Dr. Lisa-Marie Kellermayr ist tot: Ärztin von Impfgegnern zu Tode gehetzt - Razzia bei Tatverdächtigem
Erstellt von Claudia Löwe
05.08.2022 17.09
Über Monate hinweg wurde Dr. Lisa-Marie Kellermayr aus Seewalchen am Attersee in Oberösterreich terrorisiert - Impfgegner und Querdenker bedrohten die Allgemeinmedizinerin, die sich im Kampf gegen Corona engagierte, auf brutale Weise und schickten der "leidenschaftlichen Landärztin", wie sich Lisa-Marie Kellermayr selbst bezeichnete, abartige Morddrohungen.
Dr. Lisa-Marie Kellermayr ist tot: Von Impfgegnern gehetzte Ärztin begeht Suizid
Ende Juni 2022 schloss Dr. Kellermayr ihre Praxis, nachdem die Morddrohungen nicht abrissen und die Ärztin Sicherheitsvorkehrungen aus eigener Tasche nicht mehr bezahlen konnte. Nur einen Monat später war Dr. Lisa-Marie Kellermayr nicht mehr am Leben - die 36-jährige Medizinerin hatte sich das Leben genommen, war tot in ihren Praxisräumen gefunden worden. Monatelanger Hass und Hetze aus der Impfgegner-Szene hatten die Ärztin in den Tod getrieben.
Dr. Lisa-Marie Kellermayr enthüllt abartige Todesdrohungen aus der Impfgegnerszene
In einem der an Dr. Lisa-Marie Kellermayr Drohschreiben beschrieb der Verfasser, wie er in die Praxis kommen könnte, um dort die Ärztin und ihre Mitarbeiter zu foltern und zu töten.
Die Medizinerin hatte über längere Zeit Polizeischutz erhalten, nach eigenen Angaben aber auch selbst rund 100.000 Euro für Schutzmaßnahmen ausgegeben. Die Polizei ermittelt wegen der Drohschreiben weiter gegen Unbekannt. An diesen Ermittlungen ändere auch der Tod der Frau nichts, man warte nach wie vor auf den Abschlussbericht der Polizei, so die Staatsanwaltschaft Wels.
Spur der von Impfgegnern bedrohten Ärztin führt nach Oberbayern
Nach dem Suizid der von Gegnern der Corona-Maßnahmen bedrohten österreichischen Ärztin Dr. Lisa-Maria Kellermayr führt eine Spur nach Bayern. "Es gibt ein Ermittlungsverfahren gegen eine männliche Person aus Oberbayern bei uns", bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München II am 2. August 2022 entsprechende Informationen der Mediengruppe Bayern.
Die Medizinerin hatte sich stark für Corona-Impfungen engagiert und war nach eigenen Angaben monatelang massiv von Impfgegnern unter Druck gesetzt worden. Am 29. Juli wurde bekannt, dass sie tot in ihrer Praxis in Oberösterreich gefunden worden war. Der nun im Fokus stehende Mann aus Oberbayern steht der Mediengruppe zufolge im Verdacht, der 36 Jahre alten Medizinerin in Mails mit Folter und Mord gedroht zu haben. Außerdem habe die Staatsanwaltschaft Wels auch bei der Staatsanwaltschaft Berlin einen Tatverdächtigen angezeigt.
Ermittlungen nach Morddrohungen gegen Ärztin gehen weiter
Die Ermittlungen wegen der Drohungen gingen weiter, so der Sprecher. Auch die deutschen Behörden würden Spuren verfolgen. So hat die Staatsanwaltschaft München in dem Fall Ermittlungen aufgenommen. "Es gibt ein Ermittlungsverfahren gegen eine männliche Person aus Oberbayern bei uns", bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München II entsprechende Informationen der Mediengruppe Bayern.
Die österreichischen Ermittler haben auch die Berliner Staatsanwaltschaft um Rechtshilfe gebeten. Entsprechende Unterlagen seien übermittelt worden, bestätigte ein Sprecher der Berliner Behörde am Mittwoch. Zuvor hatte die "Süddeutsche Zeitung" berichtet.
Es gehe dabei um mögliche Beschuldigte aus der Hauptstadt, die Drohungen gegen Kellermayr ausgesprochen haben sollen, sagte der Sprecher. Die Staatsanwaltschaft prüfe nun, ob die Verdächtigen tatsächlich in Berlin lebten und ob ein entsprechendes Verfahren eingeleitet werde.
Razzia bei Tatverdächtigem nach Tod von Impfärztin in Starnberg
Nach dem Tod der österreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr ist am Freitag in Oberbayern die Wohnung eines Mannes durchsucht worden. Dem 59-Jährigen aus dem Landkreis Starnberg werde Bedrohung und Nachstellung Kellermayrs vorgeworfen, berichtete die Generalstaatsanwaltschaft München anschließend.
Der Mann soll sich im Internet und in sozialen Netzwerken entsprechend geäußert haben. In einer Äußerung soll Kellermayr bedroht worden sein, dass sie beobachtet werde und solche "Kreaturen" künftig vor "Volkstribunale" gebracht würden.
Laut dem Leitenden Oberstaatsanwalt Klaus Ruhland stellte die Kripo Fürstenfeldbruck am Freitagmorgen Datenträger bei dem Verdächtigen aus dem Kreis Starnberg sicher. Der 59-Jährige habe sich kooperativ gezeigt. Weitere Auskünfte gaben die Ermittler zunächst nicht. Auch die Behörden in Österreich und die Staatsanwaltschaft in Berlin ermitteln in dem Fall.
Leiche der toten Ärztin aus Österreich wird nun doch obduziert
Die Leiche der österreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr, die nach Drohungen von Impfgegnern Suizid begangen hatte, wird auf Wunsch von Angehörigen nun doch obduziert. Die Behörden hätten zwar keine neuen Hinweise, aber den Bitten der Angehörigen komme man zur Ergänzung und Abrundung der Erkenntnisse gerne nach, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Wels am Mittwoch mit.
Eine Obduktion der Leiche der österreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr hat einen Suizid bestätigt. Das gehe aus dem vorläufigem Obduktionsergebnis hervor, teilte die Staatsanwaltschaft Wels am Mittwoch mit. "Insbesondere sind keine Hinweise auf eine Einwirkung von Dritter Hand zu Tage getreten." Zunächst hatten die Behörden eine Obduktion nicht für nötig erachtet. Allerdings hatten zwei Angehörige am Dienstag einen solchen Schritt beantragt, dem das Landgericht zustimmte.
Tausende gedenken toter Ärztin in Österreich
Wenige Tage nach dem Suizid der von Corona-Maßnahmen-Gegnern bedrohten Ärztin Lisa-Maria Kellermayr in Österreich haben Tausende der Medizinerin gedacht. In Wien kamen am Abend des 1. August 2022, drei Tage, nachdem die Medizinerin tot aufgefunden worden war, zahlreiche Menschen zum Stephansdom, entzündeten Kerzen oder ließen ihre Handys aufleuchten. Außerdem läuteten die Glocken der Kirche.
Weit über die Grenzen Österreichs hinaus ist nach Dr. Lisa-Marie Kellermayrs Freitod die Debatte über Hass im Netz neu entflammt. Kein Geringerer als Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen nahm das Drama zum Anlass einer Mahnung. "Beenden wir dieses Einschüchtern und Angst machen", schrieb das Staatsoberhaupt auf Twitter. Er selbst legte zusammen mit seiner Frau am Montagabend Blumen vor der Praxis der Toten nieder.
Hass im Netz wird zum Flächenbrand: Ermittlungen nach Tod von österreichischer Ärztin
Trotz der inzwischen etablierten gesetzlichen Regelungen gegen Hass im Netz auf nationaler und EU-Ebene ist nach Erfahrungen von Experten die Online-Aggression noch nicht annähernd im Griff. Die auf das Gebiet spezialisierte Beratungsstelle "Zara" in Wien hat in den vergangenen fünf Jahren 8.000 Fälle registriert. Zeitweise sei Corona bei den Hass-Postings das Hauptthema gewesen, sagt Sprecher Ramazan Yildiz über die tiefe gesellschaftliche Kluft angesichts der Pandemie. Zumindest punktuell stellten die "Zara"-Mitarbeiter einen Unterschied beim Ermittlungseifer der Behörden fest. "Natürlich ist es immer mal wieder so, dass man bei Online-Delikten andere Reaktionen bekommt als bei Offline-Delikten", sagt Yildiz.
Aber auch für die Betroffenen sei ungeachtet der gesetzlichen Fortschritte das Verfolgen ihrer Verfolger oft mühsam. "Vielen ist es zu emotional, finanziell und zeitlich zu aufwendig", so Yildiz weiter. Im Fall Kellermayr läuft nach Angaben der Staatsanwaltschaft Wels weiterhin ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt. Geprüft wird derzeit, ob der Suizid Kellermayrs etwas an den Zuständigkeiten ändert. Aufgrund vergangener Höchstgerichtsurteile sind zumindest im Fall von gefährlichen Drohungen die Behörden im Herkunftsort der Täter zuständig. Zumindest einer davon soll in Deutschland sitzen.
Beim Schutz gegen Impfgegner versagt? Polizei weist Vorwürfe zurück
Die Polizei wehrt sich gegen Vorwürfe, sie habe zu lax auf die Drohbriefe an Lisa-Marie Kellermayr reagiert, die extreme Gewaltandrohungen enthielten. Seit November 2021 sei die Ärztin polizeilich beraten worden, heißt es in einer Stellungnahme. "Es kam in den darauffolgenden Wochen zu zahlreichen weiteren Kontaktaufnahmen und Gesprächen. Die polizeilichen Schutzmaßnahmen rund um die Ordination wurden drastisch erhöht. Dabei wurden alle gesetzlich möglichen Maßnahmen ausgeschöpft." Bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Wien ist jetzt eine Anzeige eingegangen, in der den Behörden Untätigkeit vorgeworfen wird.
Joko und Klaas erinnern in Pro7-Show an gestorbene Ärztin Lisa-Marie Kellermayr
Die Entertainer Joko Winterscheidt (43) und Klaas Heufer-Umlauf (38) haben an die gestorbene österreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr erinnert. Die beiden widmeten ihre ProSieben-Sendung "Wer stiehlt mir die Show?" ihrer "langjährigen Wegbegleiterin", wie es zum Beginn der Show am 2. August 2022 hieß.
Die Ärztin sei oft Gast in den Sendungen von Joko und Klaas gewesen, hieß es in dem auch bei Instagram veröffentlichten Beitrag der beiden Entertainer. Während der Corona-Pandemie sei sie engagiert "für die Notwendigkeit der Impfung" eingetreten und somit ins Visier von radikalen Corona-Leugnern und sogenannten Querdenkern geraten.
Kellermayr habe "regelmäßig explizite und detaillierte Morddrohungen" erhalten und der Betrieb ihrer Praxis sei immer wieder gestört worden. Ihr Ruf nach Hilfe sei "bei den zuständigen Behörden auf Unverständnis und Untätigkeit" gestoßen, hieß es weiter in dem Beitrag. Die Polizei in Österreich hatte sich gegen Vorwürfe gewehrt, zu lax reagiert zu haben.
Auch Joko und Klaas hatten in der Corona-Krise immer wieder Flagge gezeigt. So gaben sie Olaf Scholz (SPD) kurz vor dessen Amtsantritt als Bundeskanzler eine Bühne, nachdem sie in ihrer Show "Joko & Klaas gegen ProSieben" 15 Minuten freie Sendezeit gewonnen hatten. Scholz richtete als Gast der Entertainer einen eindrücklichen Impf-Appell ans Fernsehpublikum.
Deutsche Politiker nach Kellermayr-Fall bestürzt
Politiker und Ärzte in Deutschland haben sich über den Suizid der von Gegnern der Corona-Maßnahmen bedrohten österreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr bestürzt gezeigt. Im Fokus steht dabei der Hass im Internet. "Jeden Tag wird in den sozialen Netzwerken zu Gewalt gegen mich aufgerufen", sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Leute rufen regelmäßig - teilweise sogar mit Klarnamen - zu meiner Ermordung auf." Er werde deswegen besonders gut geschützt. "Die österreichische Kollegin dagegen musste den Schutz selbst bezahlen und konnte sich das nicht mehr leisten." Er verachte und verabscheue die Hetzer im Netz, die diese Frau in den Tod getrieben hätten.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, meinte in der "Welt", der Tod der Ärztin führe "drastisch vor Augen, wohin die Verrohung des gesellschaftlichen Klimas führen kann". Auch in Deutschland sinke die Hemmschwelle. Ärztinnen und Ärzte erhielten Drohbriefe, würden verbal und körperlich angegriffen.
"Die Polizei muss angesichts der besorgniserregenden Zunahme digitaler Straftaten zügig handeln", forderte Jörg Radek, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, in der Zeitung. Es fehle aber an entsprechenden Ressourcen, personell wie bei der Ausstattung.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken rief die Menschen dazu auf, Opfern von psychischer Gewalt beizustehen. Gerade Frauen seien häufig betroffen, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Im Kampf gegen diese Form der Gewalt müssen wir noch durchsetzungsfähiger werden."
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz forderte in der "Rheinischen Post" (Mittwoch) eine bessere Ausstattung der Ermittlungsbehörden in Deutschland. Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz sprach sich in der Zeitung für mehr Befugnisse im digitalen Raum aus. "Mit der Beschränkung der Sicherheitsbehörden auf das Abhören von Festnetztelefonaten wird man der Lebensrealität im Jahr 2022 einfach nicht gerecht", kritisierte die CSU-Politikerin.
Wenn Sie oder ein Angehöriger unter Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden, sollten Sie sich Hilfe bei Experten holen, die Ihnen Wege aus dieser Situation aufzeigen. Die Telefonseelsorge ist kostenlos, anonym und 24 Stunden lang unter den Telefonnummern 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 erreichbar.Weitere Hilfsmöglichkeiten finden Sie hier.
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loc/news.de/dpa