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Ukraine-Krieg im News-Ticker: Verteidigungsministerium will Ukraine 2000 Panzerfäuste liefern

Ukrainische Einheiten wehrten nach eigener Darstellung bei neuen Kämpfen um Charkiw im Osten des Landes einen Angriff russischer Truppen ab. Bild: picture alliance/dpa/AP | Andrew Marienko

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Die Kiewer Führung hält ein Eingreifen von Belarus an der Seite Russlands in den Krieg gegen die Ukraine aktuell für wenig wahrscheinlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko sich für eine Teilnahme am Krieg entscheide, liege "bei 15 bis 20 Prozent", sagte der ukrainische Präsidentenberater Olexij Arestowitsch nach Angaben der Agentur Unian. Lukaschenko ist ein enger Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die russische Armee nutzt Belarus als Aufmarschgebiet gegen die Ukraine, doch Belarus beteiligt sich trotz wiederholten Drängens aus Moskau bislang nicht aktiv am Krieg. Der ukrainische Generalstab geht davon aus, dass sich viele belarussische Soldaten und Offiziere einem Einsatz widersetzen.

In der Nacht auf Mittwoch berichteten ukrainische Quellen von weiteren russischen Angriffen auf die Stadt Charkiw im Osten des Landes und auf Riwne im Nordwesten. Im Bemühen um eine abgestimmte westliche Reaktion auf den Krieg bricht US-Präsident Joe Biden am Mittwoch zu einer Reise nach Europa auf. Am Donnerstag wird in Brüssel ein Gipfeltreffen der Nato stattfinden, bei dem auch der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj aus Kiew zugeschaltet werden soll.

Ukraine-Krieg, Tag 28 im News-Ticker - Alle aktuellen Geschehnisse am 23.03.2022 im Überblick

+++ Verteidigungsministerium will Ukraine 2000 Panzerfäuste liefern +++

Das Verteidigungsministerium will der Ukraine 2000 weitere Panzerfäuste aus Beständen der Bundeswehr liefern. Einen entsprechenden Antrag stellte das Ressort von Ministerin Christine Lambrecht (SPD) am Mittwoch nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur an den Bundessicherheitsrat.

+++ Selenskyj fordert in französischen Parlament mehr Druck auf Russland +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in einer Videoansprache vor dem französischen Parlament mehr Druck auf Russland gefordert. Selensky appellierte am Mittwoch in seinem Auftritt aus Kiew an französische Firmen, Russland zu verlassen und damit aufzuhören, einen Krieg zu finanzieren. Die Ukraine erwarte zudem, dass noch während der französischen Ratspräsidentschaft in der EU eine Entscheidung über ihren Beitrittsantrag falle. Selenskyj sprach von einer historischen Entscheidung zu einem historischen Moment. Frankreich hat noch bis Ende Juni die Ratspräsidentschaft.

Selenskyj betonte im Parlament erneut, dass es in dem Krieg nicht nur um sein eigenes Land gehe. Er sprach von der Überzeugung, die gemeinsame Freiheit für Paris und Kiew zu verteidigen. Die Senatoren und Abgeordneten erhoben sich zu seinen Ehren von ihren Plätzen. In den Kammern wehten ukrainische Flaggen. Auf Bitten Selenskyjs hielt das Parlament eine Schweigeminute für die Menschen, die im Krieg getötet wurden. Der ukrainische Präsident hat seit Kriegsbeginn schon vor mehreren Parlamenten per Videobotschaft gesprochen, auch vor dem Bundestag.

+++ Nato will Ukraine bei Schutz vor Biowaffen-Angriff helfen +++

Die Nato will die Ukraine beim Schutz gegen einen möglichen Angriff Russlands mit chemischen oder biologischen Waffen helfen. Er erwarte, dass der Nato-Sondergipfel sich am Donnerstag darauf einigen werde, zusätzliche Unterstützung zu leisten, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch in Brüssel. Darunter seien Ausrüstung zum Schutz vor chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Bedrohungen sowie Hilfe bei der Cybersicherheit. Details wollte Stoltenberg nicht nennen.

Der Nato-Generalsekretär warnte Russland, dass der Gebrauch chemischer Waffen den Charakter des Kriegs völlig verändern würde und weitreichende Konsequenzen hätte. Man sei besorgt - auch, weil Russland chemische Waffen schon eingesetzt habe. "Wir sind entschlossen, alles zu tun, um die Ukraine zu unterstützen", versicherte Stoltenberg. Ein Nato-Beitritt des Landes stehe derzeit jedoch nicht auf der Agenda.

+++ G7-Minister verurteilen Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen +++

Die Gesundheitsminister der sieben führenden Industrienationen haben den Beschuss medizinischer Einrichtungen im Ukraine-Krieg scharf verurteilt. Seit Beginn der russischen Invasion seien 64 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen in einem System der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dokumentiert, heißt es in einer am Mittwoch verbreiteten Erklärung der deutschen G7-Präsidentschaft. Neben den unmittelbar Getöteten und Verletzten beeinträchtige dies den Zugang zur Versorgung besonders für Kranke und Verwundete, Kinder, schwangere Frauen, ältere und andere gefährdete Menschen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch), Präsident Wladimir Putin habe Russland aus dem Kreis der Staaten verabschiedet, die das Völkerrecht achteten. Er schrecke nicht einmal davor zurück, Entbindungsstationen zu bombardieren. "Der gezielte Beschuss von Krankenhäusern und anderen Einrichtungen des Gesundheitssystems in der Ukraine ist blanker Terror.» Dem System dort drohe der Zusammenbruch. Um dies zu verhindern, würden unter anderem Arzneimittellieferungen erleichtert und der Einsatz von Ärzten in der Ukraine organisiert.

Der G7-Gruppe gehören Deutschland, Kanada, Frankreich, Italien, Japan, die USA und Großbritannien an.

+++ EU-Ratspräsident Michel: Putin muss "besiegt" werden +++


EU-Ratspräsident Charles Michel hält eine Niederlage von Kremlchef Wladimir Putin bei dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine für essenziell für die künftige Sicherheit in Europa. Michel sagte am Mittwoch im US-Sender CNN, wahrscheinlich habe die russische Führung gedacht, dass die EU gespalten würde und dass Europa und die USA auseinanderdividiert würden. Das sei ein Fehler gewesen. Michel sagte weiter: "Das bedeutet, dass wir vor allem dafür sorgen müssen, dass Putin besiegt wird. Das muss das aktuelle Ziel sein. Das ist eine Frage der Sicherheit für die Zukunft Europas und für die Zukunft der Welt."

Einen Monat nach dem Angriff auf die Ukraine organisieren die westlichen Staaten auf höchster Ebene ihr weiteres Vorgehen gegen Russland. US-Präsident Joe Biden wollte dafür am Mittwoch nach Europa fliegen. In Brüssel finden am Donnerstag Gipfeltreffen der Nato, der Siebener-Gruppe wichtiger Industriestaaten (G7) und der Europäischen Union (EU) statt.

+++ Nato will Ostflanke mit vier weiteren Verbänden verstärken +++

Die Nato will ihre Ostflanke zur Abschreckung Russlands mit vier weiteren Gefechtsverbänden verstärken. Wie Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch in Brüssel mitteilte, sind als Standorte für die sogenannten Nato-Battlegroups die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien vorgesehen.

+++ Baerbock: Weitere Flugabwehr-Systeme auf dem Weg +++

Deutschland liefert nach Angaben von Außenministerin Annalena Baerbock derzeit weitere Luftabwehrraketen vom Typ Strela an die Ukraine. "Die weiteren Strela-Lieferungen sind auf dem Weg", sagte die Grünen-Politikerin am Mittwoch im Bundestag. Die Ukraine hat bisher von Deutschland 500 Strela-Luftabwehrraketen erhalten. Ursprünglich war von bis zu 2700 die Rede. Baerbock betonte nun: "Wir sind einer der größten Waffenlieferer in dieser Situation. Das ist nichts, was uns stolz macht, sondern das ist das, was wir jetzt tun müssen, um der Ukraine zu helfen."

Die "Bild"-Zeitung hatte zuvor gemeldet, Deutschland wolle nun doch nahezu alle der Anfang März in Aussicht gestellten 2700 Strela-Systeme an die Ukraine liefern. Darauf habe sich der Bundessicherheitsrat verständigt, meldete das Blatt unter Berufung auf informierte Kreise. Baerbock äußerte sich in der Aussprache über den Haushaltsentwurf für das Auswärtige Amt.

Der Entwurf sieht Ausgaben von knapp 6,6 Milliarden Euro vor, gegenüber 6,3 Milliarden im Vorjahr. Mehr als die Hälfte (3,56 Milliarden) soll für die Sicherung von Frieden und Stabilität ausgeben werden. Davon entfallen 962 Millionen auf Leistungen an die Vereinten Nationen und im internationalen Bereich (2021: 648 Millionen). Für die bilaterale Zusammenarbeit und die Pflege der Auslandsbeziehungen sind 165 Millionen Euro vorgesehen. Rund eine Milliarde soll für die Pflege der kulturellen Beziehungen bereitgestellt werden.

+++ Putin: Russisches Gas muss nun in Rubel bezahlt werden +++

Für Gaslieferungen aus Russland müssen Kunden in Deutschland und anderen EU-Staaten künftig in Rubel bezahlen. Der russische Präsident Wladimir Putin wies am Mittwoch die Regierung an, keine Zahlungen in Dollar oder Euro mehr zu akzeptieren. Die Lieferungen würden weiter in vollem Umfang gewährleistet, versicherte der Kremlchef in einer Videokonferenz der Regierung, die im Staatsfernsehen übertragen wurde. Eine Zahlung für russische Waren in Devisen habe ihren Sinn verloren.

Betroffen sind demnach die von Russland auf einer schwarzen Liste festgehaltenen "unfreundlichen Staaten". Dazu gehören Deutschland und alle anderen EU-Staaten, aber etwa auch die USA, Kanada und Großbritannien. Die Ankündigung sorgte prompt für eine Stärkung der russischen Währung, die massiv unter Druck steht.

Die Zentralbank und die russische Regierung hätten nun eine Woche Zeit, die Modalitäten für die Umstellung von Devisen- und auf Rubelzahlungen festzulegen, sagte Putin. Der Westen habe selbst seine Währungen entwertet, indem russische Aktiva im Ausland eingefroren worden seien. Als Reaktion auf die Sanktionen des Westens hatte die russische Regierung bereits Anfang des Monats beschlossen, dass eigene finanzielle Verpflichtungen bei «unfreundlichen Staaten» nur noch in Rubel beglichen werden. Darunter sind auch die Ukraine, die Schweiz und Japan.

+++ Scholz warnt Putin vor Einsatz chemischer und biologischer Waffen +++

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin explizit davor gewarnt, in der Ukraine chemische oder biologische Kampfstoffe einzusetzen. Dies teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin mit. Auf die Frage eines Journalisten, ob Scholz den Kremlchef in einem Gespräch vor dem Einsatz solcher Waffen gewarnt habe und welche möglichen Konsequenzen er erwähnt habe, antwortete Hebestreit, der Kanzler habe in einem Interview gesagt, "dass er ihn in einem direkten Gespräch gewarnt habe". "Aber es wurden keine weiteren Konsequenzen weiter diskutiert, die ich hier mitzuteilen habe."

Scholz hat seit Beginn des Ukraine-Kriegs vor knapp einem Monat mehrere Telefonate mit Putin geführt. Kurz zuvor war der Kanzler zu einem Besuch im Kreml.

+++ Ukraine: Verhandlungen mit Russland "ziemlich schwierig" +++

Seit fast einem Monat kämpft Wladimir Putin nun schon um die Ukraine. Bild: picture alliance/dpa/Pool Sputnik Kremlin/AP | Mikhail Klimentyev

Die Gespräche zwischen der Ukraine und Russland über ein Ende der Kampfhandlungen gestalten sich nach Angaben beider Seiten kompliziert. «Die Verhandlungen sind ziemlich schwierig, weil die ukrainische Seite klare und grundsätzliche Positionen einnimmt», sagte der ukrainische Verhandler Mychajlo Podoljak am Mittwoch örtlichen Medien zufolge. Staatschef Wolodymyr Selenskyj habe die Schlüsselfragen wiederholt deutlich gemacht. Auch Moskau sprach von schleppenden Verhandlungen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow behauptete, die USA täten alles, um die Gespräche zu verzögern.

Die Ukraine fordert ein Ende der Kämpfe sowie einen Abzug der russischen Truppen. Moskau verlangt, dass Kiew die Separatistengebiete im Osten des Landes als unabhängige Staaten sowie die russische Herrschaft über die annektierte Halbinsel Krim anerkennt. Die Delegationen hatten sich mehrfach persönlich im Nachbarland Belarus getroffen. Mittlerweile wird in Videokonferenzen verhandelt.

+++ Russische Soldaten sollen hochmodernes Labor im AKW Tschernobyl zerstört haben +++

Wie Kyiv Post" unter Berufung auf Beamte der ukrainischen Regierung sowie Nachrichtenagenturen berichtet, sollen russische Truppen, die das Atomkraftwerk Tschernobyl besetzen, ein hochmodernes Labor für die Analyse radioaktiver Stoffe zerstört haben.

Laut der staatlichen Agentur für die Verwaltung von Sperrgebieten hätten Soldaten die Einrichtung mutwillig zerstört. Der Wert des Labors wird auf sechs Millionen Euro geschätzt. Dem Bericht nach sollen die Truppen Laborproben entwendet haben, von denen einige hoch radioaktiv und gefährlich sind – sowohl für die Soldaten, die sie gestohlen haben, als auch für jeden weiteren Menschen sowie Pflanzen und Tiere, mit denen die Soldaten in Kontakt kommen.

"Das Labor enthielt hochradioaktive Proben und Proben von Radionukliden (...), die jetzt in den Händen des Feindes sind. (...) Wir hoffen, dass er sich selbst und nicht der zivilisierten Welt schaden wird", hieß es in einem Statement der Regierung.

Russische Soldaten sollen ein hochmodernes Labor im Tschernobyl-AKW zerstört haben. Bild: picture alliance/dpa/AP | Efrem Lukatsky

+++ Kreml warnt vor Nato-Friedensmission in Ukraine +++

Der Kreml hat vor einer möglichen Nato-Friedensmission in der Ukraine gewarnt. "Das wäre eine sehr unbedachte und äußerst gefährliche Entscheidung», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge. In der Ukraine laufe derzeit eine "militärische Spezial-Operation", sagte Peskow - so wird der Krieg von Moskau offiziell genannt. "Und jedes mögliche Aneinandergeraten unserer Soldaten mit Soldaten der Nato kann durchaus nachvollziehbare, schwer zu behebende Folgen haben."

Polen will beim Nato-Gipfel an diesem Donnerstag in Brüssel seinen Vorschlag für eine Friedensmission in der Ukraine offiziell einbringen. Der Vorstoß rief im Kreis der Nato-Partner allerdings bislang auf ein geteiltes Echo. Kremlsprecher Peskow sagte darüber hinaus, dass ein mögliches Eingreifen von anderen Mitgliedern eines von Russland dominierten Militärbündnisses nicht diskutiert werde. Die Ukraine hat wiederholt die Sorge geäußert, dass sich etwa Belarus, das der sogenannten Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) angehört, mit eigenen Truppen am Krieg beteiligen könnte.

+++ Moskau: Russische Raketen zerstören Waffen in Ukraine +++

Russische Raketen haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau erneut mehrere militärische Ziele in der Ukraine angegriffen. Eine vom Meer aus abgefeuerte Rakete habe in der Region Riwne im Nordwesten der Ukraine Waffen und Militärtechnik zerstört, darunter auch Lieferungen des Westens, sagte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow am Mittwoch.

Der Einschlag ereignete sich demnach am Dienstag rund 14 Kilometer nordwestlich der Stadt Riwne. Dazu veröffentlichte das Ministerium ein Video von einem Raketenstart des Küstensystems "Bastion" und den Start einer von einem Schiff abgeschossenen Flügelrakete vom Typ "Kaliber".

In einem Industriegebiet in der Nähe von Kiew seien zwei Startkomplexe für die ukrainischen Raketen vom Typ "Totschka-U" zerstört worden. Zudem seien ein Kampfjet vom Typ Su-24 und mehrere Kampfdrohnen abgeschossen worden, teilte der Generalmajor mit. Zu Toten machte Konaschenkow keine Angaben. Insgesamt seien innerhalb von 24 Stunden (seit Dienstag) knapp 100 militärische Objekte zerstört worden, hieß es. Die Informationen des Ministeriums waren nicht von unabhängiger Seite überprüfbar.

+++ Kiew fordert "vier Schritte" zur Hilfe gegen Angriffe +++

Zum Kampf gegen die russischen Truppen fordert die Ukraine weitere Waffenlieferungen. Eine moderne Flugabwehr sowie Marschflugkörper und Granaten seien notwendig, twitterte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak am Mittwoch. Dies gelte vor allem für den Fall, dass es weiterhin keine Flugverbotszone über der Ukraine gebe. Die Nato lehnt dies ab, weil sie befürchtet, damit in einen direkten Konflikt mit Russland zu kommen.

Podoljak forderte von den "lieben Partnern" mehrere Maßnahmen. "Ihr wollt nicht mehr von den toten Augen unserer ermordeten Kinder träumen und die Hitze von Mariupol spüren?", schrieb er. Dann seien "nur vier Schritte" nötig, um dies zu ändern. Neben Flugabwehr und Marschflugkörpern nannte Podoljak auch ein hartes Embargo für russisches Öl sowie die Schließung von Häfen für russische Schiffe.

+++ Kiews Bürgermeister Klitschko: "Das ist ein Genozid" +++

Der Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew, Vitali Klitschko, hat den russischen Angriff auf sein Land als Völkermord bezeichnet. "Das ist ein Genozid", sagte der 50 Jahre alte ehemalige Profiboxer am Mittwoch in einer Live-Schalte mit dem Stadtrat der Kiewer Partnerstadt München. "Die vernichten die Zivilbevölkerung, die vernichten unser Land."

Seine Stadt werde mit Raketen beschossen, die "in einem Radius von 500 Metern jedes menschliche Leben" töteten, sagte Klitschko. Das sei kein Angriff auf das Militär, sondern auf die Bevölkerung. Wie viele Ukrainer bislang gestorben seien, könne er nicht sagen: "Wir können die Leichen nicht zählen." Jeden Morgen, bevor er die Augen öffne, glaube er kurz, "dass es ein schlechter Traum war". "Das ist alles ein Alptraum, was passiert." Doch: "Ich mache meine Augen auf und sehe: Es ist eine harte Realität, sehr harte Realität." Er rief Deutschland auf, Wirtschaftsbeziehungen zu Russland einzustellen, auch wenn das schwierig sei. "Russland investiert jeden Euro, jeden Cent, in seine Armee."

Vitali Klitschko wirf Russland "Genozid" vor. Bild: picture alliance/dpa/AP | Efrem Lukatsky

+++ Kiew: Neun Fluchtkorridore aus umkämpften Städten am Mittwoch geplant +++

Für die Rettung der Zivilbevölkerung aus umkämpften Städten und Dörfern in der Ukraine sind am Mittwoch nach Angaben aus Kiew insgesamt neun Fluchtkorridore vorgesehen. So soll die Evakuierung der belagerten Hafenstadt Mariupol fortgesetzt werden, wie Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk in einer Videobotschaft sagte. Für die Fahrt in die südukrainische Großstadt Saporischschja stünden rund zwei Dutzend Busse bereit. Nach russischen Angaben halten sich in Mariupol am Asowschen Meer noch 100 000 bis 150 000 Menschen auf. Dort herrschen katastrophale Bedingungen, es gibt kaum Essen, Wasser und Strom.

Auch aus den Orten Polohy und Huljajpole sind Fluchtkorridore nach Saporischschja geplant. Nordöstlich der Hauptstadt Kiew sind drei Routen vorgesehen: Aus Welyka Dymerka, dem benachbarten Bohdaniwka und Switylnja sollen Menschen in die Kiewer Vorstadt Browary gebracht werden, aus Borodjanka nordwestlich der Hauptstadt ist eine Evakuierung ins südlich gelegene Bila Zerkwa geplant. Schließlich soll es zwei Fluchtkorridore im ostukrainischen Gebiet Luhansk geben, von Rubischne sowie Nyschnje jeweils nach Bachmut.

Die Evakuierungsrouten geben Beobachtern Hinweise auf den Frontverlauf sowie die Schwerpunkte der Kämpfe. Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, diese Korridore zu beschießen und Zivilisten an der Flucht zu hindern.

+++ Prominente russische Journalistin verurteilt Moskaus Staatspropaganda +++

Die prominente russische Journalistin Schanna Agalakowa hat nach mehr als 20 Jahren beim Staatsfernsehen die Kremlpropaganda als lebensfern verurteilt. Im russischen Fernsehen werde nur noch die Geschichte von Kremlchef Wladimir Putin und Leuten aus seinem Umfeld erzählt. "Wir sehen nur den Machtapparat", sagte die langjährige Frankreich-Korrespondentin des russischen Ersten Kanals, die den Sender wegen Putins Krieg gegen die Ukraine verlassen hat. "In unseren Nachrichten gibt es kein Land, in unseren Nachrichten kommt Russland nicht vor."

Der Machtapparat habe die unabhängigen Medien erstickt. Viele kämpften weiter. "Das sind mutige, unglaublich kühne, tapfere Menschen, die ich unendlich schätze", sagte die 56-Jährige, die in Russland wegen ihrer Berichterstattung aus Frankreich eine Berühmtheit ist. Sie äußerte sich am Dienstag bei einem Auftritt in Paris bei der Organisation Reporter ohne Grenzen. Das Wesen der Propaganda in den russischen Staatsmedien hingegen sei es, Fakten zu verdrehen und ein lügenvolles Gemisch zu produzieren. "Ich möchte, dass die Menschen nicht weiter zu Zombies gemacht werden."

Agalakowa, die teils Französisch, teils Russisch sprach, sagte weiter: "(...) Eine freie Presse ist wichtig für jede beliebige Gesellschaft. Und wenn die Menschen sich selbst nicht mehr sehen in den Nachrichten, dann wissen sie nicht, an wen sie sich wenden können. Ihre Stimme wird nicht gehört. Das führt zu Selbstmord. Zu einem großen Selbstmord in den Ausmaßen des Landes." Ihr sei bewusst, dass sie in Russland nun des Verrats beschuldigt werde. "Mich hat niemand bezahlt. Ich bin keine Spionin", sagte sie in ihrer auch als Video verbreiteten Rede.

Zugleich zeigte sich Agalakowa betroffen, dass im Westen jetzt das Wort "russisch" vielfach gelöscht werde, in den Geschäften, in den Theatern und sozialen Zentren. «Ihr erstickt und tötet die russische Kultur», sagte sie. "Ich glaube nicht, dass das Euer Ziel ist, aber das ist auch ein unausweichliches Ergebnis Eurer Handlungen."

Nicht zuletzt würden die Sanktionen des Westens gegen Russlands Kriegs in der Ukraine vor allem die Menschen der Mittelschicht treffen, "die immer demokratische Werte geteilt haben». Diese Verbündeten verliere der Westen nun. Und ein Land mit mehr als 140 Millionen Menschen werde der Armut und Zerstörung preisgegeben, warnte sie. Schuld an der Lage sei der russische Staat. "Aber der Westen trägt auch seine Verantwortung."

+++ Russland will Mariupol für sichere Landverbindung zur Krim +++

Mit einer Eroberung der ukrainischen Hafenstadt Mariupol will Russland nach eigenen Angaben eine sichere Landverbindung auf die annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim schaffen. Sobald das russische Militär die wichtige Fernstraße M14 unter Kontrolle habe, sei die Krim wieder zuverlässig über einen Transportkorridor mit den ostukrainischen Separatistengebieten Donzek und Luhansk verbunden, sagte der stellvertretende Beauftragte von Präsident Wladimir Putin für den Föderationskreis Südrussland, Kirill Stepanow, am Mittwoch der Staatsagentur Ria Nowosti.

Die M14 führt vom südwestukrainischen Odessa, das bereits Ziel russischer Angriffe war, über das umkämpfte Mykolajiw und das von russischen Truppen besetzte Cherson nach Mariupol und von dort über die russische Grenze in die Großstadt Rostow am Don. Die Ukraine hatte nach der russischen Annexion der Krim 2014 die Eisenbahnlinien auf die Halbinsel geschlossen. "Wir sind zuversichtlich, dass alle Transport- und Eisenbahnlinien zwischen der Krim und dem von Nationalisten befreiten Gebiet Cherson in naher Zukunft vollständig wiederhergestellt sein werden", sagte Stepanow.

+++ Ukrainer wehren Angriff auf Charkiw ab +++

Ukrainische Einheiten wehrten nach eigener Darstellung bei neuen Kämpfen um Charkiw im Osten des Landes einen Angriff russischer Truppen ab. Dabei seien am Dienstagabend von russischer Seite auch Kampfhubschrauber vom Typ Ka-52 eingesetzt worden, wurde der regionale Befehlshaber Oleg Sinegubow von der "Ukrajinska Prawda" zitiert. "Unsere Truppen halten ihr Stellungen."

Schwierig sei die Lage in der etwa 100 Kilometer entfernten Stadt Isjum. Zu der belagerten Stadt gebe es keine Verbindung mehr. Alle Bemühungen um eine Fluchtkorridor für Zivilisten seien bisher von russischer Seite abgelehnt worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Das russische Militär beschoss demnach auch nicht näher bezeichnete Militäranlagen im Umkreis der Stadt Riwne im Nordwesten der Ukraine mit Raketen.

Selenskyj drohte allen Piloten russischer Kampfflugzeuge an, sie wegen ihrer Angriffe in der Ukraine persönlich zur Verantwortung zu ziehen. Den Piloten sei offenbar nicht klar, was für Befehle sie ausführten: "Die Tötung von Zivilisten ist ein Verbrechen." Nach Kiewer Darstellung sind seit Kriegsbeginn vor knapp vier Wochen bereits rund 100 russische Kampfflugzeuge abgeschossen worden.

+++ Selenskyj sieht schwierige Verhandlungen mit Moskau +++

Zu den Verhandlungen mit Russland über einen Ausweg aus dem Krieg sagte Selenskyj: "Sie sind sehr schwierig, manchmal skandalös, aber wir bewegen uns Schritt für Schritt vorwärts." Unterhändler der Ukraine seien tagtäglich im Einsatz, sagte er in einer in der Nacht zum Mittwoch verbreiteten Videoansprache. "Wir werden arbeiten, wir werden so viel wie möglich kämpfen. Bis zum Ende. Mutig und offen."

Er bedankte sich bei allen internationalen Kräften, die seinem Land helfen. Weitere Unterstützung erhofft sich Selenskyj von den drei in dieser Woche geplanten Gipfeltreffen von G7, Nato und EU. Er lud bei einem Telefonat auch Papst Franziskus zu einem Besuch in die Ukraine ein. Zu einer Antwort des Vatikans gibt es bisher keine Angaben.

+++ Kreml: Einsatz in der Ukraine verläuft nach Plan +++

Der russische Militäreinsatz in der Ukraine verläuft nach Worten von Kremlsprecher Dmitri Peskow "streng nach Plan". Der Verlauf entspreche den vorher festgelegten Zielen, sagte Peskow auf Englisch dem US-Sender CNN. Die Regierung in Moskau bezeichnet den Angriff auf die Ukraine als "speziellen Militäreinsatz", nicht als Krieg.

Auf die Frage, was Präsident Putin in der Ukraine bislang erreicht habe, sagte Peskow, dass die Ziele "noch nicht" erreicht seien. Als Ziel nannte er unter anderem das Dezimieren des ukrainischen Militärs. Kiew müsse zur Einsicht kommen, dass die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim nun ein "unverrückbarer Teil Russlands" sei. Zudem müsse die Ukraine anerkennen, dass die Separatistenregionen im Osten nun "unabhängige Staaten" seien.

Zuvor hatte US-Sicherheitsberater Jake Sullivan gesagt, Putin habe mit dem Krieg bislang keines seiner grundlegenden Ziele verwirklichen können. Die US-Regierung und auch die Ukraine erklären seit Tagen, dass die russischen Streitkräfte logistische Probleme hätten und vor allem im Norden und Osten des Landes kaum Fortschritte machten.

+++ Biden auf dem Weg nach Europa +++

US-Präsident Biden bricht am Mittwoch zu einer Reise nach Europa auf, die ganz im Zeichen des Kriegs in der Ukraine steht. Erste Station ist Brüssel. Dort informiert Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg über das für Donnerstag angesetzte Gipfeltreffen des westlichen Verteidigungsbündnisses. In New York soll die UN-Vollversammlung am Mittwoch über eine weitere Resolution gegen den Krieg Russlands in der Ukraine zusammenkommen.

Die Ukraine dürfte auch wichtiges Thema bei der Generaldebatte des Bundestags über den Haushalt 2022 werden. Dabei wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seine Politik darlegen. Er lehnte am Dienstag erneut einen sofortigen Import-Stopp für russische Energie als Druckmittel gegen Moskau ab. Sanktionen müssten einerseits einen starken Effekt auf Russland haben, andererseits aber auch für die eigene Volkswirtschaft verkraftbar sein, sagte er.

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/news.de/dpa

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