Politik

Marina Owsiannikowa vermisst: Kriegsgegnerin stürmt Staatsfernsehen - Gericht spricht Urteil

Marina Owsiannikowa protestiert mit einem Plakat im russischen Staatsfernsehen gegen den Ukraine-Krieg und wird festgenommen. Bild: picture alliance/dpa | Axel Heimken

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Dieser Auftritt im russischen Staatsfernsehen dürfte Wladimir Putin alles andere als gefallen haben. Mit einem Protestplakat und lauten Rufen stürmte eine Kriegsgegnerin die abendliche Hauptnachrichtensendung und sorgte für eine Unterbrechung.

Kriegsprotest im russischen Staatsfernsehen: Marina Owsiannikowa hält Anti-Propaganda-Schild hoch

Während der Live-Übertragung am Montag um 21 Uhr Moskauer Zeit (19 Uhr MEZ) sprang Marina Owsiannikowa plötzlich hinter Nachrichtensprecherin Jekaterina Andrejewa ins Bild und hielt ein Schild mit der Aufschrift "Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen" hoch. Dazu rief sie mehrmals laut: "Nein zum Krieg, Nein zum Krieg, Nein zum Krieg!" Anschließend brach die Übertragung ab und es wurden Bilder aus einem Krankenhaus gezeigt.

Weltweite Anerkennung für russische TV-Mitarbeiterin nach Protestaktion

Der Videoausschnitt verbreitete sich umgehend in sozialen Netzwerken. Vor allem russische Oppositionelle lobten die Frau für ihren Mut. "Was Mut wirklich bedeutet", schrieb der Pianist Igor Levit bei Twitter. In Russland ist es Medien verboten, den russischen Einmarsch in die Ukraine als "Krieg" oder "Invasion" zu benennen. Stattdessen ist offiziell von einer "militärischen Spezialoperation" die Rede. Welche Folgen die Protestaktion hat, ist bislang unklar. Laut "Bild"-Informationen werden nicht einmal ihre Anwälte zu ihr gelassen. Seit mehr als 12 Stunden haben sie und Journalisten nichts mehr von Marina Owsiannikowa gehört, keiner weiß, wo sie ist.

Marina Owsiannikowa festgenommen! Russisches Fernsehen spricht von "Vorfall"

Medienberichten zufolge handelt es sich bei der Frau um eine Mitarbeiterin des Staatsfernsehens, die ihre Protestaktion zuvor in sozialen Netzwerken angekündigt haben soll. Im Netz verbreitete sich ein zuvor aufgenommenes Video, in dem sie sagt, sie schäme sich dafür, jahrelang Kreml-Propaganda verbreitet zu haben. "Was in der Ukraine geschieht, ist ein Verbrechen." Verantwortlich für die Aggression sei nur Russlands Präsident Wladimir Putin. Sie rief ihre Landsleute dazu auf, gegen den Krieg zu protestieren. "Es liegt nur an uns, diesen ganzen Wahnsinn zu beenden." Die Behörden könnten nicht alle einsperren.

Der erste russische Fernsehkanal sprach in einer Mitteilung lediglich von einem "Vorfall" während der Sendung "Wremja" und kündigte eine interne Prüfung an. Nach ihrer Protestaktion sollMarina Owsjannikowa festgenommen worden sein. Anwälte der Bürgerrechtsorganisation IWD-Info hätten die Frau auch mehr als zehn Stunden nach der Protestaktion nicht kontaktieren können, schrieb der Ex-Chefredakteur des dichtgemachten Radiosenders Echo Moskwy, Alexej Wenediktow, bei Twitter. Laut der Bürgerrechts-Organisation OWD-Info seien seit Kriegsbeginn in Russland etwa 14.900 Menschen festgenommen worden, weil sie gegen den Ukraine-Krieg protestiert haben.

Nach Fernseh-Protest gegen Krieg: Marina Owssjannikowa verurteilt

Nach ihrem aufsehenerregenden Protest im russischen Staatsfernsehen gegen den Krieg in der Ukraine ist die Frau in Moskau zu 30.000 Rubel (226 Euro) Geldstrafe verurteilt worden. Die Urteil erging, weil Marina Owssjannikowa in einem Video zu Protesten gegen den Krieg von Kremlchef Wladimir Putin in der Ukraine aufgerufen habe, wie das Bürgerrechtsportal OWD-Info am Dienstag meldete. Der prominente russische Journalist Alexej Wenediktow hatte zuvor ein Foto der Redakteurin mit ihrem Anwalt Anton Gaschinski in einem Gerichtsgebäude veröffentlicht.

Zunächst war befürchtet worden, die Owssjannikowa könnte nach einem umstrittenen neuen Gesetz wegen Diffamierung der russische Armee verurteilt werden. Dabei drohen bis zu 15 Jahre Haft. Die Redakteurin des Ersten Kanals des russischen Staatsfernsehens hatte am Montagabend in den Hauptnachrichten ein Protestplakat gegen den Krieg in der Ukraine in die Kamera gehalten. Auf dem Plakat war auch zu lesen, dass die Zuschauer "hier belogen" werden. Owssjannikowa bezeichnete den russischen Angriff auf die Ukraine zudem in einem Video als Verbrechen.

In den russischen Staatsmedien ist es untersagt, von einem Krieg zu sprechen. Die Staatsführung nennt das Vorgehen im Nachbarland eine "militärische Spezialoperation" zur "Entmilitarisierung" und zur "Entnazifizierung" der Ukraine. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der jüdische Wurzeln hat, bedankte sich bei Owssjannikowa.

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/sba/news.de/dpa

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