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Ukraine-Krieg im News-Ticker: Donbass bald menschenleer? Selenskyj klagt Völkermord an

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj befürchtet eine Entvölkerung im Donbass und prangert nicht nur den Völkermord durch die russische Armee, sondern auch das Zögern Europas an. Bild: picture alliance/dpa/Planet Pix via ZUMA Press Wire | Ukraine Presidency

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj befürchtet angesichts der massiven russischen Angriffe im Osten einen weitgehend entvölkerten Donbass. Mit ihrer überlegenen Feuerkraft setzten die angreifenden russischen Truppen am 26. Mai die ukrainischen Verteidiger um die Stadt Sjewjerodonezk unter Druck.

Ukraine-Krieg geht in den 93. Tag: Selenskyj prangert Völkermord im Donbass an

"Die laufende Offensive der Besatzer im Donbass könnte die Region menschenleer machen", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache in Kiew. Die Städte würden zerstört, die Menschen getötet oder verschleppt. Dies sei "eine offensichtliche Politik des Völkermords". Am heutigen Freitag, dem 27.05.2022, ist der 93. Kriegstag. Russland hatte das Nachbarland Ukraine am 24. Februar angegriffen.

Ukraine-Krieg im News-Ticker - Alle aktuellen Entwicklungen am 27.05.2022 im Überblick

+++Militärverwaltung: Ostukrainisches Sjewjerodonezk fast eingekesselt +++

 

Die besonders schwer umkämpfte ostukrainische Stadt Sjewjerodonezk ist nach Angaben der dortigen Militärverwaltung fast vollständig von russischen Truppen umzingelt. Zu zwei Dritteln sei die Großstadt im Gebiet Luhansk schon belagert, aber noch nicht komplett eingekesselt, sagte der Chef der lokalen Militärverwaltung, Olexandr Strjuk, am Freitag. Die Verteidiger leisteten weiter heftigen Widerstand. Dagegen behaupteten die prorussischen Separatisten der staatlichen Moskauer Nachrichtenagentur Ria Nowosti zufolge, der Ring sei komplett geschlossen um die Stadt.

Nach Angaben von Strjuk sind rund 90 Prozent der Gebäude in der Stadt beschädigt, 60 Prozent müssten völlig neu gebaut werden. Er hatte zuvor mitgeteilt, dass seit Kriegsbeginn in Sjewjerodonezk rund 1500 Menschen getötet worden seien. Darunter seien sowohl Soldaten als auch Zivilisten, sagte Strjuk. Viele Menschen seien zudem geflüchtet. Von den einst 130 000 Einwohnern lebten mittlerweile nur noch rund ein Zehntel dort.

Mehr als drei Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs zählt die Großstadt Sjewjerodonezk zu den letzten Teilen von Luhansk, die noch von der ukrainischen Armee kontrolliert werden. Unweit der Stadtgrenze wird aber bereits heftig gekämpft. Beobachter erwarten seit Tagen, dass ukrainische Brigaden in Sjewjerodonezk von russischen und prorussischen Militärs eingekesselt werden könnten.

+++ Politiker: Weitere 70 Leichen in ukrainischer Stadt Mariupol gefunden +++

In der mittlerweile von russischen Truppen eingenommenen ukrainischen Hafenstadt Mariupol sind Angaben eines Lokalpolitikers zufolge Dutzende weitere Leichen von Bewohnern gefunden worden. Rettungskräfte hätten insgesamt rund 70 leblose Körper auf einem ehemaligen Fabrikgelände entdeckt, schrieb der Mariupoler Stadtratsabgeordnete Petro Andrjuschtschenko am Freitag im Nachrichtendienst Telegram. Die Menschen seien unter den Trümmern begraben worden, als russische Besatzer das Gebäude beschossen, schrieb er. Überprüfen ließen sich diese Angaben zunächst nicht.

Mariupol, das wochenlang von russischen Truppen belagert war und schließlich eingenommen wurde, ist international zu einem Symbol für die Brutalität des russischen Angriffskriegs geworden. Für besonderes Entsetzen sorgten in den Wochen nach Kriegsbeginn Angriffe auf eine Geburtsklinik sowie auf ein Theater, das Zivilisten als Luftschutzkeller diente.

Später belagerten russische und prorussische Militärs wochenlang das Stahlwerk Azovstal, in dem sich die letzten ukrainischen Verteidiger verschanzt hatten. Vor mehr als einer Woche ergaben sich die mehr als 2.400 Männer und Frauen. Sie sind nun in russischer Gefangenschaft.

+++ London: Russland greift in Ukraine auf 50 Jahre alte Panzer zurück +++

Die russische Armee greift nach Ansicht britischer Regierungsexperten bei ihrer Invasion der Ukraine inzwischen auf veraltetes Gerät zurück. Moskau habe wahrscheinlich in den vergangenen Tagen 50 Jahre alte T-62-Panzer aus Lagerbeständen geholt und in den Einsatzbereich des südlichen Streitkraftverbands gebracht, hieß es in einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums in London am Freitag.

"Die T-62-Panzer werden beinahe mit Sicherheit besonders gefährdet sein durch Panzerabwehrwaffen und ihre Anwesenheit auf dem Schlachtfeld wirft ein Schlaglicht auf Russlands Mangel an modernem, einsatzbereitem Gerät", so die Mitteilung weiter. Der südliche Streitkraftverband der Russen dürfte nach Ansicht der britischen Experten weiterhin mit der Besetzung von Gebiet in der Südukraine beauftragt sein.

Vorstöße gibt es den britischen Angaben nach im Donbass, wo russische Bodentruppen weiterhin versuchen, die Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk im Donbass einzukreisen. Dabei seien mehrere Dörfer nordwestlich von Popasna erobert worden. "Russland übt Druck aus auf den Kessel von Sjewjerodonezk, die Ukraine behält aber die Kontrolle über mehrere verteidigte Bereiche und verwehrt Russland damit die volle Kontrolle über den Donbass", hieß es in der Mitteilung weiter.

+++ Militärverwaltung: 1.500 Tote in ostukrainischer Stadt Sjewjerodonezk +++

In der besonders schwer umkämpften ostukrainischen Stadt Sjewjerodonezk sind offiziellen Angaben zufolge seit Kriegsbeginn rund 1.500 Menschen getötet worden. Darunter seien sowohl Soldaten als auch Zivilisten, sagte der Chef der lokalen Militärverwaltung, Olexandr Strjuk, am Freitag. Viele Menschen seien zudem geflüchtet. Von den einst 130.000 Einwohnern sei mittlerweile nur noch rund ein Zehntel da. Der Gouverneur des Luhansker Gebiets, Serhij Hajdaj, berichtete zudem von vier Toten durch russischen Beschuss auf Sjewjerodonezker Wohnviertel am Vortag.

Mehr als drei Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs zählt die Großstadt Sjewjerodonezk zu den letzten Teilen von Luhansk, die noch von der ukrainischen Armee kontrolliert werden. Unweit der Stadtgrenze wird aber bereits heftig gekämpft. Beobachter befürchten, dass ukrainische Brigaden in Sjewjerodonezk von russischen und prorussischen Militärs eingekesselt werden könnten.

+++ Ex-General: "Die Zeit spielt für die Ukraine, wenn sie durchhält" +++

Der frühere Bundeswehr- und Nato-General Hans-Lothar Domröse geht davon aus, dass die Ukraine dem russischen Vormarsch im Donbass in den kommenden Wochen nicht vollständig standhalten kann. "Jetzt kommt der große Schwung der Weltmacht Russland zum Tragen. (...) Sie sind reichweiten- und zahlenmäßig überlegen", sagte Domröse am Freitag dem Nachrichtenradio MDR Aktuell. Die ukrainischen Kräfte könnten den Vormarsch maximal hier und da verzögern.

Ab Herbst könnten die Ukrainer aber wieder mehr Widerstand leisten, so Domröse. In etwa einem halben Jahr werde das Land viel mehr westliche Waffensysteme haben und die Soldaten viel besser an diesen ausgebildet sein. "Bis dahin werden sie aber noch schwere Schläge hinnehmen müssen", sagte Domröse. Die Zeit spiele etwas für die Ukraine, "wenn sie durchhält".

+++ Brenzlige Lage für Ukrainer im Osten +++

Die ukrainische Armee steht im äußersten Osten ihrer Front stark unter Druck. Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk wurde am Donnerstag mit Artillerie und aus der Luft beschossen, wie Gouverneur Serhij Hajdaj mitteilte. Der ukrainische Generalstab teilte mit, der Angriff auf die Stadt und ihren Vorort Boriwske sei aber nicht erfolgreich. Die Militärangaben waren nicht unabhängig überprüfbar. In einem anderen Dorf in der Nähe, in Ustyniwka, habe die russische Seite einen Teilerfolg errungen, hieß es.

Die Großstädte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk sind derzeit die äußersten ukrainischen Vorposten im Osten. Kämpfe gibt es aber auch schon im Rückraum dieser Städte, damit drohen ukrainische Truppen abgeriegelt zu werden. Auf der Nordseite dieses möglichen Kessels sei die Stadt Lyman verloren worden, bestätigte Präsidentenberater Olexyj Arestowytsch im ukrainischen Fernsehen. Auf der Südseite gab es Kämpfe um die Orte Komyschuwacha, Nirkowe und Berestowe.

Bei Raketenangriffen auf die ostukrainische Stadt Charkiw seien neun Menschen getötet worden, darunter ein fünf Monate altes Kind mit seinem Vater, sagte Selenskyj. 19 Menschen seien verletzt worden.

+++ Selenskyj hält Europäer für zögerlich +++

In seinem Video fragte der ukrainische Präsident, warum die EUso lange brauche, um ein sechstes Sanktionspaket zu verabschieden. Noch immer verdiene Russland Milliarden mit Energieexporten, noch seien nicht alle russischen Banken sanktioniert. Wie lange müsse die Ukraine darum kämpfen, die notwendigen Waffen zu bekommen, fragte er. "Die Ukraine wird immer ein unabhängiger Staat sein und nicht zerbrechen." Die Frage sei, welchen Preis die Ukraine für ihre Freiheit zahlen müsse.

Derweil zieht die US-Regierung einem Medienbericht zufolge in Erwägung, fortschrittliche Langstrecken-Raketensysteme in die Ukraine zu schicken. Die in den USA hergestellten Waffensysteme könnten Raketen über Hunderte Kilometer abfeuern, berichtete der Sender CNN unter Berufung auf mehrere Beamte. Ein neues militärisches Hilfspaket könnte bereits in der kommenden Woche angekündigt werden. Die Ukraine habe um diese Art von Waffen gebeten, hieß es weiter. Allerdings sei die US-Regierung zögerlich gewesen, da befürchtet werde, dass die Ukraine die Raketensysteme für Angriffe auf russisches Gebiet nutzen könnte. Es stelle sich die Frage, ob dies eine russische Vergeltungsmaßnahme zur Folge haben könnte, so CNN.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hielt unterdessen Selenskyj fehlende Verhandlungsbereitschaft vor. Der Westen unterstütze den ukrainischen Staatschef auch noch in dieser Haltung, sagte Lawrow dem arabisch-sprachigen Ableger des staatlichen Fernsehkanals RT. Selenskyj hatte zuvor gesagt, er werde nur mit Kremlchef Wladimir Putin direkt verhandeln - und das erst, wenn Russland sich auf die Grenzen vor dem 24. Februar zurückziehe. "Dass das nicht ernsthaft ist, muss man niemandem erklären und beweisen", sagte Lawrow.

In den ersten Wochen nach dem russischen Überfall hatten Moskau und Kiew noch verhandelt. Die Gespräche kamen aber zum Erliegen, als die Gräueltaten russischer Soldaten nach dem Rückzug aus Kiewer Vororten wie Butscha ans Licht kamen.

+++ Russische Nationalgardisten wollen nicht in den Krieg +++

Im russischen Nordkaukasus haben 115 Nationalgardisten einen Einsatz im Krieg gegen die Ukraine verweigert. Dies trug ihnen eine Kündigung ein, die von einem Militärgericht in Naltschik für rechtmäßig erklärt wurde. Den Angaben nach hatten die Nationalgardisten aus der Teilrepublik Kabardino-Balkarien sich geweigert, Befehlen zu gehorchen, und waren in ihre Kasernen zurückgekehrt.

+++ USA sehen Schuld an Getreideblockade bei Russland +++

Die US-Regierung wies Russlands Forderung nach einer Aufhebung der Sanktionen im Gegenzug zu einer Freigabe ukrainischer Getreidevorräte zurück. "Es ist Russland, das aktiv die Ausfuhr von Lebensmitteln aus ukrainischen Häfen blockiert und den Hunger in der Welt vergrößert", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, in Washington. In Silos in der Ukraine und auf Schiffen lagere viel Getreide, das wegen der russischen Seeblockade nicht verschifft werden könne. Die Sanktionen würden weder die Ausfuhr noch die notwendigen Geldtransaktionen verhindern.

+++ Nato-Manöver mit künftigen Mitgliedern an der Ostsee im Sommer +++

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine findet im Juni unter Führung der USAein großes multinationales Manöver im Ostseeraum statt. An der jährlichen maritimen Übung "Baltops 22" werden neben 14 Nato-Staaten wie Deutschland auch die Partnerländer Schweden und Finnland teilnehmen. Das sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby. Dabei sein sollen 45 Marineeinheiten, 75 Flugzeuge und rund 7.000 Soldaten.

Schweden ist dieses Jahr Gastgeber des Manövers, das vom 5. bis 17. Juni geplant ist. Wegen Russlands Einmarsch in die Ukraine haben Schweden und Finnland die Mitgliedschaft in der Nato beantragt. Das Manöver findet bereits seit 1972 regelmäßig im Ostseeraum statt.

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/news.de/dpa

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