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Bürgergeld-Zoff: Ampel-Koalition knickt vor Gipfel ein! Empfängern drohen härtere Sanktionen

Beim Bürgergeld gibt es einiges zu beachten (Symbolfoto) Bild: AdobeStock/ domoskanonos

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Der Streit um das Bürgergeld beschäftigt Ampel-Koalition und Opposition seit Wochen. Die Bundesregierung pocht darauf, dass der Hartz IV-Nachfolger im Januar 2023 kommt, die Landesregierungen mit Führung oder Beteiligung der Union stellten sich quer. Zuletzt hatten sie damit Erfolg. In einer Sondersitzung des Bundesrats erhielt der Gesetzesentwurf nicht die erforderliche Mehrheit. Vorab sollen sich Union und Bundesregierung über die Sanktionsregelungen geeinigt haben.

Union und Ampel machen Weg für Bürgergeld frei

Nach tagelangem Ringen haben die Ampelkoalition und die Union den Weg für das geplante Bürgergeld freigemacht. Beide Seiten erzielten in den Streitfragen zu der geplanten Sozialreform Kompromisse, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag (22.11.2022) aus Koalitionskreisen in Berlin.

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat soll an diesem Mittwoch (23.11.2022) einen Kompromiss festzurren. Bis Freitag sollen Bundestag und Bundesrat das Bürgergeldgesetz beschließen. Zum 1. Januar sollen dann die Bezüge etwa von Alleinstehenden um mehr als 50 Euro auf 502 Euro steigen.

Union forderte härtere Sanktionen - so sieht der Kompromiss aus

Die Union hatte darauf gepocht, dass es mehr Sanktionen für Empfängerinnen und Empfänger gibt als ursprünglich geplant. Solche Leistungsminderungen sollen greifen, wenn Arbeitslose sich zum Beispiel nicht für einen Job bewerben, obwohl dies mit dem Jobcenter vereinbart war. Die Ampel hatte eine "Vertrauenszeit" von sechs Monaten vorgesehen, in denen es diese Sanktionen nicht geben sollte. Auf diese Vertrauenszeit wird nun komplett verzichtet. Stattdessen sollen von Anfang an Leistungsminderungen greifen, wenn Arbeitslose sich zum Beispiel nicht für einen Job bewerben, obwohl dies mit dem Jobcenter vereinbart war. Dafür wurde ein Stufenmodell vereinbart.

Zudem hatten CDU und CSU gefordert, dass Betroffene weniger eigenes Vermögen behalten dürfen, wenn sie die staatliche Leistung erhalten. Die Ampel hatte ein Schonvermögen von 60.000 Euro geplant. Der Kompromiss sieht nun einen Betrag von 40.000 Euro für die erste Person einer Bedarfsgemeinschaft vor und 15.000 Euro für jede weitere. Es gilt eine Karenzzeit von einem Jahr - die Ampel hatte zwei Jahre gewollt. In dieser Zeit müssen Leistungsbezieher das Ersparte nicht aufbrauchen. Die Altersvorsorge wird davon komplett ausgenommen und geschützt.

Die FDP hatte Grüne und SPD zuvor zu Kompromissen aufgefordert. Auch "noch attraktivere Hinzuverdienstregeln" sollten dabei in den Blick kommen. Laut bisherigem Entwurf soll künftig mehr von seinem Einkommen behalten können, wer zwischen 520 und 1.000 Euro verdient.

Union hält Gesetz zum Bürgergeld jetzt für zustimmungsfähig

Nach dem Kompromiss mit der Ampel-Koalition zum umstrittenen Bürgergeld halten CDU und CSU das Gesetz jetzt für akzeptabel. Zu seiner Überraschung sei die Ampel-Koalition sehr weitgehend bereit gewesen, Kompromisse zu machen, sagte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz am Dienstag in Berlin. "Damit ist das Gesetz, so wie es jetzt in dieser Form vorliegt, aus unserer Sicht zustimmungsfähig." Dies werde er, wenn der Vermittlungsausschuss dem Gesetz so zustimmen werde, auch der Unionsfraktion vorschlagen.

"Dieses Gesetz wird weiter den Namen Bürgergeldgesetz tragen. Aber es wird nicht mehr dem Inhalt nach das Bürgergeld sein, das die Koalition ursprünglich geplant hat." Merz verwies darauf, das die vorgesehene Vertrauenszeit, in der es keine Sanktionen geben sollte, komplett gestrichen worden sei. Verweigere ein Leistungsbezieher die Mitwirkung, werde es vom ersten Tag an Sanktionen geben. Die Leistungen würden im ersten Monat um 10 Prozent gekürzt, im zweiten Monat um weitere 10 Prozent und ab dem dritten Monat der Mitwirkungsverweigerung um 30 Prozent.

"Opposition wirkt", sagte der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt. "Wir haben in den Verhandlungen schwere Systemfehler im Hartz-IV-Update, das ja missverständlich als Bürgergeld bezeichnet wird, also schwere Fehler im Hartz-IV-Update beseitigen können." Die größten Fehler seien fehlende Sanktionen, ein überzogenes Schonvermögen und eine zu lange Karenzzeit gewesen. Unions-Verhandlungsführer Hermann Gröhe (CDU) betonte: "Der von der Ampel - in Sonderheit von SPD und Grünen - gewünschte Systemwechsel findet nicht statt."

Sozialverband warnt vor Sanktionen beim Bürgergeld

Der Sozialverband warnte vor den schnellen Sanktionen. Die Schonzeiten müssten bleiben, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele den Zeitungen der Funke Mediengruppe, ebenso müssten die Wohnkosten zunächst in tatsächlicher Höhe übernommen werden. "Statt eines Bürokratiemonsters braucht es in Krisenzeiten einen erleichterten Zugang zum Bürgergeld – ohne aufwendige Vermögensprüfung", forderte Bentele. Sie mahnte zudem: "Bei allem Zeitdruck müssen trotzdem Kompromisse gefunden werden, die für eine wirkliche Verbesserung für die Betroffenen sorgen und in der Praxis gut umsetzbar sind." Das Bürgergeld müsse ihrer Meinung nach zumgeplanten Zeitpunkt kommen und es müsse eine schnelle Einigung erzielt werden, sagte Bentele dem RadaktionsNetzwerk Deutschland."Wer auf Grundsicherung angewiesen ist, kann nicht länger warten. Darunter sind Alleinerziehende mit ihren Kindern, ältere Menschen oder Beschäftigte im Niedriglohnsektor, die ihr schmales Gehalt aufstocken." 

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) drängte auf eine schnelle Einigung. Das Gezerre zwischen Ampelregierung und Union sei "unwürdig". Es werde auf dem Rücken der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft ausgetragen: Kindern und Jugendlichen, sagte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Dienstag).

Politiker fordern Kompromissbereitschaft von der Union

Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hatte zuvor erklärt, Grundlage für eine Zustimmung der Union könnten nicht bloße Zusagen der Ampelkoalition sein, sondern nur ein fertig ausformulierter Gesetzentwurf. Beim sogenannten Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro habe die Union im Frühjahr mit politischen Zusagen der Ampel "nur schlechte Erfahrungen gemacht", erläuterte der CDU-Chef. Es sei von diesen Zusagen keine einzige eingehalten worden. 

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) appellierte an die Union, sich kompromissbereit zu zeigen. "Es kann kluge Kompromisse geben, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Dann werden sich CDU/CSU aber auch bewegen müssen", sagte Rehlinger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Union müsse sich entscheiden, ob sie die Partei dauerhaft über das Land stellen wolle. "Die CDU-Ministerpräsidenten tragen Verantwortung für Millionen Menschen und nicht nur für das CDU-Präsidium", erklärte Rehlinger.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten": "Mit gutem Willen lässt sich ein guter Kompromiss in Sachen Bürgergeld erzielen, für politische Scheindebatten ist das Thema ungeeignet." Bei der Kritik der Opposition am Bürgergeld schwinge "teilweise eine erschreckende Ignoranz und soziale Kälte" mit, meinte er. 

Bürgergeld-Gipfel am 23.11.2022: Kommt das Bürgergeld doch?

Viele Politiker glauben aber, dass das Bürgergeld kommen wird. "Wir glauben, dass das funktioniert in dieser Woche", zitiert "Bild" SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. "Das Bürgergeld wird kommen, da bin ich mir ganz sicher", sagte Britta Haßelmann (Grüne). Sogar die Union zeigte sich optimistisch, pocht aber weiter auf eine Anpassung der Regeln.

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/hos/news.de/dpa

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