Entlastungspaket: "Zufallsgewinn" statt "Übergewinn"! Trickst die Regierung mit Worten?
Erstellt von Martin Gottschling
05.09.2022 15.17
Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs sind auch in Deutschland deutlich zu spüren. Wegen der stark gestiegenen Preise für Lebensmittel, Energie und Co. beschloss die Bundesregierung am Sonntag ein drittes Entlassungspaket für die Bürger. Die geplanten Maßnahmen sorgten bereits kurz nach ihrer Bekanntgabe für heftige Kritik. Experten kritisierten die Hilfen als unzureichend und auch auf Twitter wurde gegen die Ampel-Koalition gewettert. Auch eine Übergewinnsteuer für Unternehmen, die sich während der Krise an den teuren Energie-Preisen bereichern, ist weiterhin nicht vorgesehen. Allerdings sollen nun deren "Zufallsgewinne" abgeschöpft werden, um die angekündigte Strompreisbremse zu finanzieren. Handelt es sich dabei lediglich um eine Wort-Trickserei der Ampel?
Abschöpfung von "Zufallsgewinnen" statt "Übergewinnsteuer": Wort-Trickserei der Ampel-Regierung?
Laut "Bild" könne so nämlich auch die FDP, welche sich klar gegen eine Übergewinnsteuer aussprach, die Sonderabgabe für Energieunternehmen als Erfolg verkaufen. Doch um was handelt es sich bei der Abschöpfung von Zufallsgewinnen eigentlich? Finanzminister Christian Linder schrieb auf Twitter: "Bei der Abschöpfung von Zufallsgewinnen haben wir ein Vorbild: die EEG-Umlage, aber mit umgekehrten Vorzeichen. Wir schaffen keine Steuer, sondern eine Erlösobergrenze, bei der Geld eingesetzt wird, um den Grundbedarf an Strom für Menschen & Entlastung für Betriebe zu sichern. CL".
In einem Interview mit den ARD-"Tagesthemen" sagte Lindner weiterhin: "Ich bin sehr dafür, dass wir am Strommarkt (...) den Rendite-Autopiloten abschalten. Konkret geht's ja darum, dass die Produzenten zum Beispiel von Windstrom so bezahlt werden, als hätten sie teures Gas eingekauft. Das muss abgeschaltet werden."
Durch Maßnahme soll Strompreisbremse aus drittem Entlastungspaket finanziert werden
Eine geplante Maßnahme des dritten Entlastungspakets ist, dass für einen gewissen Basisverbrauch an Strom ein vergünstigter Preis gelten soll. Finanziert werden soll die Preisbremse, indem "Zufallsgewinne" von Energieunternehmen durch extrem hohe Strompreise teilweise abgeschöpft werden.
Hintergrund: Der Preis am Strommarkt richtet sich nach den Kosten des teuersten Kraftwerks, das aktuell für die Stromerzeugung benötigt wird. Derzeit sind das die Gaskraftwerke. "Die Produktionskosten ändern sich jedoch für die meisten Stromproduzenten - etwa die Erneuerbaren, Kohle- oder Atomstrom - nicht", heißt es im Ergebnispapier des Koalitionsausschusses - dadurch entstünden für diese derzeit enorme Gewinne. Angedacht ist nun eine Erlösobergrenze.
Christian Lindner befürchtet durch Übergewinnsteuer Klagen gegen den Staat
Im "Heute-Journal" des ZDF betonte Lindner, es gehe nicht um eine Übergewinnsteuer. Eine solche Steuer für Energiekonzerne hatten SPD und Grüne gefordert, die FDP lehnte sie jedoch ab. "Es geht da um den Preis pro Kilowattstunde, es geht da nicht um den Gewinn eines Unternehmens", erläuterte der Finanzminister die Koalitionspläne in der ARD. "Eine Übergewinnsteuer hingegen, die hätte Willkür in unser Steuersystem gebracht. (...) Und wir wollen ja Einnahmen erzielen, um zu entlasten, aber wir wollen ja nicht Klagen gegen den Staat provozieren."
Ein Twitter-User ist allerdings skeptisch: "Ich gehe jede Wette dass das rechtlich angefochten werden wird. Und das mit vermutlich guten Chancen. Und was passiert eigentlich mit dem "Zufallsgewinn" für die Pharma- und Maskenindustrie? Gleiches Recht für alle oder etwa nicht?"
Umverteilung statt Entlastung? Steuerzahler müssen Entlastungspaket mitfinanzieren
Doch nicht nur bei den "Zufallsgewinnen" soll der "Bild" zufolge die Ampel-Regierung mit Worten tricksen. Generell würde das Wort "entlasten" in die Irre führen. Es handele sich in Wahrheit um eine Umverteilung des Geldes. Denn schließlich müssen auch die Steuerzahler das 65 Milliarden Euro schwere Entlastungspaket quer finanzieren. Entlastet werden sollen durch das Paket aber auch insbesondere Geringverdiener, zum Beispiel durch eine Kindergelderhöhung, Einmalzahlungen für Rentner und Studierende sowie einer Wohngeldreform. Viele Menschen, denen es jetzt schon schlecht geht, dürften am Ende also auch von dem Paket profitieren. Es stellt sich wohl eher die Frage, ob die geplanten Maßnahmen wirklich ausreichen, um nicht für weiteren sozialen Unfrieden zu sorgen.
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gom/fka/news.de/dpa