Politik

Rechtsextreme in Kitas: «Kinder, die Heil Odin heißen»

Spielen in der Kita: Schon hier versuchen Rechtsextreme Einfluss zu nehmen - etwa mithilfe von Kinderbüchern. Bild: ddp

  • Artikel teilen:

Sie beraten Lehrerinnen und Erzieherinnen zum Kontakt mit Rechtsextremismus. Mit was für Problemen kommen die zu Ihnen?

Radvan: Wir beobachten, dass Pädagoginnen und Pädagogen im frühkindlichen Bereich zunehmend mit Kindern arbeiten, die in rechtsextremen Familien aufwachsen. Das heißt, dass sie zunehmend auch mit Eltern aus rechtsextremen Kreisen konfrontiert sind. Sie müssen daher Entscheidungen treffen, wenn zum Beispiel Kinder in die Einrichtung kommen, die Odin heißen oder Heil Odin. Oder sie müssen entscheiden, wie sie Eltern beraten, deren Kinder eingeladen sind zu Kindergeburtstagen bei Familien, die in der rechtsextremen Szene aktiv sind.

Wie können Pädagoginnen da reagieren?

Radvan: Sie müssen auf dem Schirm haben, dass es eine bestimmte Strategie in der rechtsextremen Szene gibt, mit der die Frauen oft vorgehen. Vielen Pädagoginnen fällt das auf den ersten Blick gar nicht auf. Da kommen Mütter, die etwa Bio-Essen aus lokaler Produktion als neue Idee mitbringen, sich für den Aufbau eines Spielplatzes engagieren und versuchen, sich beliebt zu machen. Erst im zweiten Schritt wird dann oft deutlich, dass sie versuchen, langfristig und nachhaltig ideologischen Einfluss zu nehmen. Zum Beispiel, wenn sie Kinderbücher mitbringen, bei denen erst bei genauerem Hinsehen klar wird, dass sie ein rassistisches Menschenbild vermitteln. Oder eine Mutter versucht, im Elternbeirat zu verhindern, dass die Schule sich für den Titel «Schule ohne Rassismus» bewirbt. Oder sie vertreibt privat im Internet Backrezepte für Kuchen mit Hakenkreuzen.

Ist das ein ostdeutsches Phänomen?

Radvan: Nein, wir haben auch Anfragen aus westdeutschen Bundesländern. Was zum Beispiel überall passieren kann: In einer Region wohnen mehrere Familien, die der rechtsextremen Szene angehören und ihre Kinder auf die gleiche Kita schicken. Wenn die Eltern dann versuchen, sich für bestimmte Gremien aufstellen zu lassen, kann das zum Problem werden. Da müssen Erzieherinnen dann über die eigene Vereinssatzung Bescheid wissen und auch ihre rechtlichen Möglichkeiten kennen.

Was können Erzieherinnen tun, wenn ein Kind namens Heil Odin in den Kindergarten kommt?

Radvan: Erst einmal ist es wichtig, Erscheinungsformen des Rechtsextremismus zu kennen und dafür sensibel zu sein. Dazu kommt präventive Arbeit durch Demokratieerziehung. Aber wenn dann wirklich ein Kind mit einem solchen Namen kommt, sollten sich die Erzieherinnen im Team darüber unterhalten, was das für ein Name ist und ob es noch mehr Beobachtungen über das Elternhaus gibt. Danach können sie schauen, ob der Name überhaupt in die Geburtsurkunde eingetragen ist. Wenn das zutrifft, hat man als Pädagogin keine Handhabe. Aber bei einem Namen wie Heil Odin bezweifle ich das.

Gibt es auch Probleme mit Rechtsextremen als Erziehern und Lehrern?

Radvan: Es gibt laut Recherchen eine Strategie in der rechtsextremen Szene, dass Mädchen oder junge Frauen sozialpädagogische Berufe ergreifen sollen. Auch Teams in der offenen Jugendarbeit sind solche Fälle schon aufgefallen. Und Lehrende an Fachhochschulen bemerken in Fächern wie Sozialarbeit und Sozialpädagogik in den vergangenen Jahren immer öfter Studentinnen mit rechtsextremer Gesinnung. Das sind zwar weiterhin Einzelfälle, aber es gibt sie und es werden mehr.

 

Heike Radvan ist Erziehungswissenschaftlerin und arbeitet für die Amadeu Antonio Stiftung zu den Themen Gender & Rechtsextremismus sowie Antisemitismus in der DDR. Im Frauen-Projekt Lola für Lulu berät sie unter anderem PädagogInnen oder ErzieherInnen, die nicht wissen, wie sie auf rechtsextreme, antidemokratische oder diskriminierende Einstellungen bei Kindern, Jugendlichen oder Eltern reagieren sollen.

jek/news.de