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Friedrich Merz: Nach "Sozialtourismus"-Vorwurf: Betrügen Ukrainer wirklich?

Friedrich Merz warf Ukrainern "Sozialtourismus" vor. Doch gibt es Belege für seine Aussagen? Bild: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

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Nach seinen Aussagen in einem "Bild TV"-Interview musste Friedrich Merz heftige Kritik einstecken. Der CDU-Chef hatte ukrainischen Flüchtlingen "Sozialtourismus" vorgeworfen. Er verwies dabei auf Menschen, die angeblich regelmäßig zwischen Deutschland und der Ukraine hin- und herfahren würden, um hier Sozialleistungen zu kassieren. Doch Belege für seine Aussagen gibt es nicht. Außerdem bediente er sich an einem Wort, dass in rechtsextremen Gruppen seit Jahren kursiert und auch von Parteien wie der NPD und AfD benutzt wird. Darüber berichtete der "Volksverpetzer".

Friedrich Merz: Keine Belege für "Sozialtourismus"-Vorwurf an Ukrainer

So fragte jetzt die "Bild" beim Arbeits- und Sozialministerium (BMAS) sowie der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach. Beide haben laut dem Boulevardblatt keine Erkenntnisse zu einem angeblichen "Sozialtourismus" von Ukrainerinnen und Ukrainern. "Eine Abwesenheit der leistungsbeziehenden Person würde nicht unbemerkt bleiben", wird ein BMAS-Sprecher zitiert. Knapp über eine halbe Million Ukrainerinnen und Ukrainer haben laut BA aktuell hierzulande Anspruch auf Hartz IV.

Bereits in den vergangenen Tagen kursierten in den sozialen Medien Fake News, die durch ausgebuchte Flixbus-Fahrten zwischen Berlin und Kiew einen angeblichen Hartz-IV-Betrug der Flüchtlinge belegen wollten. Wie das Recherchezentrum "Correctiv" bereits vor knapp zwei Wochen schrieb, konnten weder das Busunternehmen noch BA und BMAS die Geschichte von angeblichen Pendelfahrten bestätigen.

CDU-Politiker kritisieren Friedrich Merz nach Aussagen zu ukrainischen Flüchtlingen

Währenddessen wird Friedrich Merz auch von seinen Parteikollegen heftig kritisiert. Der CDU-Sozialflügel hat dem 66-Jährigen wegen des Gebrauchs des Wortes "Sozialtourismus" in Bezug auf ukrainische Flüchtlinge und der anschließenden Entschuldigung schwere Vorwürfe gemacht. "Merz hat die übliche Methode der Rechtspopulisten angewandt: Erst Grenzen überschreiten, dann zurückrudern", sagte Christian Bäumler, Vize-Vorsitzender des Arbeitnehmerflügels (CDA), der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. "Damit steht er sich selbst beim Weg ins Kanzleramt im Weg und schadet damit der Union."

Friedrich Merz entschuldigt sich erneut

Nachdem er sich bereits auf Twitter für seine Aussagen entschuldigt hatte, bedauerte CDU-Chef Friedrich Merz seinen Vorwurf eines "Sozialtourismus" von Ukraine-Flüchtlingen am Dienstag vor der turnusgemäßen Sitzung der Abgeordneten von CDU und CSU im Bundestag in Berlin erneut, wies zugleich aber auf zunehmende Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen hin. "Ich habe dieses Wort Sozialtourismus verwendet, nicht in der Absicht, irgendjemandem da zu nahe zu treten oder auch persönlich etwas vorzuwerfen", sagte der Unionsfraktionsvorsitzende. "Wenn ich da jemanden verletzt habe, dann bedauere ich das sehr", ergänzte er.

Er habe lediglich darauf hinweisen wollen, "dass wir zunehmende Probleme haben mit der Unterbringung und auch mit der Betreuung von Flüchtlingen und dazu Probleme bekommen mit einer größer werdenden Zahl von Asylbewerbern", sagte Merz. Dabei bleibe er. Das Problem werde vor allem dadurch größer, "dass wir zunehmende Asylbewerberzahlen haben". Die Zahl von 200 000 werde in diesem Jahr möglicherweise überschritten. "Darüber müssen wir reden. Das ist ein Thema, das auch die Bevölkerung in Deutschland zunehmend beunruhigt."

Waren "Sozialtourismus"-Aussagen ein Wahlkampfmanöver?

Der CDU-Vorsitzende wies zurück, dass es sich bei seinen Äußerungen zum "Sozialtourismus" zwei Wochen vor der Landtagswahl in Niedersachsen um ein Wahlkampfmanöver handele. Auf die Frage, ob ihm das Wort herausgerutscht sei, antwortete er: "Also das ist nicht rausgerutscht. Das ist eine Formulierung, die mir im freien Interview so in der Tat über die Lippen gekommen ist." Er habe die Reaktionen gesehen und bedauere dies. Merz sprach von einem Missverständnis. "Ich habe es so nicht gemeint. Und damit ist dazu auch alles gesagt."

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/news.de/dpa

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