Tödliche Gewalt im Iran: YouTube-Star und 17-Jährige gestorben - Wurden sie von der Polizei totgeprügelt?
Erstellt von Sabrina Böhme
04.10.2022 10.48
Die Protestwelle im Iran ebbt nicht ab.Nach dem Tod von Mahsa Amini demonstrieren weiter landesweit zahlreiche Menschen gegen den repressiven Kurs der Regierung, das islamische System und den Kopftuchzwang. Die Regierung soll gezielt versuchen, die Proteste mit gewaltsamen Handlungen eskalieren zu lassen. Zuletzt wurden ein Ex-Nationalspieler und ein Musiker verhaftet. Bei den gewaltsamen Protesten seien laut Amnesty International bereits 50 Menschen gestorben. Unter den Opfern sollen auch die Youtuberin Sarina Esmailzadeh (16) und Nika Shahkarmi (17) sein, wie die Menschenrechtsorganisation bestätigte. Die Polizei soll sie auf der Straße tot geprügelt haben.
YouTuberin Sarina Esmailzadeh und 17-jährige Nika Shahkarmi tot: Iranische Polizei soll Jugendliche totgeprügelt haben
Laut ersten Informationen wurde Sarina Esmailzadeh mit Schlagstöcken am Kopf verletzt. Die Verletzungen sollten sich als tödlich erweisen. Ihre Familie hatte zehn Tage nach ihr gesucht, bis die Behörden ihre Leiche endlich übergaben. Auch Nika Shahkarmi verschwand in Teheran. Wie ihre Tante gegenüber "BBC Farsi" erzählte, verließ sie mit einer Wasserflasche und einem Handtuch gegen das Tränengas der Polizisten das Haus - und verschwand. Die 17-Jährige soll Angst um ihr Leben gehabt haben. Einem Freund sagte sie in ihrem letzten Telefongespräch, dass sie von "Sicherheitsagenten" verfolgt werde. Kurze Zeit später konnte sie ihre Familie nicht mehr per Telefon erreichen, ihr Instagram- und Telegram-Account wurden gelöscht. Verzweifelt suchten Familienmitglieder in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen nach ihr, bis sie in einer Leichenhalle eine junge Frau fanden, die anhand der Beschreibungen auf ihre geliebte Nika passten.
Falsche Todesursache: Nika Shahkarmi starb nach Schädelbruch
Laut Berichten wies die Leiche schwerste Verletzungen auf. Ihre Nase war zertrümmert und sie hatte einen Schädelbruch erlitten. Aufgrund eines Sturzes aus "großer Höhe" sei sie gestorben, wurde als Todesursache angegeben. Nikas Familie glaubt nicht daran, denn Bilder sollen zeigen, wie der Leichnam auf dem Boden liegt; daneben wurden "für das Foto" ihr Handy und eine Wasserflasche arrangiert. Ihre Mutter wollte nicht im Stillen trauern und schloss sich den Protesten auf den Straßen an, wie ein Video auf Twitter zeigt.
Proteste im Iran: Professoren an Universität in Teheran verprügelt
Die Proteste gegen die Machthaber im Iran gehen weiter: An der Universität Scharif in der Hauptstadt Teheran gingen in der Nacht zum 3. Oktober Sicherheitskräfte örtlichen Medienberichten zufolge mit massiver Gewalt gegen Studierende vor, die gegen das repressive islamische System demonstrierten. Der oberste geistliche Führer des Landes, Ali Chamenei, stellte die Aktionen als Verschwörung der USA, Israels und der "iranischen Verräter im Ausland" dar. Die Bundesregierung setzt sich mit mehreren anderen EU-Staaten für Sanktionen gegen die islamische Republik ein. Nach Protesten an der Universität Scharif riegelten Polizisten und Milizen nachts den Campus ab. Auch mehrere Professoren der Elite-Universität sollen nach Angaben des iranischen Nachrichtenportals "Emtedad" verprügelt worden sein.
Zu den Protesten an der Universität Scharif war in sozialen Medien von "bürgerkriegsähnlichen" Zuständen die Rede. Die iranischen Medien wiesen diese Berichte als übertriebene Stimmungsmache gegen das System zurück. Der Unterricht an der Universität wurde bis auf weiteres eingestellt. Nach Angaben des Nachrichtenportals Aftab-News finde er nur noch online statt. Studenten zufolge ist das wegen der Internetsperren, die im Zusammenhang mit den systemkritischen Protesten verhängt wurden, aber derzeit kaum machbar.
Annalena Baerbock sagte Demonstranten Unterstützung zu
Außenministerin Annalena Baerbock sagte den regierungskritischen Demonstranten im Iran ihre Unterstützung zu. "Wir schauen hin. Wir stehen an eurer Seite", sagte die Grünen-Politikerin. "Wir können hinschauen. Wir können die Stimme dieser Frauen sein." In deutschen Städten gingen mehr als 10.000 Menschen auf die Straße, zeigten ihre Solidarität mit den Demonstranten im Iran und protestierten gegen die Diskriminierung von Frauen dort.
USA wollen Sanktionen gegen den Iran verhängen
Angesichts des brutalen Vorgehens iranischer Sicherheitskräfte gegen regierungskritische Demonstranten hat US-Präsident Joe Biden Sanktionen gegen Verantwortliche in Aussicht gestellt. Noch in dieser Woche werde die US-Regierung Strafmaßnahmen gegen jene verkünden, die Gewalt gegen friedliche Demonstranten ausübten, kündigte Biden am 3. Oktober (Ortszeit) in einer schriftlichen Stellungnahme an. "Wir werden auch weiterhin iranische Beamte zur Rechenschaft ziehen und das Recht der Iraner auf freien Protest unterstützen." Biden erklärte, er sei "sehr besorgt" über Berichte zu zunehmend gewaltsamem Vorgehen gegen friedliche Demonstranten im Iran.
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bos/loc/news.de/dpa