohne eine neue Teilmobilmachung gewinnen. "Gegenwärtig hat die Zahl der Bürger deutlich zugenommen, die sich entschieden haben, freiwillig am Kriegsdienst per Vertrag teilzunehmen", sagte Konteradmiral Wladimir Zimljanski vom Generalstab am Freitag in Moskau. "Ich möchte versichern, dass der Generalstab keine zweite Welle der Mobilmachung plant." Jene, die schon einberufen seien, und die Freiwilligen seien "völlig ausreichend für die Erfüllung der gestellten Aufgaben".
In der Bevölkerung sind Ängste verbreitet, dass es angesichts der massiven Verluste in der Ukraine zu einer neuen Zwangseinberufung von Reservisten für den Krieg kommen könnte. Viele Menschen glauben den Beteuerungen des Kreml in Moskau nicht, dass keine neue Mobilmachung vorgesehen sei. Offenbar setzt der Machtapparat darauf, dass sich viele Russen aus der Not heraus, Geld für ihre Familien verdienen zu müssen, auf den vergleichsweise gut bezahlten Kriegsdienst einlassen.
Nach Darstellung des russischen Generalstabs hat das Verteidigungsministerium die Zahl der Anwerbepunkte im Land ausgeweitet. Im Einsatz seien auch mehr "Instrukteure für die Arbeit mit Kandidaten", sagte Zimljanski. Westliche Experten sprechen dabei von einer verdeckten Mobilmachung, weil Russland Bürger unter Druck setze, sich für den Kriegsdienst in der Ukraine zu verpflichten. Eine von Kremlchef Wladimir Putin angeordnete Mobilmachung im vergangenen Herbst hatte eine Massenflucht von Russen ins Ausland ausgelöst. Mehr als 300 000 Männer waren eingezogen worden.
Als ein Weg, Russen für den Kampfeinsatz in der Ukraine zu gewinnen, gilt auch die Anwerbung unter Soldaten, die ihren Wehrdienst abgeschlossen haben. An diesem Samstag beginnt in Russland die Frühjahreseinberufung zum Grundwehrdienst. 147 000 Männer im Alter zwischen 18 und 27 Jahren sollen eingezogen werden. Das sind etwa zehn Prozent mehr als vor einem Jahr. Der Wehrdienst dauert ein Jahr. Grundwehrdienstleistende würden allerdings nicht an die Front geschickt, betonte Zimljanski, nachdem es im vergangenen Jahr zum Entsetzen vieler Russen doch solche Fälle gegeben hatte.
+++ Wagner-Söldner rekrutieren Mörder - nach seiner Heimkehr tötet er erneut +++
Auch durch ihr Vorgehen, die eigenen Reihen mit Gefängnisinsassen aufzustocken, genießen die Söldner der Privatarmee "Wagner" einen geradezu grausamen Ruf. Selbst Mörder, Pädophile und Vergewaltiger sollen sie für den Ukraine-Krieg rekrutiert haben. Nach Angaben von Wagner-Boss Prigoschin sollen bereits 5000 ehemalige Sträflinge nach ihrem mehrmonatigen Kriegseinsatz als Söldner begnadigt worden sein. Einer von ihnen, sitzt jetzt wieder hinter Gittern, wie berichtet wird.
Iwan Rossomachin, verurteilter Mörder und zuletzt als Wagner-Söldner im Ukraine-Krieg im Einsatz, beging nach seiner Rückkehr aus dem Kriegsgebiet einen weiteren Mord. Wenige Tage nach seiner Heimkehr in das Dorf Novyj Burets sei er festgenommen worden, berichten russische Medien. In einem Nachbarort (Wjatskije Poljany) sei die Leiche einer Rentnerin entdeckt worden, die Stichverletzungen aufgewiesen habe. Rossomachin soll die Tat bereits gestanden haben. Bereits zuvor soll der ehemalige Wagner-Söldner Gewalttaten angekündigt haben. Mit Mistgabel und Axt seit der Mann durch das Dorf gerannt, berichteten Zeugen.
+++ Selenskyj: 400 Tage des umfassenden Widerstands +++
Die Ukraine habe "die schlimmsten Tage" des russischen Angriffs im Februar des Vorjahres überstanden. "Wir haben auch diesen Winter überlebz", erinnerte Selenskyj an die massiven russischen Luft- und Raketenangriffe gegen die Infrastruktur der Ukraine. "Hinter diesen Worten steckt eine gewaltige Anstrengung." Die Ukraine habe in den vergangenen Monaten mit der Rückeroberung großer Gebiete ihren Heldentum bewiesen, sagte Selenskyj. "Wir bereiten unsere nächsten Schritte, unsere neuen Aktionen vor, wir bereiten uns auf unseren baldigen Sieg vor."
Selenskyj verwies darauf, dass die Erfolge der Ukraine auch mit Hilfe der westlichen Partner möglich geworden seien. "Heute, am 400. Tag des Widerstands, des umfassenden Widerstands, möchte ich allen in der Welt danken, die an der Seite der Ukraine stehen", sagte er.
+++ Polen liefert keine Kampfjets aus DDR-Beständen in die Ukraine +++
Polen will zunächst keine Kampfjets aus früheren DDR-Beständen in die Ukraine liefern. Die vier Mig-29 sowjetischer Bauart, deren Lieferung die polnische Regierung bereits vor zwei Wochen angekündigt hat, stammten nicht aus Deutschland, stellte der Sicherheitsberater des polnischen Präsidenten Andrzej Duda, Jacek Siewiera. Damit steht fest, dass die Bundesregierung der Lieferung auch nicht zustimmen muss. Im Jahr 2002 hatte Deutschland 23 Kampfjets vom Typ Mig-29 an Polen verkauft. Die Luftwaffe habe heute noch etwa ein Dutzend davon, sagte Siewiera. "Und die werden zunächst im Dienste der polnischen Streitkräfte bleiben."
+++ US-Militär: Mehr als 7000 Ukrainer in vergangenen Monaten ausgebildet +++
Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine bildeten die USA nach eigenen Angaben mehr als 7000 Mitglieder der ukrainischen Streitkräfte aus. Das Training sei an verschiedenen Standorten im In- und Ausland erfolgt, darunter in Deutschland, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder. Erst in den vergangenen Tagen hätten 65 Ukrainer im Bundesstaat Oklahoma ihre Ausbildung am Flugabwehrsystem Patriot abgeschlossen und seien nun wieder in Europa. Das Patriot-System zählt zu den modernsten Flugabwehrsystemen der Welt. Ryder betonte, die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte sei eine internationale Anstrengung. Derzeit würden mehr als 11.000 Ukrainer in 26 Ländern trainiert.