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Nach Polizistenmord von Kusel: Mutmaßlicher Polizistenmörder hatte weder Jagdschein noch Waffenerlaubnis

Zwei Polizeibeamte starben Ende Januar 2022 durch tödliche Schüsse im Landkreis Kusel (Rheinland-Pfalz). Bild: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

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Gut eine Woche nach den tödlichen Schüssen auf zwei Polizeibeamte im Landkreis Kusel in Rheinland-Pfalz fördern die Ermittlungen immer neue Details zutage. Einen 24-jährige Polizeianwärterin und ein 29-jähriger Oberkommissar erlagen ihren tödlichen Verletzungen infolge von Schüssen, die bei einer routinemäßigen Verkehrskontrolle fielen. Zwei Tatverdächtige, der 38-jährige Andreas S. sowie der 32-jährige Florian V., sitzen inzwischen wegen des Vorwurfs des gemeinschaftlichen Mordes und der gewerbsmäßigen Jagdwilderei in Untersuchungshaft.

Ermittlungen nach zweifachem Polizistenmord von Kusel: Zwei Tatverdächtige in U-Haft

Im Wagen, mit dem die beiden wohl unterwegs waren, wurden zahlreiche erlegte Wildtiere entdeckt. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Verdächtigen mit den Morden die vorherige Wilderei verdecken wollten. Der 32-Jährige gab an, nicht geschossen zu haben.Der tatverdächtige 38-Jährige hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert, doch die Ergebnisse der bisherigen Ermittlungen zeichnen ein aufschlussreiches Bild des mutmaßlichen Polizistenmörder.

Behörden entzogen Andreas S. Waffenbesitzkarte und Jagdschein

Nach dpa-Informationen hatte der Tatverdächtige erstmals 1999 Jagdschein und Waffenbesitzkarte erteilt bekommen. Im Jahr 2010 wurde ihm beides nach einer verfahrensrechtlichen Überprüfung rechtskräftig entzogen, wie der saarländische Landkreistag mitteilte. Zuvor hatte Andreas S. im Jahr 2008 die entsprechenden Waffen auf Anordnung an eine berechtigte Person "überlassen". Dazu der Landkreistag: "Dieser Erwerbsberechtigte muss zwingend sicherstellen, dass der frühere Besitzer keinen Zugriff mehr auf diese Waffen hat."

Nach Ablauf der Sperrfrist für Wiedererteilung eines Jagdscheines sei ein Jagdschein wieder beantragt und erteilt worden, erstmals im Juni 2012, zuletzt im April 2017, gültig bis März 2020. Danach sei kein Jagdschein mehr beantragt worden, teilte die Geschäftsführerin des Landkreistags Saarland, Susanne Schwarz, mit.

Mutmaßlicher Polizistenmörder Andreas S. hatte weder Waffenbesitzkarte noch Jagdschein

Bis Ende März 2020 konnte Andreas S. dem saarländischen Umweltministerium zufolge legal im saarländischen Staatswald jagen. Zum Zeitpunkt der Todesschüsse auf das Polizisten-Duo war der 38-Jährige jedoch nicht mehr Inhaber einer Erlaubnis zum Besitz von Waffen und besaß der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern zufolge auch keinen Jagschein mehr.

Nach Angaben des saarländischen Landkreistags musste der Mann bis Januar 2020 deshalb seine Waffen an berechtigte Personen abgeben. Nach diesem Zeitpunkt sei er nur noch in Besitz von Schalldämpfern inklusive Waffenbesitzkarten gewesen. An wen die Waffen überlassen wurden, werde derzeit überprüft.Die Eintragung erfolge in der Waffenbesitzkarte der betreffenden Person. Ein Abgleich mit den nun aufgefundenen Waffen sei noch nicht möglich gewesen.

Der Tatverdächtige betrieb zuletzt einen Handel mit Wildfleisch. Nach ihm war mehrere Stunden öffentlich gefahndet worden, weil am Tatort ein Ausweis von ihm lag. In dem Wohnhaus des Mannes im saarländischen Spiesen-Elversberg, das der 38-Jährige jedoch nicht alleine bewohnte, fanden die Ermittler nach der Tat fünf Kurzwaffen, ein Repetiergewehr, zehn weitere Langwaffen, eine Armbrust sowie einen Schalldämpfer und Munition. In Sulzbach stellte die Polizei nach der Festnahme der beiden Verdächtigen zwei weitere Waffen sicher.

Polizei untersucht Fahrzeug der mutmaßlichen Wilderer

Die Staatsanwaltschaft teilte weiter mit, dass sich am Tattag ein Zeuge gemeldet hatte, der das nicht mehr fahrbereite Auto der mutmaßlichen Täter nur wenige Kilometer vom Tatort entfernt abgeschleppt habe. "Dieses Auto ist sichergestellt. An ihm wurden Einschüsse festgestellt, die näher untersucht werden." Der 29-Jährige Polizist hatte noch das Feuer erwidert, bevor er selbst tödlich getroffen wurde. 

Jagderlaubnis entzogen! Andreas S. verstieß gegen Jagd-Regeln und lockte Wild mit Gebäck an

Andreas S. habe in verschiedenen Revieren seit 2017 Jagderlaubnisscheine für zunächst drei Pirschbezirke gehabt, teilte das Umweltministerium in Saarbrücken mit. Zwei Pirschbezirke seien im Juni 2019 vorzeitig gekündigt worden, da es wiederholt zu Verstößen gegen die Kirr-Ordnung gekommen sei. Statt mit Getreide und heimischen Früchten sei Wild dort mit Backwaren angelockt ("angekirrt") worden.

Nach einer weiteren ähnlichen Feststellung wurde dem 38-Jährigen der dritte Jagdbezirk zum 31. März 2020 gekündigt, teilte eine Sprecherin mit. Beim Ministerium ist die Oberste Jagdbehörde angedockt. Die Pirschbezirke lagen in den Forstrevieren Furpach und St. Ingbert Nord. Wegen des Verdachts der Jagdwilderei, auch im Revier Ingbert Nord, habe der Saar-Forst mehrfach Anzeige gegen Unbekannt gestellt.

Tatverdächtiger Andreas S. verkaufte erlegtes Wild in eigener Firma

Der Tatverdächtige habe bis 2019 einen zugelassenen Wildverarbeitungsbetrieb in Neunkirchen gehabt - dieser Betrieb wurde auch mehrfach vom Landesamt für Verbraucherschutz kontrolliert. Neben selbst erlegtem Wild sei dort vor allem zugekauftes Wild verarbeitet worden. Zwischen 2017 und 2019 habe der 38-Jährige beim SaarForst Landesbetrieb insgesamt 442 Stück Reh- und Schwarzwild erworben.

In Sulzbach wurde von dem Mann bis zuletzt offenbar eine registrierte Wildkammer eines anderen Jägers genutzt, hieß es. Nach dpa-Informationen recherchieren Behörden derzeit die Vertriebswege des Wildhandels - und mögliche eingebundene Metzgereien.

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/news.de/dpa

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