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Plötzlich verschwunden: Wie findet man eine vermisste Person?

Im Fall einer vermissten Person sollten Sie schnell reagieren - die ersten Stunden und Tage sind entscheidend. Bild: picture alliance/dpa | Daniel Bockwoldt

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Wenn Sie oder ein Angehöriger unter Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden, sollten Sie sich Hilfe bei Experten holen, die Ihnen Wege aus dieser Situation aufzeigen. Die Telefonseelsorge ist kostenlos, anonym und 24 Stunden lang unter den Telefonnummern 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 erreichbar. Weitere Hilfsmöglichkeiten finden Sie hier.

  • Behalten Sie einen kühlen Kopf und erstellen Sie bei der Polizei eine Vermisstenanzeige
  • Stellen Sie selbst Nachforschungen an und machen Sie die Öffentlichkeit aufmerksam auf die vermisste Person
  • Verlieren Sie nicht die Hoffnung - immerhin 50 Prozent aller Fälle werden schon innerhalb einer Woche gelöst

Es scheint unwahrscheinlich, doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Laut BKA wurden in Deutschland im Jahr 2022 knapp 104.000 Personen als vermisst gemeldet, was 200 bis 300 Vermisstenmeldungen pro Tag entspricht. 200 bis 300 Menschen, die jeden Tag verschwinden - die meisten werden zwar relativ schnell wieder aufgefunden und bleiben nur für kurze Zeit verschollen. Doch was ist mit den Fällen, in denen eine Person länger verschwunden bleibt? Wie müssen Sie nun handeln, um zu helfen?

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Die ersten Stunden nach dem Verschwinden

Zunächst: Damit jemand wirklich als "vermisst" gilt, genügt es nicht, jemanden bloß kurz aus den Augen zu verlieren. Rennen Sie also nicht Hals über Kopf zur nächsten Polizeistation, sondern prüfen Sie, ob folgende Kriterien auf Ihren Fall zutreffen:

1. Die Person muss ihren gewohnten Lebensumkreis verlassen haben.

2. Der derzeitige Aufenthaltsort der Person ist unbekannt.

3. Es muss eine Gefahr für Leib und Leben bestehen - etwa, weil es sich um jemanden handelt, der ohne Begleitung hilflos ist, suizidal ist oder möglicherweise in einen Unfall geraten ist.

Bei Kindern fällt das Kriterium der Gefahr weg. In solchen Fällen sollten Sie unbedingt direkt eine Vermisstenanzeige aufgeben. Insofern die Kriterien zutreffen, müssen Sie - wie viele glauben - auch keine 24 Stunden warten, sondern sollten ebenfalls direkt zur Polizei. Generell gilt: Seien Sie schnell - die ersten Stunden und Tage nach der Vermisstenmeldung sind wohl die wichtigsten. Laut Statistiken lässt sich rund die Hälfte aller Vermisstenfälle schon innerhalb einer Woche klären. Nur etwa drei Prozent der Fälle bleiben über ein Jahr ungeklärt.

Doch je länger die Suche andauert, desto schwieriger wird die Suche. Denn der Radius, in dem sich der Vermisste aufhalten könnte, wird von Minute zu Minute größer, während die Spuren langsam verschwinden. So wird die Meldung schon nach wenigen Stunden an das Landeskriminalamt weitergegeben. Danach wird bundesweit und eventuell sogar international gesucht.

Was kann Ich tun, um eine vermisste Person zu finden?

Behalten Sie einen kühlen Kopf - Panik hilft hier nicht weiter. Geben Sie zuallererst eine Vermisstenanzeige auf. Dafür benötigen Sie:

  • Drei aktuelle Fotos von demjenigen
  • Eine Liste von Spitznamen oder Künstlernamen, die derjenige nutzt
  • Eine körperliche Beschreibung, etwa Größe, Gewicht, Alter, Haarfarbe, Augenfarbe, Statur, etc.
  • Eine Beschreibung der Kleidung und der Schuhe, die derjenige zuletzt getragen hat.
  • Eine Liste von persönlichen Gegenständen, die derjenige möglicherweise bei sich tragen könnte, etwa Schmuck, Brille, Kontaktlinsen, Accessoires, Geldbörse, Handtasche, Ausweise, etc.
  • Eine Liste möglicher Narben, Tattoos oder anderer charakteristischer Merkmale.
  • Eine Liste der Medikamente, die die vermisste Person regelmäßig einnimmt, sowie Informationen bezüglich Allergien, Behinderungen und anderer gesundheitlicher Einschränkungen.
  • Eine Liste von Verwandten und Freunden des Vermissten und ihre Kontaktdaten.
  • Eine Liste der Orte, an denen sich die Person häufig aufhält.
  • Eine Beschreibung des Autos oder anderen Fahrzeug des Vermissten (Fahrrad, Moped, etc.)
  • Eine Beschreibung der Umstände, unter denen die Person verschwunden ist.

Behalten Sie auf jeden Fall eine Kopie der Vermisstenanzeige und bleiben Sie in Kontakt mit dem Polizisten, der die Anzeige aufgenommen hat. Ist es möglich, dass die vermisste Person sich im Ausland aufhält? Dann können Sie auch ausländische Behördenwie das National Missing and Unidentified Persons System (NamUs) in den USA kontaktieren. Dort wird Ihre Vermisstenanzeige für die gesamte Welt sichtbar verbreitet. Zusätzlich können Sie die vermisste Person auch bei diversen Internetportalen melden. Vermisste Kinder können beispielsweise auf Initiative-Vermisste-Kinder.de gemeldet werden.

Und nach der Vermisstenanzeige?

Zum einen: Geduld. Jetzt geht es um die kritische Zeitspanne, in der das Wiederauftauchen der vermissten Person noch sehr wahrscheinlich ist. In dieser Zeit können Sie nun eigene Anstrengungen unternehmen, die Person zu finden. Fragen Sie zunächst im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis der Person herum. Erkundigen Sie sich, ob ihnen etwas seltsames aufgefallen war, als sie die Person das letzte Mal gesehen haben. Neben ihnen können Sie aber auch Personen wie Ärzte, Lehrer oder andere, die die vermisste Person regelmäßig gesehen haben, befragen. Dabei sollten Sie stets Buch über alle, mit denen Sie gesprochen haben und über was Sie gesprochen haben, führen. Neue Erkenntnisse sollten Sie auch unbedingt mit der Polizei teilen.

Niemand weiß etwas - was nun?

Wenn Ihnen sonst niemand weiterhelfen kann, können Sie sich bei Krankenhäusern und Gerichtsmedizinern in der Umgebung erkundigen. Sicherlich ist dies ein schwerer Gedanke - doch sollte der Person etwas zugestoßen sein, ist es nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass Sie im Krankenhaus zu finden ist. Auch bei den örtlichen Strafanstalten und Polizeistellen können Sie nachfragen. Möglicherweise ist der oder die Vermisste mit den Behörden aneinander geraten. Sollten Sie es noch nicht getan haben, können Sie an dieser Stelle auch einen Aufruf in den sozialen Medien starten - bitten Sie auch Personen mit einer großen Reichweite auf ihren Social Media-Kanälen um Hilfe. Wenn Sie Zugang zu den Nachrichtenverläufen der vermissten Person haben, suchen Sie in diesen nach Hinweisen. Auch Profile von Freunden des Gesuchten können Hinweise auf den aktuellen Aufenthaltsort geben.

Was zu tun ist, wenn die Suche andauert

Im Zweifelsfall kann es auch hilfreich sein, selbst Vermisstenflyer aufzuhängen. Manchmal sieht eine vermisste Person ihren eigenen Flyer und entscheidet sich, sich nochmal bei jemandem zu melden oder zurückzukehren. Hängen Sie die Flyer am besten an gut sichtbaren und häufig frequentierten Orten auf. Tankstellen, Supermärkte, Kirchen, Obdachlosenunterkünfte, Parks und Spazierwege eignen sich dafür bestens. Versuchen Sie außerdem, die lokalen Medien auf den Fall aufmerksam zu machen - das bewirkt nicht nur, dass das öffentliche Interesse an dem Fall steigt, sondern auch, dass der Druck auf die Polizei, den Fall zu lösen, sich erhöht.

Einen Privatdetektiv einzuschalten, ist auch eine Option. Allerdings wird ein Privatermittler sich nur so lange um Ihren Fall kümmern, wie Sie zahlen können und wollen. Der Vorteil ist hierbei, dass der Privatdetektiv sich auch dann noch intensiv mit dem Fall beschäftigen wird, wenn die Polizei sich längst nicht mehr aktiv damit beschäftigt. Das wichtigste ist, dass Sie die Hoffnung nicht aufgeben.

Zahlen und Fakten, die Sie kennen sollten

Beachten Sie jedoch: Wie am Anfang gesagt, werden die meisten Fälle innerhalb einer Woche gelöst. Danach sinkt die Wahrscheinlichkeit jedoch immer weiter ab. Hier einige Zahlen und Fakten zu häufig gestellten Fragen:

1. Wie viele vermisste Personen gibt es aktuell in Deutschland?

Am 01.01.2024 waren insgesamt rund 9.832 Fälle vermisster Personen in Deutschland registriert. In dieser Zahl sind sowohl Fälle vermisster Personen enthalten, die sich innerhalb weniger Tage aufklären, als auch über viele Jahre/Jahrzehnte Vermisste, deren Aufenthaltsort/Verbleib nicht festgestellt werden konnte. Generell schwankt die aktuell bekannte Zahl immer zwischen neun- und zehntausend Personen.

2. Wie viele vermisste Kinder gibt es in Deutschland?

Aktuell beträgt die Zahl rund 1.600 Kinder - von den insgesamt fast zehntausend Gemeldeten also kein gerade kleiner Anteil.

3. Wer ist die am längsten vermisste Person?

Im deutschsprachigen Raum gilt Natascha Kampusch als die am längsten vermisst gemeldete Person. 1998 wurde sie von ihrem Entführer Wolfgang Priklopil auf ihrem Schulweg in einen Lieferwagen gezerrt. Acht Jahre lang wurde sie von ihm festgehalten.

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