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Ukraine-Krieg heute im News-Ticker: Großbritannien mahnt trotz Befreiung von Cherson zur Vorsicht

Ein zerstörter russischer Panzer steht am Rande von Iwaniwka, einem von der ukrainischen Armee nach der russischen Besetzung befreiten Dorf in der Provinz Cherson. Bild: picture alliance/dpa/ZUMA Press Wire | Celestino Arce Lavin

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Nach der Rückeroberung der südukrainischen Gebietshauptstadt Cherson hat Präsident Wolodymyr Selenskyj die Befreiung weiterer derzeit von Russland besetzter Gebiete angekündigt. "Wir vergessen niemanden, wir werden niemanden zurücklassen", sagte Selenskyj am Samstagabend in seiner täglichen Videoansprache. Nach Cherson kehrten derweil ukrainische Polizisten und Vertreter der Militärverwaltung zurück.

Die russischen Besatzer, die sich auf die Seite südöstlich des Flusses Dnipro zurückgezogen haben, kündigten dort die Räumung der Stadt Nowa Kachowka an - was Sorgen vor einem möglichen Sabotageakt am dortigen Wasserkraftwerk schürt. Der Kreml informierte unterdessen über ein Telefonat von Präsident Wladimir Putin mit dem iranischen Staatschef Ebrahim Raisi.

Ukraine-Krieg im News-Ticker - alle aktuellen Geschehnisse am 13.11.2022 im Überblick

+++ Großbritannien mahnt trotz Befreiung von Cherson zur Vorsicht +++

Angesichts der Jubelszenen nach der Befreiung der südukrainischen Stadt Cherson hat der britische Verteidigungsminister Ben Wallace zur Vorsicht gemahnt. "Die Geschichte lehrt, dass Russland sehr brutal gegen seine eigenen Menschen sein kann", sagte Wallace am Sonntag in London. "Falls sie mehr Kanonenfutter brauchen, werden sie es sich holen", sagte Wallace mit Blick auf die jüngste Mobilisierung in Russland. Er verwies auch auf die geplanten Militärübungen an russischen Schulen. "Das ist die Art und Weise des Regimes, mit dem wir es zu tun haben."

Die Rückeroberung von Cherson zeige die außergewöhnlichen Fähigkeiten der Ukraine und werfe für die Bevölkerung in Russland die Frage auf, ob der Krieg alle Entbehrungen und Opfer wert sei. Ob die Ukraine nun Verhandlungen aufnehmen wolle, liege allein an ihr, sagte Wallace. "Zunächst sollten wir nicht dankbar sein, wenn ein Dieb gestohlene Güter zurückgibt - denn das ist es letztlich, was Russland getan hat", sagte der Minister. Nun werde Russland überall verkünden, dass man für den Abzug aus der Großstadt dankbar sein solle. «Nein, das sollte man nicht, Russland hätte das im Februar gar nicht erst tun sollen", sagte Wallace mit Blick auf den Angriff am 24. Februar.

 

+++ Bahn will Kohlewaggons für Wiederaufbau in Ukraine einsetzen +++

Reaktivierte Kohlewaggons aus Deutschland könnten nach Vorstellungen der Deutschen Bahn bei einem Wiederaufbau der Ukraine helfen. "Ich gehe davon aus, dass wir die Kohlewaggons, die jetzt im Einsatz sind, umbauen werden, damit wir sie anders einsetzen können", sagte die Chefin der Bahn-Frachttochter, Sigrid Nikutta, dem Nachrichtenportal T-Online in einem am Sonntag veröffentlichten Interview. Mit den Waggons könne alles transportiert werden, was geschüttet werden müsse, zum Beispiel Baustoffe wie Sand oder Kies. "Meine Hoffnung ist, dass wir die alten Kohlewaggons schon bald für den Wiederaufbau der Ukraine nutzen können. So setzen wir die Kohlezüge quasi doppelt gegen (den russischen Präsidenten Wladimir) Putin ein."

Die Bahn hatte wegen der Energiekrise innerhalb von fünf Monaten mehr als 1000 Waggons reaktiviert und mit leiseren Bremsen ausgestattet, weil einige deutsche Kohlekraftwerke länger am Netz bleiben. Eine Verschrottung der Waggons kommt laut Nikutta nicht infrage. Die ukrainische Eisenbahn baue mit viel Tempo eine Art Versorgungsnetz mit Normalspurschienen auf, weil sie ihr Netz nach Westeuropa ausrichten wolle, sagte die Managerin. «Die könnten wir dann direkt befahren - auch mit sogenannten Schüttgutwagen, die man für Baustoffe braucht.»

In weiten Teilen Europas haben Schienen die Normalspurweite von 1435 Millimetern, während sie in Ländern wie der Ukraine, Belarus oder Russland 1520 Millimeter auseinanderliegen. Dies hat von jeher den grenzüberschreitenden Bahnverkehr erschwert.

+++ Russland berichtet über Vorrücken in ukrainischem Gebiet Donezk +++

Russlands Verteidigungsministerium hat über einen kleineren Erfolg im ostukrainischen Gebiet Donezk berichtet. Russische Soldaten hätten den Ort Majorsk bei der Stadt Horliwka erobert, sagte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow am Sonntag. Von ukrainischer Seite gab es dazu zunächst keine Angaben. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte allerdings bereits in seiner Videoansprache am Samstagabend von derzeit besonders heftigen russischen Angriffen in Donezk gesprochen. "Dort ist es die reine Hölle", sagte er.

Russlands Armee hat Donezk in größeren Teilen erobert und im September - ebenso wie das Nachbargebiet Luhansk sowie Saporischschja und Cherson im Süden - völkerrechtswidrig annektiert.

In Cherson wiederum erlitten die Russen zuletzt eine schwere Niederlage: Angesichts erfolgreicher ukrainischer Gegenoffensiven zogen sie sich mehr als acht Monate nach Kriegsbeginn aus der gleichnamigen Gebietshauptstadt Cherson und weiteren Orten nordwestlich des Flusses Dnipro zurück. Auch am Sonntag veröffentlichten ukrainische Medien weiter Videos von jubelnden Menschen, die die eigenen Truppen in Cherson begrüßen.

+++ Militärtraining an russischen Schulen für Wehrbereitschaft +++

Der geplante verpflichtende Militärunterricht an russischen Schulen soll nach britischer Einschätzung die Bereitschaft zu Mobilisierung und Wehrdienst bei jungen Menschen erhöhen. Das Training ziele darauf ab, Schüler, die sich dem Wehrpflichtalter nähern, mit militärischen Fähigkeiten auszustatten, teilte das Verteidigungsministerium in London am Sonntag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. "Diese Initiative ist wahrscheinlich auch Teil eines umfassenderen Projekts, um der russischen Bevölkerung eine Ideologie des Patriotismus und des Vertrauens in öffentliche Institutionen einzuflößen", hieß es weiter.

Das russische Verteidigungsministerium unterstütze das Programm und habe festgelegt, dass mindestens 140 Stunden im akademischen Jahr für den sogenannten Militärvorbereitungskurs vorgesehen sind, so die britische Behörde weiter. Das Training solle im September 2023 beginnen. Ähnliche Programme mit Vorbereitungen für einen chemischen oder nuklearen Angriff, Erster Hilfe und Schießtraining hatte es auch in der Sowjetunion gegeben, sie waren 1993 eingestellt worden.

Die russischen Behörden hätten das Training bereits nach der Annexion der ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim wieder auflegen wollen, hieß es in London weiter. "Es bestand die Hoffnung, dass diese Initiative die Qualität der Wehrpflichtigen erhöhen würde." Doch das sei nicht eingetreten, vielmehr sei die Moral niedrig und die Ausbildung begrenzt. Derzeit werde ein neues Ausbildungsprogramm zusammengestellt, es solle bis Jahresende feststehen.

+++ Bei Demo in Moskau: Russen fordern Bomben-Angriff auf die USA +++

Wie der britische "Express" aktuell berichtet, ist eine Gruppe russischer Demonstranten durch die Straßen von Moskau marschiert, um Wladimir Putin aufzufordern, einen Raketenangriff auf die Vereinigten Staaten und andere westliche Hauptstädte wegen der Unterstützung der Ukraine zu starten.

Die Aktivisten sangen zur Melodie von Queens "We Will Rock You" und forderten Putin und seine Armee auf, "die Entscheidungszentren" als Vergeltung für die Unterstützung der Ukraine ins Visier zu nehmen. Aufnahmen aus der russischen Hauptstadt zeigten, wie die Gruppe die Straße entlangging, sang und Banner schwenkte und die russische Truppen unterstützte, die in den Krieg in der Ukraine verwickelt waren.

+++ Ukrainische Polizei und Behörden zurück in befreiter Stadt Cherson +++

Wenige Tage nach dem Rückzug der russischen Truppen sind Vertreter der ukrainischen Gebietsverwaltung und von Sicherheitsorganen in die befreite Stadt Cherson im Süden des Landes zurückgekehrt. So hätten etwa Polizei und Geheimdienst ihre Arbeit in Cherson schon wieder aufgenommen, sagte Gouverneur Jaroslaw Januschewytsch in einem Video, das ihn im Zentrum der Gebietshauptstadt zeigte. Eine der Hauptaufgaben bestehe derzeit darin, die Region von Minen zu räumen, so Januschewytsch.

Russland hatte das Gebiet Cherson kurz nach Beginn seines Angriffskriegs Ende Februar weitgehend erobert und im September - ebenso wie die Gebiete Saporischschja, Luhansk und Donezk - völkerrechtswidrig annektiert. Unter dem Druck ukrainischer Gegenoffensiven zog Moskau in den vergangenen Tagen seine Truppen aus allen Teilen Chersons ab, die nordwestlich des Flusses Dnipro liegen - darunter fällt auch die gleichnamige Gebietshauptstadt Cherson.

+++ Russische Besatzer räumen ukrainische Staudamm-Stadt Nowa Kachowka +++

Auf der anderen Seite des Dnipro haben die russischen Besatzer unterdessen die Evakuierung der Staudamm-Stadt Nowa Kachowka angekündigt. Die Verwaltung von Kachowka ziehe sich zusammen mit den Bürgern der Stadt an einen sicheren Ort zurück, teilte der örtliche Besatzungschef Pawel Filiptschuk nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass mit.

Befürchtet wird, dass der Staudamm durch Beschuss zerstört und das Gebiet überflutet werden könnte. Russen und Ukrainer werfen sich seit Wochen gegenseitig vor, eine solche Provokation zu planen. Die ukrainischen Streitkräfte hätten die Verwaltung von Kachowka als Ziel "Nummer eins für einen Terroranschlag" in der Region ausgemacht, behauptete Filiptschuk. Die Ukraine weist Sabotageabsichten zurück.

+++ Putin spricht mit Raisi über Ausbau von Wirtschaftsbeziehungen +++

Kremlchef Putin und Irans Präsident Raisi haben über den weiteren Ausbau der Beziehungen ihrer beiden von westlichen Sanktionen betroffenen Länder gesprochen. In dem Telefonat habe der Fokus auf der "Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, Handel und Wirtschaft" gelegen, teilte der Kreml anschließend mit. Der Iran unterhält gute Beziehungen zu Moskau und war zuletzt für die Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in die Kritik geraten.

Vor rund einer Woche hatte Teheran erstmals zugegeben, an Russland auch Kampfdrohnen geliefert zu haben - allerdings noch vor Kriegsbeginn Ende Februar. Die Ukraine wiederum wirft dem Iran deutlich umfangreichere Waffenlieferungen an Moskau vor.

+++ Türkei: Moskau schränkt Schiffsverkehr durch Kertsch-Meerenge ein +++

Russland wird es im Ausland beladenen Schiffen nach türkischen Angaben nicht länger erlauben, die Straße von Kertsch in Richtung des Asowschen Meeres zu durchqueren. "Die Durchfahrt von Schiffen, die außerhalb des russischen Territoriums beladen worden sind, ist durch die Straße von Kertsch nach Norden verboten", teilte die zuständige Stelle des türkischen Verkehrsministeriums auf Twitter mit. Der Hinweis sei von der russischen Seite gekommen, sagte ein Ministeriumssprecher, ohne weitere Einzelheiten zu nennen. Aus Moskau gab es zunächst keine Stellungnahme.

+++ Russische Besatzer räumen ukrainische Staudamm-Stadt Nowa Kachowka +++

Nach dem Truppenrückzug vom rechten Ufer des Flusses Dnipro in der südukrainischen Region Cherson haben die russischen Besatzer nun auch eine Evakuierung der Staudamm-Stadt Nowa Kachowka auf der anderen Flussseite angekündigt. Die Verwaltung von Kachowka ziehe sich zusammen mit den Bürgern der Stadt an einen sicheren Ort zurück, teilte der örtliche Besatzungschef Pawel Filiptschuk nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass am Samstag in einer Rede an die Bevölkerung mit. Er rief die Menschen in einer festgelegten Zone von 15 Kilometern auf, ihre Wohnungen zu verlassen.

Befürchtet wird, dass der Staudamm durch Beschuss zerstört und das Gebiet überflutet werden könnte. Russen und Ukrainer werfen sich seit Wochen gegenseitig vor, eine solche Provokation zu planen. Die ukrainischen Streitkräfte hätten die Verwaltung von Kachowka als Ziel "Nummer eins für einen Terroranschlag" in der Region ausgemacht, behauptete Filiptschuk. Die Ukraine weist Sabotageabsichten zurück.

Das Leben der Menschen sei durch Kampfhandlungen in Gefahr, sagte Filiptschuk. Die Menschen sollten in die südrussische Region Krasnodar gebracht und dort versorgt werden. Filiptschuk versprach den Flüchtenden eine warme Unterkunft, regelmäßige Mahlzeiten und 100 000 Rubel (rund 1600 Euro) Hilfe. Die Ukraine wirft den Besatzern vor, die Menschen zu verschleppen.

Örtlichen Berichten zufolge waren die ukrainischen Einheiten bereits in die Kleinstadt Beryslaw unweit des Staudamms vorgerückt. Russland hatte am Freitag den angekündigten Rückzug vom westlichen Ufer des Flusses Dnipro für abgeschlossen erklärt. Demnach zogen sich die russischen Soldaten auf das Gebiet östlich des Flusses zurück.

Kiew hat die Befreiung des Gebiets Cherson und aller besetzten Regionen angekündigt, darunter die von Russland bereits 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim.

+++ Türkei: Moskau schränkt Schiffsverkehr durch Kertsch-Meerenge ein +++

Russland wird es im Ausland beladenen Schiffen nach türkischen Angaben nicht länger erlauben, die Straße von Kertsch in Richtung des Asowschen Meeres zu durchqueren. "Die Durchfahrt von Schiffen, die außerhalb des russischen Territoriums beladen worden sind, ist durch die Straße von Kertsch nach Norden verboten", teilte die zuständige Stelle des türkischen Verkehrsministeriums am Samstag auf Twitter mit. Der Hinweis sei von der russischen Seite gekommen, sagte ein Ministeriumssprecher, ohne weitere Einzelheiten zu nennen. Aus Moskau gab es zunächst keine Stellungnahme.

Das Asowsche Meer ist ein gemeinsames Binnenmeer zwischen Russland und der Ukraine und ist nur durch die Straße von Kertsch mit dem größeren Schwarzen Meer verbunden. Wichtige ukrainische Seehäfen am Asowschen Meer - etwa in Mariupol und Berdjansk - hat Russland allerdings im Zuge seines seit achteinhalb Monaten andauernden Angriffskriegs erobert und unter seine Kontrolle gebracht.

Anfang Oktober war eine strategisch wichtige Brücke, die über die Meerenge von Kertsch zu der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim führt, schwer beschädigt worden. Moskau sprach von einem «Terrorakt» und machte den ukrainischen Geheimdienst dafür verantwortlich. Kiew allerdings hat eine Beteiligung nie eingeräumt.

+++ Bundesagrarminister lobt Ausbau von Transportwegen in die Ukraine +++

Bundesagrarminister Cem Özdemir hat EU-Pläne gelobt, gemeinsam mit Partnern eine weitere Milliarde Euro in Verkehrswege in die Ukraine zu investieren. "Diese Alternativrouten sind echte Lebensadern: Die Agrarexporte sichern der Ukraine wichtige Einnahmen, beruhigen die Weltmärkte für Getreide und machen so weltweit Millionen Hungernde satt", sagte der Grünen-Politiker am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Er und sein ukrainischer Kollege Mykola Solskyj suchten nach einer Lösung, wie Getreide gezielt Staaten zugutekommen könne, in denen der Hunger besonders groß sei.

Vor dem Angriff Russlands hatte die Ukraine vor allem über seine Schwarzmeerhäfen Handel betrieben. Diese können nur noch für ausgewählte Agrarprodukte genutzt werden, weil es für andere Transporte keine Sicherheitsgarantien gibt. Die am Freitag bekanntgegebenen Investitionen sollen helfen, den Land- und Binnenschiffsverkehr zwischen der Ukraine und den Nachbarländern Polen, Rumänien, Moldau, Slowakei und Ungarn auszubauen.

Özdemir sagte, man müsse auch in Zukunft damit rechnen, dass Russland das Getreideabkommen als Druckmittel einsetze. "Niemand, der bei Trost ist, wird sich auf Putins guten Willen verlassen." Der russische Präsident habe eine Annäherung der Ukraine an Europa verhindern wollen und das Gegenteil erreicht. "Mit den Solidaritätskorridoren wachsen Europa und die Ukraine immer weiter zusammen."

Russland hatte die Fortsetzung des Getreideabkommens infrage gestellt, mit dem ukrainische Exporte durch das Schwarze Meer möglich wurden. Russland hatte die Exporte seit Beginn seines Angriffskriegs gegen das Nachbarland im Februar blockiert. Das im Juli geschlossene Abkommen läuft am 19. November aus. Vor dem Krieg lieferten Russland und die Ukraine fast ein Viertel der weltweiten Getreideexporte.

+++ London: Rückzug aus Cherson ist großer Imageschaden für Russland +++

Die Rückeroberung der südukrainischen Großstadt Cherson durch ukrainische Truppen bedeutet nach britischer Einschätzung einen erheblichen Imageschaden für Russland. "Der Rückzug ist eine öffentliche Anerkennung der Schwierigkeiten, mit denen die russischen Streitkräfte am Westufer des Flusses Dnipro konfrontiert sind", kommentierte das Verteidigungsministerium in London am Samstag. Die Ukraine habe große Teile des Gebiets Cherson am Westufer des Dnipro eingenommen und kontrolliere mittlerweile weitestgehend die gleichnamige Stadt, teilte die Behörde unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit.

Das Ministerium bezweifelte, dass Russland Truppen und Material in kürzester Zeit evakuiert hat. Es sei vielmehr wahrscheinlich, dass der Rückzug bereits am 22. Oktober eingeleitet worden sei, als die russische Besatzungsverwaltung die Zivilbevölkerung aufforderte, die Stadt zu verlassen. Vermutlich habe Russland seitdem militärische Ausrüstung sowie Streitkräfte in Zivilkleidung gemeinsam mit den offiziell 80.000 evakuierten Zivilisten aus der Stadt gebracht.

Das britische Ministerium teilte weiter mit, dass Russland weiterhin versuche, Einheiten aus anderen Teilen des Gebiets Cherson über den Dnipro in Verteidigungsstellungen zu evakuieren. "Russische Streitkräfte haben im Rahmen dieses Prozesses höchstwahrscheinlich Straßen- und Bahnbrücken über den Dnipro zerstört", hieß es in London.

+++ Selenskyj: Menschen in Cherson haben die Ukraine nie aufgegeben +++

Noch sei die Stadt Cherson nicht komplett von der "Präsenz des Feindes" befreit, sagte Selenskyj. Ukrainische Spezialeinheiten seien aber bereits vor Ort. Die Bewohner von Cherson entfernten zudem selbstständig russische Symbole von Straßen und Gebäuden. Selenskyj veröffentlichte auch ein Video, das Autokorsos und Jubelchöre für die anrückenden ukrainischen Soldaten zeigen soll. "Die Menschen in Cherson haben gewartet. Sie haben die Ukraine nie aufgegeben", sagte der Staatschef.

Unter dem Druck der ukrainischen Gegenoffensiven hatte Russland am Mittwoch den Abzug seiner Truppen aus dem nordwestlich des Flusses Dnipro gelegenen Teil Chersons angekündigt. Dort liegt auch die gleichnamige Gebietshauptstadt Cherson. Erstmals seit Kriegsbeginn hat Russland damit einen größeren Teil eines Gebiets wieder verloren, das es völkerrechtswidrig annektiert hat und vor diesem Hintergrund als eigenes Staatsgebiet bezeichnet.

+++ Selenskyj informiert Scholz über Vorrücken der ukrainischen Armee +++

Selenskyj informierte auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)in einem Telefonat über das Vorrücken seiner Streitkräfte inCherson. Neben der militärischen sei es auch um die politische und humanitäre Lage in der Ukraine gegangen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Beide Politiker verurteilten zudem «den anhaltenden gezielten Beschuss ziviler Infrastruktur in der Ukraine durch die russischen Streitkräfte und besprachen konkrete Maßnahmen zur Stärkung der ukrainischen Energieinfrastruktur». Scholz habe die fortwährende Unterstützung der Ukraine mit den gegenwärtigen Prioritäten in den Bereichen Energieinfrastruktur und Luftverteidigung bekräftigt.

+++ Nach Truppenabzug: Russland beschießt aufgegebenes Gebiet in Cherson +++

Russland seinerseits startete eigenen Angaben zufolge erste Angriffe auf den gerade erst aufgegebenen Teil des Gebiets Cherson. "Aktuell werden Truppen und Militärtechnik der ukrainischen Streitkräfte auf dem rechten Ufer des Flusses Dnipro beschossen", teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Nur wenige Stunden zuvor hatte die Behörde erklärt, alle russischen Einheiten in dem südukrainischen Gebiet seien auf die linke Flussseite gebracht worden. Insgesamt handelt es sich laut Angaben aus Moskau um mehr als 30.000 Soldaten, die nun südöstlich des Dnipro stationiert seien.

+++ Eine Milliarde Euro soll Ausbau von Frachtverkehr mit Ukraine fördern +++

Die EU will gemeinsam mit Partnern rund eine Milliarde Euro in alternative Frachtverbindungen zwischen der Ukraine und anderen Ländern investieren. Die sogenannten Solidaritätskorridore seien derzeit die einzige Möglichkeit für die Ukraine, nicht-landwirtschaftliche Güter zu exportieren, teilten die EU-Kommission und die anderen Beteiligten mit. Zudem könnten nur über sie Güter wie Treibstoff oder humanitäre Hilfe importiert werden.

Vor dem Angriff Russlands hatte die Ukraine vor allem über seine großen Schwarzmeerhäfen Handel betrieben. Diese können derzeit allerdings nur für Transporte ausgewählter landwirtschaftlicher Produkte genutzt werden, weil es für andere Transporte nicht die notwendigen Sicherheitsgarantien gibt.

+++ UN verlangen Ende der Hindernisse für Düngemittelexporte aus Russland +++

Die Vereinten Nationen haben unterdessen Länder weltweit aufgerufen, Hindernisse für den Export von Düngemitteln aus Russland aus dem Weg zu räumen. "Die Welt kann es sich nicht leisten, dass die weltweiten Probleme bei der Verfügbarkeit von Düngemitteln zu einer weltweiten Nahrungsmittelknappheit führen", teilten dieUN am Freitagabend nach Gesprächen mit dem russischen Vizeaußenminister Sergej Werschinin und seiner Delegation in Genf mit.

Russland hatte die Fortsetzung des im Juli geschlossenen Getreideabkommens infrage gestellt, das ukrainische Exporte durch das Schwarze Meer ermöglichte. Moskau hatte die Exporte seit Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine blockiert. Das Abkommen läuft am 19. November aus. Russland moniert, dass es wegen westlicher Sanktionen kaum in der Lage ist, eigene Exporte von Nahrungs- und Düngemitteln auf den Weltmarkt zu bringen. Die ungehinderte Ausfuhr von Lebensmitteln und Düngemitteln aus Russland war neben einer Verlängerung des Getreideabkommens Schwerpunkt der Gespräche.

+++ Russland weitet Einreiseverbote gegen USAaus +++

Als Reaktion auf westliche Sanktionen hat Russland weiteren 200 US-Amerikanern die Einreise verboten. Auf der sogenannten Stop-Liste stehen nun auch die beiden Brüder von US-Präsident Joe Biden, James und Francis Biden, sowie Schwester Valerie Biden, wie das Außenministerium in Moskau mitteilte. Gegen den US-Staatschef selbst hatte die Behörde bereits Mitte März ein Einreiseverbot verhängt.

+++ Banksy bestätigt Werk auf zerstörtem Haus in der Ukraine +++

Der mysteriöse Streetart-Künstler Banksy hat sich mutmaßlich in der Ukraine verewigt. Auf seinem Instagram-Kanal veröffentlichte er am Freitagabend Bilder von einem Werk auf einem kriegszerstörten Haus, die in der stark verwüsteten Stadt Borodjanka nahe Kiew aufgenommen worden sein sollen. Das Werk zeigt auf der grauen Hauswand ein Mädchen, das scheinbar auf Trümmern einen Handstand macht. Die Veröffentlichung auf seinem Instagram-Kanal gilt als Zeichen, dass Banksy ein Werk als seines bestätigt. Auch in der Vergangenheit war der Künstler bereits in Krisengebieten unterwegs, unter anderem im Westjordanland. Banksys Identität ist nach wie vor unbekannt.

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/news.de/dpa

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