Ukraine-Krieg im News-Ticker: Tichanowskaja ruft Westen zu Geschlossenheit auf
Erstellt von Claudia Löwe
24.05.2022 19.35
Drei Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine erwartet Präsident Wolodymyr Selenskyj weitere schwere Wochen für sein Land. Erneut fordert er mehr Waffen vom Westen, damit die Ukraine sich verteidigen kann.
Ukraine-Krieg tobt seit drei Monaten - mehr als 6,5 Geflohene, mindestens 3.930 zivile Todesopfer
Seit Kriegsbeginn haben die Vereinten Nationen mittlerweile mehr als 6,5 Millionen Menschen registriert, die aus der Ukraine geflohen sind - ein Großteil davon nach Polen. Mindestens 3.930 zivile Todesopfer wurden dokumentiert, die Zahl der von den UN bestätigten Verletzen beträgt 4.532. Schon jetzt seien die Verluste der Russen in der Ukraine so hoch wie die der Sowjets in Afghanistan, schätzt der britische Geheimdienst.
Friedensverhandlungen liegen derweil auf Eis. "Die kommenden Wochen des Krieges werden schwierig sein", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache am Montag. "Dennoch haben wir keine Alternative als zu kämpfen. Kämpfen und gewinnen." Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht derweil ein Öl-Embargo gegen Russland "in greifbarer Nähe".
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+++ Tichanowskaja ruft Westen zu Geschlossenheit auf +++
Die belarussische Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja hat den Westen angesichts des Ukraine-Kriegs zu Geschlossenheit aufgerufen. "Für uns ist es sehr wichtig, dass der Westen bei der Unterstützung der Ukraine und Belarus vereint bleibt. Heute versuchen Diktatoren, diese Einheit zu brechen, einen Keil zwischen die Vereinigten Staaten und die Europäische Union, zwischen einzelne EU-Länder zu treiben", sagte sie am Dienstag in einer Rede im litauischen Parlament in Vilnius.
Ein Sieg der Ukraine in dem von Russland begonnenen Krieg sei für alle Völker notwendig - auch ihres eigenes. "Ohne eine freie Ukraine wird es kein freies Belarus geben, und ohne ein freies Belarus wird es keine sichere Ukraine und kein sicheres Europa geben", betonte die im Exil in Litauen lebende Tichanowskaja. Die Bürgerrechtlerin dankte dem baltischen EU-Land für die Unterstützung der Demokratiebewegung in Belarus im Kampf gegen Machthaber Alexander Lukaschenko.
Tichanowskaja war genau ein Jahr nach der erzwungenen Landung eines Ryanair-Flugzeuges in Minsk von der Volksvertretung in Vilnius eingeladen worden, eine Ansprache zu halten. Belarus habe seitdem den "Weg der Stärkung der Diktatur von Lukaschenko" fortgesetzt, sagte die litauische Parlamentspräsidentin Viktorija Cmilyte-Nielsen.
+++ Russland zeigt sich nach drei Monaten Krieg siegesgewiss +++
Nach drei Monaten Krieg gegen die Ukraine gibt sich Russland trotz Rückschlägen weiter siegesgewiss. "Trotz der umfangreichen westlichen Hilfe für das Kiewer Regime und des Sanktionsdrucks auf Russland werden wir die spezielle Militäroperation fortsetzen, bis alle Aufgaben erfüllt sind", sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Dienstag der Agentur Interfax zufolge. Russland hatte am 24. Februar mit dem Angriff auf das Nachbarland begonnen, was massive Sanktionen des Westen nach sich zog. Der Krieg wird von Moskau nur "spezielle Militäroperation" genannt.
Schoigu wiederholte die Behauptung, Russland habe sich zu dem Angriff gezwungen gesehen - "zum Schutz unserer Leute vor einem Genozid und auch zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine". Der Vizechef des nationalen Sicherheitsrats, Nikolai Patruschew, erklärte: "Alle vom Präsidenten (Wladimir Putin) gesetzten Ziele werden erreicht. Anders kann es gar nicht sein, weil die Wahrheit, auch die historische, auf unserer Seite ist." Der ehemalige Geheimdienstchef, der zu Putins engen Vertrauten gehört, stellte seine Landsleute zugleich auf länger anhaltende Kämpfe ein. "Wir hecheln nicht irgendwelchen Fristen hinterher", sagte er der Boulevardzeitung "Argumenty i Fakty".
+++ Ukrainischer Verteidigungsberater: Hauptziel in Mariupol erreicht +++
Trotz des Falls der Hafenstadt Mariupol sieht ein Berater des ukrainischen Verteidigungsministers das militärische Hauptziel dort als erreicht an. "Das Hauptziel wurde erreicht in Mariupol. Es war, die russischen Gruppierungen zurückzuhalten, (...) mehr als 20.000 russische Soldaten. Und das wurde möglich gemacht Dank der Heldentaten der Verteidiger von Mariupol und der Verteidiger, die später in Azovstal waren", sagte Jurij Sak am 24. Mai im ARD-"Morgenmagazin". Dadurch hätten die russischen Truppen keine anderen Gebiete im Osten der Ukraine erobern können.
Die Soldaten von Azovstal hätten den Ukrainern Zeit gegeben, sich neu zu gruppieren und mehr Militärhilfe von ihren internationalen Partnern zu erhalten. "Aus dieser Perspektive wurde das Ziel erreicht", so Sak. Die letzten ukrainischen Kämpfer im Asow-Stahlwerk in Mariupol hatten sich in der vergangenen Woche ergeben.
Die Ukraine werde den Krieg als gewonnen ansehen, wenn sich die russischen Truppen an die Grenzen zurückzögen, die vor dem 24. Februar gültig waren, sagte Sak. "Dieser Aggressionskrieg gegen die Ukraine hat natürlich 2014 angefangen, als Russland die Halbinsel Krim annektiert hat", so der Berater weiter. Eine Rückgabe der Krim müsse daher auch Teil von Verhandlungen sein. Das Hauptziel sei zunächst jedoch, das Gebiet zu befreien. "Der Rest der Ziele kann dann diplomatisch verhandelt werden."
+++ Selenskyj fordert mehr schwere Waffen +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach drei Monaten Krieg vom Westen moderne Raketenabwehrwaffen und Kampfflugzeuge gegen russische Angriffen gefordert. Viele Menschen wären "nicht gestorben, wenn wir alle Waffen erhalten hätten, um die wir bitten", sagte Selenskyj am Montagabend in einer neuen Videobotschaft. Sein Land sei seit Kriegsbeginn am 24. Februar Ziel von 3.000 Luftangriffen und annähernd 1.500 Raketenangriffen gewesen. Die große Mehrheit der Angriffe habe zivilen Objekten gegolten.
Alle Partner der Ukraine seien sich einig, dass der Kampf seines Landes gegen Russland dem "Schutz der gemeinsamen Werte aller Länder in der freien Welt" diene, sagte Selenskyj weiter. Deshalb habe sein Land ein Recht auf Waffenhilfe. Im Osten der Ukraine, wo die russische Armee ihre Aktivitäten konzentriert habe, bleibe die Lage schwierig. Er erwarte nicht, dass Russland die besetzten Gebiete in der Region Charkiw und anderen Regionen aufgeben werde. "Die kommenden Kriegswochen werden schwierig", fügte er hinzu.
+++ Ukraine hofft weiter auf Austausch von Mariupoler Kämpfern +++
Die in der Hafenstadt Mariupol gefangen genommenen ukrainischen Soldaten sollen nach dem Willen von Präsident Wolodymyr Selenskyj ausgetauscht werden. "Wir müssen sie austauschen", sagte Selenskyj der ukrainischen Agentur Interfax zufolge bei einer Videoschalte ins ukrainische Haus im schweizerischen Davos, wo derzeit das Weltwirtschaftsforum stattfindet. Der Austausch sei eine politische Entscheidung, die von der Unterstützung vieler Staaten abhänge. Alle UN-Mitglieder - insbesondere die, die mit solchen Angelegenheiten Erfahrung hätten - sollten sich einschalten.
Im Stahlwerk von Mariupol im Süden der Ukraine hatten sich am Freitagabend nach wochenlanger Belagerung die letzten von mehr als 2.400 ukrainischen Kämpfern ergeben. Als Kriegsgefangene genießen sie nun eigentlich Schutz. Von russischer Seite gibt es auch Forderungen, sie vor Gericht zu stellen. In der Ukraine war am Montag ein erster russischer Soldat wegen Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Auf die Frage nach einer möglichen Rückeroberung der von Russland seit 2014 annektierten Krim antwortete Selenskyj, das würde Hunderttausende ukrainische Soldaten das Leben kosten. Zu einem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin sei er nur bereit, wenn es um die Beendigung des Krieges gehe. "Sonst gibt es nichts zu besprechen." Selenskyj lehnte es ab, sich mit anderen Vertretern der russischen Seite zu treffen. Das Kriegsende werde in einem Staat wie Russland nur vom Präsidenten persönlich entschieden.
+++ Ukraine berichtet wieder von getöteten Zivilisten +++
Bei russischen Angriffen im Osten der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben am Montag drei Zivilisten getötet worden. Sechs weitere Menschen seien verletzt worden, schrieb der Gouverneur des Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, auf Telegram.
Ebenfalls im Osten der Ukraine soll Infrastruktur der Eisenbahn zerstört worden sein. Bei vier Raketeneinschlägen im Gebiet Dnipropetrowsk seien Gleise sowie die Oberleitungen schwer beschädigt worden, teilte Gouverneur Walentyn Resnitschenko auf seinem Telegram-Kanal mit. In vielenRegionen des Landes - vor allem in der Zentralukraine und im Osten - gab es in der Nacht Luftangriffe.
+++ Habeck:Öl-Embargo greifbar +++
Bundeswirtschaftsminister Habeck sieht ein Öl-Embargo gegen Russland "in greifbarer Nähe". Es gebe nur noch wenige Staaten, die Probleme anmeldeten - vor allem Ungarn, sagte der Vizekanzler am Montag im ZDF-"Heute Journal". Man könne Rücksicht nehmen, dann müsse aber auch in Ungarn "was passieren". Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, den Import von russischem Rohöl in sechs Monaten zu beenden. Als Kompromiss will sie Ungarn mehr Zeit einräumen.
+++ Lawrow: Russland sollte auf Eurasien setzen +++
Sanktionen und die "diktatorische Position" des Westens gegenüber Russland beschleunigen nach Aussagen des russischen Außenministers Sergej Lawrow die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen seines Landes zu China. Moskau werde sich nur auf sich selbst und auf diejenigen Staaten verlassen, die "ihre Zuverlässigkeit bewiesen haben", sagte Lawrow den Agenturen Ria Nowosti und Tass zufolge. Russlands Zukunft liege in der Region Eurasien. Hier seien China, Indien und der Iran wichtige Partner.
+++ "Time Magazine" listet Selenskyj unter 100 einflussreichsten Menschen +++
Selenskyj ist vom "Time Magazine" zu einem der 100 einflussreichsten Menschen des Jahres 2022 gekürt worden. "Mit Präsident Selenskyj haben die Menschen in der Ukraine ein Staatsoberhaupt, das ihrer Tapferkeit und ihrer Widerstandsfähigkeit würdig ist, während Bürger über das ganze Land hinweg... für ihr Zuhause und ihre Freiheit kämpfen", schreibt dazu US-Präsident Joe Biden. Im russischen Krieg gegen sein Land habe Selenskyj "seine Spuren in der Geschichte hinterlassen". Auch der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj, schaffte es auf die bereits am Montag veröffentlichte Liste, auf der auch Putin zu finden ist.
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loc/news.de/dpa