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Cem Özdemir: Eklat um Werbeverbot-Gesetz: Darum schocken seine Pläne das Netz

Cem Özdemir will Kinder per Gesetz vor Werbung von ungesunden Lebensmitteln schützen. Bild: picture alliance/dpa | Wolfgang Kumm

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An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett und Salz soll nach Plänen von Bundesernährungsminister Cem Özdemir per Gesetz eingedämmt werden. Das geht aus einem Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hervor. Eine konkrete Umsetzung gibt es noch nicht, doch die Pläne werden bereits vorab in einem Medienbericht zu einem Skandal erhoben.

Cem Özdemir will Kinder mit Werbeverbot vor süßem und ungesundem Essen schützen

Mit Blick auf Unter-14-Jährige sollen dafür Werbeverbote in "allen für Kinder relevanten Medien" kommen - und zwar nicht nur für reine Kindersendungen, sondern von 6.00 Uhr bis in den späten Abend um 23.00 Uhr. "Wir müssen dafür sorgen, dass Kinder gesünder aufwachsen können", sagte der Grünen-Politiker am Montag in Berlin.

Özdemir sagte, bisherige freiwillige Selbstverpflichtungen hätten versagt. "Warum lassen wir es zu, dass Kinder im Schnitt täglich 15 Werbespots für Zuckerbomben, für salzige und fettige Snacks sehen?" Kinder seien besonders empfänglich für Werbung, die sie oft auch nicht als solche erkennen könnten. Dabei seien 15 Prozent der Drei- bis 17-Jährigen hierzulande übergewichtig, woraus ein erhöhtes Risiko für Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen folgen könne. Und in der Kindheit festigten sich Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten.

Diese Pläne beinhalten Cem Özdemirs geplantes Werbeverbot

Die Werbeverbote sollen dann auf breiter Front greifen: In Presse, Radio und Fernsehen, im Internet samt Streaming, sozialen Netzwerken, für Influencerinnen und Influencer. Dass eine Werbung an Kinder gerichtet ist, lässt sich laut Ministerium etwa an Kindern als Darstellern und Produkten mit Farben und Kindermotiven festmachen. Im Fernsehen sind mit der langen Zeitspanne von 6.00 bis 23.00 Uhr auch Familienfilme oder Fußballspiele im Abendprogramm eingeschlossen. Vom Verbot umfasst sein sollen Spots für Salziges und Fettiges in der Halbzeit dann auch, wenn sie nicht mit Kinderoptik gestaltet sind. Kommen soll das Verbot außerdem auch für Außenwerbung auf Plakaten in einer "Bannmeile" von 100 Metern um Schulen, Kitas, Spielplätze und Freizeiteinrichtungen für Kinder - und für Sponsoring, das sich etwa bei Veranstaltungen an Kinder richtet. Özdemir betonte, es gehe nicht um ein generelles Reklameverbot. Auch für Chips und Schokolade dürfe weiter geworben werden, nur eben nicht gezielt an Kinder gerichtet. Hersteller könnten auch Rezepturen verändern. Eltern sollten darin unterstützt werden, eine bessere "Ernährungsumgebung" für Kinder zu schaffen.

Skandal um Milch-Verbot? Diese Lebensmittel fallen unter den Gesetzentwurf

Als Messlatte, ab wann Produkte "zu viel" Salz, Fett und Zucker enthalten, sollen Nährwertprofile der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dienen, die auf Regulierungen für Kinder zielen. Dabei handelt es sich um Höchstwerte für mehrere Kategorien, die beispielsweise bei Frühstückscerealien wie Müslis nicht mehr als 15 Gramm Zucker pro 100 Gramm vorsehen. Überschreiten Produkte die empfohlenen Profile, dürfen sie also nicht mehr für Kinder angepriesen werden. Die "Bild"-Zeitung will angeblich wissen, welche Lebensmittel bei Nichteinhaltung der geplanten Regelungen unter das Werbe-Verbot fallen. Neben Energydrinks, Gebäck, Kuchen, Saft, süßen Aufstrichen, Schokolade und zucker- und salzhaltigen Knabberartikeln sollen auch Milch, Milchgetränke, Pflanzendrinks und Milchprodukte wie Quark, Butter oder Käse vom Verbot betroffen sein. Sie dürfen laut dem Medienbericht nur noch 20 Gramm Fett enthalten, um weiter beworben zu werden. Wer gegen das Verbot verstößt, soll offenbar bis zu 30.000 Euro Bußgeld zahlen.

Was der Artikel aber nicht benennt. Laut dem Ministerium soll Werbung für Milch und normale Obstsäfte, "ohne zusätzlichen Zucker oder Süßungsmittel", von den Regelungen ausgenommen werden.

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Kritik an Verbots-Plänen durch Cem Özdemir

Aus der Wirtschaft, von der Opposition und auch von der mitregierenden FDP kam Kritik. Genau diese wurde in dem "Bild"-Artikel fokussiert. "Die alte Verbotspartei ist zurück. Die Grünen entpuppen sich als nicht markwirtschaftstauglich. Es geht nicht darum, die Kinder zu schützen, sondern die Erwachsenen zu erziehen", sagteChristoph Minhoff, Geschäftsführer des Dachverbands der deutschen Lebensmittelindustrie. FDP-Fraktionsvize Carina Konrad sagte dazu gegenüber dem Boulevardblatt: "Pauschale Verbote von Werbung, die die Kinder regelrecht abschirmen sollen, übergehen die wahren Kernprobleme von ungesunder Ernährung und sind keine Lösung. Für eine solche Politik gibt es keine Mehrheit."Fachpolitiker Gero Hocker (FDP) mahnte, ein Werbeverbot dürfe sich "nicht an willkürlich festgelegten Uhrzeiten orientieren, sondern muss am tatsächlichen Zuschaueranteil von Kindern festgemacht werden".

Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft kritisierte eine "untaugliche Verbotspolitik", die in Kauf nehme, die Refinanzierung von Medien und Sport weitgehend zu beschädigen und den Wettbewerb auszuschalten. Die Verbände der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger betonten, zur Finanzierung der Presse seien Werbeeinnahmen weiterhin unverzichtbar. Der Lebensmittelverband warnte vor symbolischen Maßnahmen. Die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion von CDU/CSU, Gitta Connemann (CDU) kritisierte "Bevormundung pur". Nicht Werbung sei das Problem, sondern übermäßiger Konsum.

Lauterbach und Co. begrüßen Werbeverbot

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unterstützte Özdemir. Oft beginne eine chronische Krankheit in der Kindheit, ungesunde Ernährung sei häufig der Anfang. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch begrüßte den Gesetzesvorschlag. "Wir wollen Kinder besser vor Werbung schützen, damit ungesunde Lebensweisen gar nicht erst normalisiert werden." Grünen-Expertin Renate Künast wies auf hohe gesellschaftliche Kosten von Krankheiten hin. Die FDP meldete dagegen erhebliche Einwände an.

Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten, der Verbände und medizinische Fachgesellschaften angehören, begrüßte den umfassenden Ansatz als "Meilenstein für die Kindergesundheit". Viele beliebte Sendungen bei Kindern seien Familienshows und Fußballübertragungen. Die Verbraucherorganisation Foodwatch hob hervor, Özdemir mache endlich Schluss mit dem lange erfolglosen Prinzip der Freiwilligkeit.

Medienbericht über Cem Özdemirs Verbotspläne schocken Twitter-Nutzer

Das geplante Werbeverbot schlägt nach dem Artikel hohe Wellen. In den Kommentaren bei Twitter hetzen viele wieder gegen die Grünen. Viele Nutzer verurteilen aber die Zeitung für ihren Bericht und bezeichnen ihn sogar als "Klick Bait Story". Zwischen den ganzen verbalen Angriffen auf Özdemir danken ihm auch viele. "Was eine tolle Offensive! Ich bin aktuell kein Wähler Ihrer Partei, finde dieses Vorhaben aber mehr als überfällig und wichtig für die Gesundheit der Kinder und auch Erwachsenen. Danke für dieses Engagement", schreibt ein Twitter-Nutzer. "Kann Özdemir nur beipflichten, wie viel Werbung ich für ungesundes Zeugs sehe ist abartig und noch schlimmer sind die fetten Leute, die ich draußen beim einkaufen genau dieser Artikel sehe. Diabetes lässt grüßen", heißt es in einem weiteren Kommentar.

Cem Özdemir hat kurz nach der Veröffentlichung auf den "Bild"-Artikel reagiert. Er schrieb: "Liebe @Bild, ich befürchte, da seid Ihr auf die lange vorgefertigten Sprechzettel von Leuten reingefallen, die den notwendige Kinderschutz in der Werbung aufhalten wollen. Das Gute: Ihr könnt es korrigieren."

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/hos/news.de/dpa

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